22.10.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
St. Nikolai zu Kiel: In der Pommernkapelle erinnern sowohl Fenster als auch Mosaike im Fußboden, der Gedenkstein für Carl Löwe und der Wandteppich an die Provinz Pommern
Foto: Archiv Pastor Ferdinand Ohms/WikimediaSt. Nikolai zu Kiel: In der Pommernkapelle erinnern sowohl Fenster als auch Mosaike im Fußboden, der Gedenkstein für Carl Löwe und der Wandteppich an die Provinz Pommern

Lebendiges Erinnern

St. Nikolai bewahrt pommersche Kultur

Bugenhagen, Christian III., Carl Loewe und Ausstellungen in Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt Kiel

Reinhard Laszig
29.09.2024

Die Pommernkapelle in St. Nikolai in Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt Kiel ist längst nicht allen Pommern und deren Nachfahren bekannt. Nur wenige wissen etwas von der Existenz dieser den ursprünglich geflüchteten und vertriebenen Pommern gewidmeten Kapelle. So feierte die Pommersche Landsmannschaft Schleswig–Holstein ihr 75-jähriges Bestehen am 1. Juni natürlich an diesem Ort in der Landeshauptstadt.

Schon etwa im Jahr 1242 begann unter Adolf IV. von Schauenburg und Holstein der Bau einer gotischen Hallenkirche. Umbauten folgten in den nächsten Jahrhunderten, und so wurde schließlich 1526 die Reformation in Kiel eingeführt. 1877 bis 1884 wurde die Kirche unter Entfernung des wertvollen Lettners neugotisch umgestaltet, auch die Emporen und das damalige Gestühl. Geschuldet war all dies dem Zeitgeist und dem Geld, das plötzlich nach den Reparationen des Deutsch-Französischen Krieges zur Verfügung stand.

Wiederaufbau als Pommernkapelle
Aber es gab auch eine bis zur Zerstörung der Kirche am 22. Mai 1944 bestehende Ratskapelle im westlichen Teil der Kirche, die heute Pommernkapelle genannt wird. Der Wiederaufbau erfolgte 1950 durch den Architekten Gerhard Langmaack, der durch seine Betonkonstruktion des Innenraumes und der Decke anstelle eines Gewölbes eine erstaunliche Akustik erreichen konnte. So ist St. Nikolai dank seiner Akustik, der Orgeln und der tüchtigen Organisten zu einem Musikzentrum der Stadt geworden.

1954 übernahm das Land Schleswig-Holstein die Patenschaft für die heimatvertriebenen Pommern, und die Kirche widmete die ehemalige Ratskapelle zur Pommernkapelle um. Der damalige Propst Sontag aus Kiel eröffnete am 7. Juli 1957 die Pommernkapelle und sorgte in den Folgejahren für die weitere Ausgestaltung. So wurde ein Fußbodenmosaik der Provinz Pommern mit den Wappen der Städte Stralsund, Stettin, Schneidemühl und Köslin gelegt.

Sein Herz blieb in Stettin
1957 wurde ein Gedenkstein für den Stettiner Kantor und herausragenden Kirchenmusiker sowie bedeutendsten Balladenkomponisten des 19. Jahrhunderts, Carl Loewe (30. November 1796 in Löbejün bis 20. April 1869 in Kiel), errichtet, denn dieser verbrachte seine letzten drei Lebensjahre in Kiel. Es heißt, seine Gebeine seien hier in der Kapelle begraben, allerdings ohne sein Herz, das sei in der Stettiner Jakobikirche eingemauert. Hierzu lieferten die Kieler Nachrichten vom 22. Februar 2019 ein Beispiel von Geschichtsvergessenheit oder Dummheit. So schrieb ein Thomas Richter unter der Überschrift „Unser Loewe und sein Polen“: „... man widme sich dem vor 150 Jahren verstorbenen Komponisten Carl Loewe sowie Jubilaren seiner Wahlheimat Polen wie Frederic Chopin ...“ Da stimmt auch gar nichts!

1957 stiftete die Pommersche Landsmannschaft zwei Bleiglasfenster der Stettiner Künstlerin Lotte Usadel, geboren 1900 in Stettin. Diese wurden 1958 feierlich eingeweiht. Sie zeigen die Jakobikirche in Stettin, an der Loewe wirkte, sowie das Leid von Flucht und Vertreibung mit der Kreuzigung Christi.

Hervorzuheben ist der von 1959 bis 1961 entworfene Wandteppich von Else Möglin. Er wurde von der Kieler Künstlerin Brigitte Schirren gewebt und hat wieder einen Platz hier, wo er hingehört. Ihn rettete die Deutsch–Dänische Gesellschaft, nachdem sowohl die Pommersche Landsmannschaft als auch ein Pastor einer Übergabe an das Pommersche Landesmuseum in Greifswald zugestimmt hatten. Er zeigt den dänischen König Christian III., der zugleich Herzog von Schleswig und Holstein war, und den Reformator und Pommern Johannes Bugenhagen vor den Stadtbildern von Kiel und Stettin. Letzterer übergab 1542 die neue Kirchenordnung an den dänischen König.

Ausstellungen und Vorträge
Aber die Pommernkapelle wird genutzt: So stellte die Deutsch-Dänische Gesellschaft die Originalzeichnungen der dänischen Königin zur neuen dänischen Bibel aus. Eine weitere Ausstellung widmete sich Brigitte Schirren. Johannes Schilling von der Theologischen Fakultät der Christian–Albrecht–Universität Kiel referierte über die Bedeutung des Pommern Bugenhagen für Dänemark, und nicht zuletzt zeigte die Pommersche Landsmannschaft eine hochinteressante Ausstellung des pommerschen Architekten gotischer Backsteinkirchen und Klöster, der mit Namen bekannt ist, nämlich Hinrich Brunsberg. Weitere Ausstellungen sind geplant.

So behält also die Pommernkapelle eine zentrale Bedeutung für den Erhalt der pommerschen Kultur in Schleswig-Holstein. Denn, wie sagte der Leiter des vorpommerschen Vineta–Museums in Barth, Gerd Albrecht? „... ohne Herkunft keine Zukunft!“


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS