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Der Wochenrückblick

Schmerzliche Einschnitte

Warum Baerbock leider nicht alles sagen kann, und wieso sie uns trotzdem gerade recht kommt

Hans Heckel
10.07.2021

Eigentlich könnte Annalena Baerbock diese missliche Sache mit dem Buch ganz schnell beenden. Sie müsste nur erklären, dass sie „ihr“ Buch gar nicht selbst geschrieben habe, sondern von einem fiesen Ghostwriter reingelegt worden sei. Der habe ihr für teures Geld kopierten Mist angedreht, statt vertragsgemäß fleißig zu arbeiten und einen „allerechtesten Baerbock“ vorzulegen.

Tragischerweise ist ihr dieser Ausweg versperrt. Einerseits weiß man zwar, dass Politiker-Bücher nur im Ausnahmefall wirklich aus der Feder desjenigen stammen, der auf dem Umschlag zu sehen ist. Andererseits gehört es zum guten Ton in der politischen und journalistischen Szene, diese peinliche Nuance diskret zu ignorieren.

Daher gilt: Der Erste, der diesen faulen Autorenzauber auffliegen lässt, hat verloren. Nicht nur, dass er sich damit selbst verrät. Das gesamte politische Berlin wäre stinksauer auf die Petze in den eigenen Reihen. Es wäre schließlich zu befürchten, dass fortan an jedem neuen Politikerbuch herumgeschnüffelt würde, ob es denn auch wirklich von dem angeblichen Autor verfasst worden ist, oder ob es aus einer gut bezahlten Lohnschreiber-Werkstatt stammt.

Fürchterlich viel Arbeit

Um der Schande der Entdeckung zu entgehen, müssten Politiker ihre Bücher in Zukunft tatsächlich selber schreiben. Gut, das hätte für uns Bürger einen beträchtlichen Vorteil: Die Zahl dieser meist beklagenswert öden Machwerke würde schlagartig auf ein Minimum absinken. Vorbei wäre die Zeit, da einem diese Wahlplakat-Buchdeckel den Weg in die Buchhandlung vermiesen.

Politiker müssten sich entscheiden: Entweder sie verzichten ganz darauf, uns auch noch mit einem Buch zu belästigen. Oder sie müssten sich fürchterlich viel Arbeit machen und obendrein riskieren, dass sie das Resultat der Plackerei als labernden Dünnbrettbohrer enttarnt. Alles nicht schön.

Dann schon lieber so, wie es jetzt läuft, auch wenn Kandidatin Baerbock und ihre Grünen daran zurzeit nur wenig Spaß haben. Sie können sich immerhin damit trösten, dass das Tamtam die Wahlbürger von etwas ganz anderem ablenkt, was gerade gar nicht ins „Gute-Zukunft“-Konzept der Wahlkämpfer passt. Im Hintergrund braut sich nämlich ein finanzieller Aderlass für die Bürger zusammen, wie wir ihn seit den Währungsreformen, der Ostvertreibung und den Enteignungen in der damaligen Sowjetzone nicht mehr gesehen haben. Und die Politik hat einen erheblichen Anteil an der Massenenteignung. Welcher Politiker kann sich schon wünschen, dass so etwas ausgerechnet im Wahlkampf zum großen Thema wird?

Negativzinsen fressen das Guthaben der Leute schneller auf, als es die vordergründig kleinen Zahlen ahnen lassen. Das ist nicht neu, nun aber kommt die Inflation hinzu, die gerade kräftig anspringt. Aber halt: Eine große deutsche Tageszeitung meint, wir Deutsche würden sogar von Geldverfall und Negativzinsen profitieren.

Wie das? Da Deutschland nämlich praktisch keine Zinsen mehr für seine Staatsschulden zahlen muss, profitiere der deutsche Staatshaushalt – „und damit der Steuerzahler“, jubelt das Blatt. Und was macht der deutsche Staat mit dem vielen eingesparten Geld? Er gibt es den Bürgern zurück, was sonst, oder? Nun, den „Bürgern“ schon, fragt sich nur, welchen.

Billionen schwere „Wiederaufbaufonds“ wurden auf EU-Ebene aufgelegt, von denen die Deutschen wie üblich den Löwenanteil tragen, während die besonders von der Corona-Krise gebeutelten Partner am meisten herausholen, um sich „wiederaufzubauen“. Und wie sieht dieser „Wiederaufbau“ aus?

Spanien etwa erwägt, die Wochenarbeitszeit auf vier Tage zu verkürzen. Italien benötigt hingegen viel Geld, um sein Rentensystem zu finanzieren. Dort ist die Durchschnittsrente nämlich deutlich höher als bei uns und beträgt knapp 92 Prozent des letzten Arbeitseinkommens. Dafür arbeiten die Italiener aber auch nur 32 Jahre im Schnitt, während die Deutschen für ihre spürbar schmalere Rente etwa 39 Jahre buckeln müssen, um dann mit etwa 52 Prozent des letzten Arbeitseinkommens in den „sorgenfreien Lebensabend“ zu starten.

Derweil geistert in Deutschland die nahende Unbezahlbarkeit des Rentensystems als Dauerbrenner durch die Debatten, während sich unsere italienischen Freunde da weit weniger ängstigen. Sie haben ja die Deutschen, die das schon zahlen werden. Das gebietet schließlich die europäische Solidarität. Und wie wir jetzt wieder in der Zeitung gelesen haben, „profitierten“ die Deutschen ja auch am meisten unter ihren niedrigen Staatsschuld-Zinsen.

Bei wem genau spart der deutsche Staat aber nun die Zinsen, die er nicht bezahlen muss? Wo wohl? Bei seinen Bürgern natürlich, deren Lebens- und private Rentenversicherungen in solche Staatsschuldtitel investiert sind, weil das Gesetz vorschreibt, dass die Versicherungen in besonders sicheren Papieren angelegt sein müssen.

Gut, nicht jammern. Man kann sein Geld anders anlegen, beispielsweise in eine eigene Immobilie, sofern man sich das noch leisten kann. Deren Wert steigt scheinbar unaufhaltsam, und mit einer solchen Investition könnte man sich dem Wegschmelzen des eigenen Vermögens doch entziehen.

Die Deutschen im Glück

Stimmt, aber das hat der deutsche Fiskus auch schon bemerkt und vorgesorgt mit Grunderwerbsteuern von bis zu 6,5 Prozent. In den Niederlanden beträgt die Grunderwerbsteuer für Selbstnutzer bloß zwei, in Dänemark gar nur 0,7 Prozent. So hat die deutsche Politik eine weitere wehrhafte Mauer gegen all jene Bürger errichtet, die sich anschicken, ihr Vermögen vor Steuern und Inflationsschmelze in Sicherheit zu bringen. Zumal die Bundesbürger mit den höchsten Steuer- und Abgabensätzen aller großen Industriestaaten ohnehin nur mit Mühe etwas sparen können, wobei die mittlerweile höchsten Strompreise der Welt noch obendrauf kommen.

Für all dies (und einiges mehr) könnten sich die Deutschen im Wahlkampf interessieren und ihre Politiker mit frechen Fragen bombardieren wie: „Für wen macht ihr eigentlich Politik?“ Oder: „Warum zahlen wir für die Italiener, deren Privatvermögen pro Haushalt ohnehin viel höher liegt als das der Deutschen?“

Ziemlich viel Zündstoff. Da müssen wir Annalena Baerbock schon sehr dankbar sein, dass sie mit ihrer famosen Inkompetenz und ihrer jugendfrischen Arroganz die ganze Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Wenn die Wahl durch ist, werden uns die Wahlsieger ohnehin bald auf „die Notwendigkeit schmerzlicher Einschnitte“ einstimmen. Schließlich warten große finanzielle Herausforderungen auf uns, die „wir nur in einem gemeinsamen Europa werden meistern können“, von dem „wir Deutsche schließlich am meisten profitieren“.


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Kommentare

Tom Schroeder am 13.07.21, 14:36 Uhr

Damit könnten Sie, verehrter Autor, in einer Kabarett-Sendung auftreten - zusammen mit Simone Solga und Volker Pispers ein Genuss! Den Leuten ihre eigene Dummheit als Spiegel vorhalten - herrlich!

Chris Benthe am 10.07.21, 19:51 Uhr

Vorzüglicher Wochenrückblick. Mir fällt dazu ein: "Wie bestellt, so auch geliefert". Wir können uns dieses eklatante Desinteresse des Wählers an den Machenschaften der Politik nicht mehr leisten. Wahlabstinenz, Bequemlichkeit und Gewohnheitskreuzchen führen immer drastischer in den Untergang. Ich bin mir nicht sicher, ob das nicht sogar die wünschenswertere Alternative ist, damit es bis zur Katastrophe schneller geht.

Siegfried Hermann am 10.07.21, 09:04 Uhr

Herr Heckel,
das war aaaber keine Satire heute, gelle!?
Nebenbei:
Ein "Besteller"-Buch sollte ab 100.000 Stück verkaufter Bücher gelten. Die Grünen liegen ja laut "Sonntagsfrage" deutlich über 20%, mal mehr, jetzt wieder weniger.
Da sollte es doch vor Begeisterung
für ihre Spitzenfrau kein Problem
sein, zumin. beim Spiegel, ganz oben auf dem Treppchen zu stehen, oder!?
Selbst so ein profaner Diedda Bohlen oder prollige Effe hat das geschafft.
Und???
Weit und breit, wohin man schaut nirgends eine Kobold-Lena zu finden!!!
Vielleicht hilft eine Anfrage beim Verlag, wo die "ganz viel" verkaufter Exemplare abgeblieben sind???
Russland? China? Nordkorea? usa???
Wer weiß!?

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