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Kinokritik

„Sieben“ in Wien

Wahnsinn mit Methode: Der Thriller „Hinterland“ des österreichischen Oscar-Gewinners Stefan Ruzowitzky

Harald Tews
02.10.2021

Ein entlassener Kriegsgefangener sieht sich mit einem üblen „Kriegsimport“ konfrontiert: tödlicher Gewalt. Die spielt sich nun nicht mehr an der Front des Ersten Weltkrieges ab, sondern im sonst so friedlichen Hinterland, genauer im Wien der frühen 20er Jahre. „Hinterland“ heißt denn auch der Thriller von Stefan Ruzowitzky, der 2008 für sein KZ-Drama „Der Fälscher“ den Oscar für den besten Auslandsfilm erhielt.

Geschichtsdramen kann der österreichische Regisseur also. Und Krimi auch, wie er mit seinem Medizinthriller „Anatomie“, dem er 2003 eine Fortsetzung folgen ließ, gezeigt hat. Mit „Hinterland“ kombiniert er beide Genres, wobei er das Historische auf grotesk verzerrte Weise darstellt. Die Darsteller agieren vor einer Wiener Kulisse, die krumm und schief ist. Häuserfronten, Schornsteine und Straßenlaternen neigen sich in engen Straßenschluchten zur Seite, als hätte gerade ein Erdbeben die Stadt erschüttert.

Neu ist das nicht. Schon 1920 hatte der Stummfilm „Das Cabinet des Dr. Caligari“ mit ähnlichen expressionistischen Mitteln zum Ausdruck gebracht, wie die Welt aus den Fugen geraten ist. In „Hinterland“ ist es die Verrohung durch den Krieg, welche die Fassaden zum Wanken bringt. Ähnlich wie im „Cabinet des Dr. Caligari“ ist es ein Serienmörder, der einigen Kriegsheimkehrern an die Gurgel geht.

Und ähnlich wie in dem US-Thriller „Sieben“ begeht er Ritualmorde, die diesmal mit der Zahl 19 in Verbindung stehen. 19 Pflöcke stecken im Körper eines Opfers, 19 Finger und Zehen wurden einem anderen abgeschnitten, 19 Ratten zerfraßen einen dritten. Mit involviert in diesen Horror ist ein aus Kriegsgefangenschaft heimgekehrter Kriminalbeamter, der mit einer früh emanzipierten Gerichtsmedizinerin zur Lösung des Falls beiträgt, der mit einem Showdown im Turm des Stephansdoms endet.

In der Realität ist alles im Studio entstanden, denn die Akteure um Hauptdarsteller Murathan Muslu als desillusionierten Ermittler agierten ausschließlich vor einem blauen Hintergrund, auf dem die tricktechnisch veränderten Kulissen digital projiziert wurden. Das lässt manches etwas steif erscheinen, was auch an Muslu liegt, der seinen Migrantenanteil nicht verbergen kann und der als Polizist Perg wie eine nicht integrationswillige Kunstfigur durch die Kulissen schleicht. Dass Komödienspezialist Matthias Schweighöfer mitmischt, macht dieses schöne Filmexperiment auch nicht spannender.


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