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Drogenpolitik

Schweres Zerwürfnis über Cannabis

Nach dem Beschluss auf Bundesebene ist in der Potsdamer Koalition ein heftiger Streit ausgebrochen

Hermann Müller
11.04.2024

Fast 1500 Menschen haben sich in der Nacht zum Ostermontag in Berlin versammelt, um am Brandenburger Tor die Legalisierung von Cannabis mit einem „Ankiffen“ zu feiern. Pünktlich zu Mitternacht glimmten bei vielen Teilnehmern der offiziell als Demonstration angemeldeten Veranstaltung Feuerzeuge auf, wurden Joints angesteckt. Kurz darauf verbreitete sich rund um das Brandenburger Tor ein intensiver Geruch von Cannabis. Mit ähnlichen Veranstaltungen feierten bundesweit die Befürworter der Cannabis-Legalisierung das Inkrafttreten des entsprechenden Gesetzes zum 1. April.

Obwohl der Bundesrat Ende März auf einen Einspruch gegen das Gesetz aus dem Hause von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verzichtet hat, geht in den Ländern die Diskussion um die Auswirkungen der Teillegalisierung von Cannabis weiter. In Brandenburg hat die Abstimmung im Bundesrat sogar für einen handfesten Koalitionskrach gesorgt.

„Man sieht sich immer zweimal“
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte in der Länderkammer entgegen einer vorherigen Absprache mit den Koalitionspartnern CDU und Grüne nicht mit „Enthaltung“, sondern für die Anrufung des Vermittlungsausschusses gestimmt. Woidke berief sich dabei auf seine Richtlinienkompetenz als Regierungschef. Er sagte, die Bundesebene versuche mit dem Gesetz ein Experiment, das eklatant in das Leben und die Gesundheit von Menschen eingreife. Aus Verantwortung für das Land habe er keinen anderen Weg gesehen, als für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses zu stimmen.

Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) zeigte sich indessen empört und warf Woidke einen Vertrauensbruch vor. Mit Blick auf künftige Sondierungs- und Koalitionsgespräche kündigte die Politikerin an: „Man sieht sich immer zweimal im Leben.“

Aus Brandenburgs CDU kommt auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes weiterhin scharfe Kritik an dem Legalisierungsprojekt. Aus Sicht von CDU-Innenminister Michael Stübgen hat die Ampelkoalition mit dem Legalisierungsgesetz „fachlichen Unfug“ beschlossen und für ein „Kifferchaos“ gesorgt: „Ab 1. April soll zwar jeder Erwachsene in der Öffentlichkeit kiffen dürfen, aber nicht überall und nicht zu jeder Uhrzeit, und der Stoff dafür bleibt auch erst mal illegal. Wie man das verstehen soll, ist mir schleierhaft“, so der Minister. Jan Redmann, Chef der CDU-Landtagsfraktion, erklärte, es sei nicht gelungen, Vernunft vor Ideologie zu stellen. Mit Blick auf die Amnestieregelung sagte Redmann: „Die Katastrophe für die Justiz nimmt ihren Lauf.“

Tatsächlich enthält das Ampel-Gesetz eine Amnestieregelung für Personen, die vor dem 1. April wegen Cannabis-Delikten verurteilt worden sind. Die Justizminister mehrerer Bundesländer warnen seit Wochen, dass durch die notwendige Prüfung zahlloser Altfälle der Justiz massive Überlastung drohe.

Tatsächlich mussten die Staatsanwaltschaften in Berlin und Brandenburg die Zahl solcher Fälle, die mit Blick auf die Amnestieregelung nochmals geprüft werden müssen, nach oben korrigieren. Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) sprach gegenüber dem Sender rbb von etwa 6000 Verfahren, die von der Amnestie betroffen sein könnten. In Potsdam teilte das Justizministerium mit, dass in Brandenburg insgesamt rund 4000 Urteile geprüft werden müssten. Nach Angaben des brandenburgischen Justizministeriums binden die Überprüfungen in erheblichem Umfang Personal, das für diese Zeit nicht zur Bekämpfung von Kriminalität zur Verfügung stehe.

Kritik auch aus anderen Ländern
Erst wenige Tage vor dem Inkrafttreten des Gesetzes hatten sich Experten auf einen neuen Cannabis-Grenzwert im Straßenverkehr geeinigt. Bislang drohen Geldbußen oder sogar ein Fahrverbot, wenn vom Cannabis-Wirkstoff THC mehr als ein Nanogramm je Milliliter Blut nachgewiesen wird. Wenige Tage vor Ostern, also erst kurz vor der Legalisierung, hatte eine Expertenkommission einen neuen Grenzwert von 3,5 Nanogramm vorgeschlagen. Über den Grenzwert muss zunächst noch der Bundestag entscheiden.

Schon jetzt kommt allerdings scharfe Kritik. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) warnte vor „fatalen Auswirkungen der Legalisierung auf die Unfallzahlen“. Auch der verkehrspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Thomas Bareiß, bezweifelt, dass Cannabis-Konsum und Verkehrssicherheit unter einen Hut zu bekommen sind: „Inzwischen wird deutlich, die Cannabis-Legalisierung zugunsten einer kleinen Gruppe ist der Ampel wichtiger als die Verkehrssicherheit und Menschenleben.“ Bareiß plädiert dafür, die bisherige Regelung von einem Nanogramm pro Milliliter Blutserum beizubehalten.


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