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Stammt Rübezahl wirklich aus dem Harz?

Ein Halbsatz der Hahnenkleer Tourismus GmbH sorgt für Irritationen

Till Scholtz-Knobloch
18.08.2022

Kulturelle Aneignung ist ein Dauerthema auf den Essayseiten der Zeitungen geworden – meist bei Büßerritualen zum kolonialen Erbe oder Winnetou. Ist uns der Spürsinn für Umdeutungen des eigenen kulturellen Erbes abhanden gekommen?

In meinem Urlaub verschlug es mich in den Harz. Die Wanderwege entlang des „Oberharzer Wasserregals“ führten auch nach Hahnenklee, wo als Ferienaktion für Kinder Schätze von Rübezahl, dem „Berggeist aus dem Harz“, zu entdecken sind.

Nach Hause zurückgekehrt, wandte ich mich an das Schlesische Museum zu Görlitz, mit der Bitte um eine Stellungnahme. Die Aufregung dort hielt sich in Grenzen. „‚Unser grenzüberschreitender Freigeist Rübezahl lässt sich wohl nicht auf Schlesien begrenzen“, fasste Martina Pietsch zusammen und nannte Verbindendes. Zum Beispiel stamme der Begründer der Universität im Harzer Clausthal-Zellerfeld aus der dem Bergbau nahestehenden schlesischen Adelsfamilie von Reden und die in Hahnenklee errichtete Stabholzkirche norwegischen Baustils erinnere stark an die Kirche Wang im Riesengebirge, deren Umsetzung dem Engagement Friederike von Redens zu verdanken sei.

Jakub Paczyński, Initiator und Inhaber des Muzeum Karkonoskie Tajemnice (Museum der Geheimnisse des Riesengebirges) in Krummhübel [Karpacz], das sich zuvorderst Rübezahl verpflichtet sieht, berichtet: „Nach dem Krieg ist der Berggeist im Riesengebirge leider in Vergessenheit geraten, denn die Polen kultivierten diese Tradition nicht. Erst in den 90er Jahren kam es zu einer Annäherung und man begann über ihn noch etwas zögerlich zu sprechen. Ich wollte dem Berggeist ein neues Leben schenken. Er ist keiner Nationalität zugeschrieben, ich denke er war seit Jahrhunderten im Riesengebirge zu Hause und sollte dort weiterhin bleiben.“

Die Internetseite harzlife.de fragt so auch fast verwundert im Kontext eines Rübezahlgedenksteins in Braunlage im Harz: „Wie kam denn der Rübezahl in den Oberharz?“ und beantwortet die Frage selbst: „Die mit Braunlage patenschaftlich verbundene Heimatgemeinschaft Krummhübel-Brückenberg ließ im Jahre 1996 diesen Gedenkstein (...) aufstellen. Auf ihm ist neben der Inschrift auch die bekannte Sagengestalt aus dem Riesengebirge zu sehen.“

Dass ein Kulturtransfer schon lange vor der Ankunft von vertriebenen Schlesiern liegen könnte, ist im Harz selbst heute also gar kein historischer Horizont mehr, obwohl eine interessante Überlieferung ausgerechnet zum Rammelsberg in Goslar führt und zumindest für den Namen der Sagengestalt Rübezahl Pate gestanden haben dürfte.

Hans Rübzagel führte den Silberabbau im 13. Jahrhundert an. Als fortschrittlicher Unternehmer haftete ihm bald der Vorwurf an, mit dem Teufel zu paktieren. Seine Flucht aus Sorge vor einem Hexerprozess führte ihn ins Riesengebirge. Sein bergmännischer Hintergrund und seine fachlichen Fähigkeiten befruchteten dort bis ins 16. Jahrhundert die Sagenbildung eines Berggeistes, in die weitere Traditionen einflossen. So vor allem Erzählungen von aus Schwaz in Tirol stammenden und ins Riesengebirge gerufenen Bergarbeitern. Im 16. Jahrhundert war Schwaz eine der größten Siedlungen im römisch-deutschen Reich und nach Wien sogar die zweitgrößte im Herrschaftsbereich der Habsburger.

Doch was meint die Hahnenklee Tourismus GmbH selbst zum Kulturtransfer 2022? Als Anknüpfungspunkt für den Harz beruft sich Geschäftsstellenleiterin Isabel Junior auf das Buch und die Internetseite „Harzer Sagen“, wo eine Kurzgeschichte mit den Worten beginnt: „Der mächtige Berggeist Rübezahl hatte seine Heimat im Riesengebirge. Einmal, vor langer Zeit, machte er sich auf in den Harz, wohl um seinesgleichen einen Besuch abzustatten.“ In dieser Sage ist Rübezahl interessanterweise wieder am Rammelsberg und eine Verquickung mit Hans Rübzagel liegt nahe. Doch gerade hier ist er nun Gast im Harz und nicht in einer vermeintlich ursprünglichen Heimat. Rübezahl, der „Herr der Berge“ in seiner überlieferten Gestalt ist letztlich erst ein Produkt des Riesengebirges.

Junior betont: „Tatsächlich, und das muss ich als letztlich Verantwortliche (...) einräumen: die Formulierung im Halbsatz ,aus dem Harz' ist doch sehr unglücklich, oder eben ganz klar (wie man sieht) pressewirksam gewählt ;-)“. „Da wir uns (...) niemals anmaßen würden, Kulturgut zu annektieren, werden wir diesen Halbsatz (...) entfernen. So machen wir noch Werbung bei tausenden von Hahnenkleer Gästen für das Erzgebirge, die sich bei ihrem Besuch dort vollumfänglich über Rübezahl informieren können“, so Junior, die hinzufügt, dies sei eine „Win-Win-Situation“ – also liebe schlesische Erzgebirgler ...!


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