16.04.2025

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Gleicher Preis, aber weniger Inhalt: Shrinkflation ist ein bei Unternehmen beliebter Mogel-Prozess
Bild: shutterstockGleicher Preis, aber weniger Inhalt: Shrinkflation ist ein bei Unternehmen beliebter Mogel-Prozess

MogelTrend

„Shrinkflation“ – hier ist weniger nicht mehr

Um steigende Kosten zu kompensieren, verringern Unternehmen gern den Umfang einer Ware, lassen aber Packung und Preis wie bisher

Peter Entinger
15.04.2025

Das Wort hört sich schon so an, als wenn es nichts Gutes verspräche. Wenn die Rede von „Shrinkflation“ ist, dann meinen Experten das Phänomen, dass der Inhalt eines Produkts schrumpft, während der Preis gleich bleibt. Der Begriff setzt sich aus dem englischen Wort „shrink“ für „schrumpfen“ und „Inflation“ zusammen. Die Verbraucherzentrale in Hamburg vergibt seit Jahren den Titel „Mogelpackung des Monats“. Am Ende eines Jahres können die Verbraucher dann den zweifelhaften Jahressieger küren.

Aktuell häufen sich die Beschwerden. Zuletzt erwischte es mit dem Nahrungsmittelhersteller Dr. Oetker eine der bekanntesten Firmen Deutschlands. Dabei verweist das Unternehmen auf seine Transparenzrichtlinien und räumt die veränderten Packungsgrößen unumwunden ein. Sogar auf den Produkten selbst sei ein kleiner Vermerk zu finden. Oetker erklärte derweil in ausführlichen Stellungnahmen mit dem Hinweis auf schwierige Lieferketten und hohe Energiepreise die Maßnahmen. „Besonders drastisch ist der Preisanstieg bei Kakao. Leider können wir diese Kostensteigerungen nicht mehr durch andere Einsparmaßnahmen ausgleichen und müssen das in unserer Preisgestaltung berücksichtigen“, schrieb Oetker. Die Verbraucherzentrale lobte dabei die Transparenz des Unternehmens, erklärte aber auch, ob die Teuerungen beim Einkauf die Art der „Shrinkflation“ rechtfertigen würden, sei fraglich. Dazu schweige sich Oetker aus.

Keine Kennzeichnungspflicht
Viele Firmen teilen die Veränderungen gar nicht erst oder nur auf Anfrage mit. Den Preis für eine extradreiste Mogelpackung heimste 2024 der Fruchtsafthersteller Eckes Granini ein. Im Orangensaft „Trinkgenuss“ steckten statt 100 Prozent Fruchtsaft plötzlich nur noch 50 Prozent in der Flasche. Den Rest füllt der Hersteller seither mit Zuckerwasser auf. Bei gleichbleibendem Preis, versteht sich. „Die Kosten für Hersteller und Händler sind gestiegen. Nun stellt sich die Frage, wie diese erhöhten Kosten auf Händler und Verbraucher umgelegt werden“, erklärt Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU Düsseldorf. Es gibt Forderungen nach einer gesetzlichen Regelung, wonach veränderte Packungsgrößen gekennzeichnet werden müssen. Frankreichs Supermarktkette Carrefour macht es vor. Seit einigen Monaten weist man mit Aufklebern auf versteckte Preiserhöhungen hin. „Das Gewicht dieses Produktes hat sich verringert, und der Preis unseres Lieferanten ist gestiegen.“

Schwierig wird es, wenn obendrein die Qualität verändert wird. Da nennt die Verbraucherzentrale eine Buttersorte, bei welcher der Anteil an Butter und Rapsöl reduziert und dafür Wasser hinzugefügt wurde. Die Aussage der Hersteller, man sei gezwungen, die Preiserhöhungen an den Verbraucher weiterzugeben, seien nicht immer nachvollziehbar, erklärt Stiftung Warentest: „Die meisten der von uns gezeigten Beispiele übertreffen bei Weitem die Inflationsrate“, heißt es. Der „Berliner Kurier“ berichtete mehrfach darüber, dass Fertigprodukt-Hersteller häufig unbemerkt höherwertige durch minderwertige Zutaten austauschen. Beliebt sei ein „Ölwechsel“ bei Tiefkühlprodukten wie Pommes Frites.

Den Verbrauchern rät die Stiftung, genau hinzusehen. Vorsicht sei beispielsweise geboten, wenn der Hersteller mit neuen Sorten, Maxigrößen oder neuer Rezeptur lockt. „Hier lohnt sich ein genauerer Blick, da Veränderung oft nicht zum Vorteil des Verbrauchers sind“, heißt es. Rechtliche Möglichkeiten gibt es aber kaum. „Shrinkflation ist nicht verboten. Die Rechtsprechung ist da einfach nicht eindeutig. Sie verbietet, Müll-Packungen auf den Markt zu bringen oder irreführende Angaben. Aber wenn ein Hersteller seine Füllmenge reduziert und das irgendwie ganz versteckt kenntlich macht, ist es noch in Ordnung“, sagt Ina Bockolt von der Stiftung Warentest.

Auch Portionen werden kleiner
Die Organisation Foodwatch fordert daher eine rechtliche Regelung. Solche versteckten Preiserhöhungen seien für Verbraucher kaum zu erkennen, jedoch mittlerweile Alltag im Supermarkt. In Zeiten steigender Lebenshaltungskosten führe dieses Vorgehen zu einer weiteren finanziellen Belastung der Menschen.

Das Schrumpfen hat derweil längst die Gastronomie erreicht. Verschiedene Restaurants setzen diesen Trend unterschiedlich um. Einige reduzieren die Portionsgrößen oder bieten weniger Beilagen an. Verbraucherschützer raten zur Achtsamkeit, wenn ein Restaurant-Betreiber plötzlich anderes Geschirr auftischt. Allerdings hat der Kunde vor Ort keine Handhabe. Denn in den meisten Restaurants steht keine Mengenangabe auf der Speisekarte. Veränderte Preise fallen dem Kunden sofort auf, ob die Pizza zwei Zentimeter kleiner ist, sieht man dagegen nicht auf den ersten Blick.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS