25.04.2024

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Zeitgeschichte

Stefan Aust, ein authentischer Mann

In seiner lesenswerten Autobiographie schildert der Journalist seinen außergewöhnlichen Werdegang

Wolfgang Thüne
16.04.2022

In einer internen Bewertung zu meinem Abitur schrieb mein Lehrer: ,Eine gewisse Oberflächlichkeit, jugendlicher Überschwang und altersgemäße Protesthaltung führen zu leicht negativer, ablehnender Beurteilung von Lebensfragen ... er ist sehr skeptisch ... Ehrgeiz und Tatkraft führen zu selbständiger publizistischer Betätigung. Gegenüber Älteren ist er gelegentlich respektlos und herausfordernd.' Diese Charakterisierung ist weitestgehend zutreffend, auch nach 75 Jahren,“ schreibt Stefan Aust in seiner Autobiographie „Zeitreise“.

Aust wurde als erstes von fünf Kindern am 1. Juli 1946 in Brunshausen in eine bürgerliche Familie geboren und lebte nach der plattdeutschen Devise „Allens mien“. Schwinge und Elbe waren sein Revier, auch nach der Sturmflut im Februar 1962. Nach dem Besuch der „Zwergschule“ wechselte er ins Athaneum nach Stade, wo er bei der Schülerzeitung „Wir“ die Finanzen übernahm. Er beschrieb seine Situation wie folgt: „Es lag etwas in der Luft, ein Hauch von Aufklärung und Rebellion: Man war nicht eigentlich links, eher ein wenig anarcholiberal, kritisch nach allen Seiten.“

Anfänge bei „konkret“

Das Dezemberheft 1964 trug das Motto: „Als Sprachrohr der Jugend veröffentlicht ,Wir' frank und frei die Beobachtungen und Gedanken junger Menschen.“ Mit so viel Erfolg, dass „konkret“-Herausgeber Klaus Rainer Röhl ihm eine Stelle anbot, wo er Layouts entwerfen und redigieren lernte. Die Kolumnen schrieb Ulrike Meinhof. Damit war Aust in dem Milieu, in dem er Rudi Dutschke kennenlernte und seine Grundhaltung als „skeptisch“, sowohl gegen die Regierenden als auch deren Gegnern, bezeichnete: „Die meisten von denen hätte ich nur ungern an der Macht gesehen.“

Ein hochinteressantes Leben begann, angefangen mit dem Schah-Besuch im Frühling 1967, dem Attentat im April 1968 auf Dutschke, der Springer-Demonstration, der Radikalisierung der „Bewegung“, der Scheidung von Röhl und Meinhof, doch dann entschied sich Aust „zu gehen“.

Er wurde sehr gut bezahlt, hatte entdeckt, dass sich „sein politisches Sendungsbewusstsein“ in Grenzen hielt und ging in die USA. Er kaufte sich einen VW Käfer und fuhr damit durch das weite Land, wo er Vertreter der Studentenbewegung, der Black-Panther-Party und der Weathermen-Bewegung traf. Doch dann brach er seine Reise ab und kehrte nach Deutschland zurück, um sich „die Landung auf dem Mond am 21. Juli 1969“ im Fernsehen anzuschauen.

Von den „St. Pauli-Nachrichten“ zum  „Spiegel“

Danach heuerte Aust bei den „St. Pauli-Nachrichten“ an, machte den ersten Film zum Baader-Meinhof-Komplex, bekam Besuch von der RAF, ging „Spiegel“-Chef Rudolf Augstein in die Politik, trug das „mörderische Wüten Baaders und seiner Crew“, „Züge eines Metaphysischen Endkampfs“, beschrieb er „Deutschland im Herbst“ mit dem Massaker an Martin Schleyer. Damit endete das Kapitel „1946–1979“.

Das Kapitel „1979–1994“ begann mit der „Strauß-Affäre“, behandelte das „Drehkreuz Ost-Berlin“, „Die Hausbesetzer-Szene“, die „Hitler-Tagebücher“, den Stammheim-Film, die Barschel-Affäre. Das Projekt Spiegel TV startete, der Untergang der DDR nahte, der „Demokratische Aufbruch“ bahnte sich an, endete mit dem „Tag der Einheit“ und mündete im „Putsch in Moskau“. Mit „NSU – die Vorgeschichte“ und der „Hinrichtung in Bad Kleinen“ endete es.

Mit 1994 begann für Aust die Zeit als Chefredakteur von „Spiegel TV“ und dann des „Spiegel“. Er feierte gerade seinen
50. Geburtstag und erhielt von Augstein ein Gedicht: „Lieber Aust, ball die Faust aber in der Tasche. Reite fix zum Grand Prix sonst greifst Du zu der Flasche.“

Doch es kam anders: Der „Spiegel“ avancierte zur „Nummer eins der Wochenmagazine“. Dann erhielt Aust von Fritz Vahrenholt, einem Kritiker der „Verspargelung“, den Auftrag, sein Buch „Kalte Sonne“ zu präsentieren und meinte mit Luther „Mönchlein, du gehst einen schweren Gang“. Der feste Glaube an die „Klimakatastrophe ist nämlich so etwas wie ein Glaubensbekenntnis aller Umweltschützer. Wer Zweifel anmeldet, gilt als Klimaleugner“. Dann kritisiert Aust die „Allianz gegen die Rechtschreibreform“. Im Wahlkampf um die Macht im „Spiegel“ sagte Aust: „Wahrhaftigkeit nach innen und nach außen ist das höchste Gut des ,Spiegel'“.

Am Tag der Uraufführung seines Films „Der Baader Meinhof Komplex“, am 25. September 2008, wurde ein „Anschlag auf Austs Villa in Blankenese“ verübt. Einige Fenster waren zersplittert, an der Wand liefen rote und schwarze Farbkleckse herunter. Das letzte Kapitel „2009–2021“ begann mit „Die Falle 9/11“ und „Obamas Krieg“ sowie „Ein Sender zu verkaufen“. Er hieß „N24“, Aust schlug zu. Dann folgte „NSU – das mörderische Mysterium“ und „Kanzlerin ohne Grenzen“, wo Merkel bei Anne Will ihre Abgehobenheit demonstrierte: „Ich, die Moral und das Volk. Hier sitze ich, ich will nicht anders.“ Dann wurde Aust zum Chefredakteur der Welt-Gruppe, „die Welt“, „Welt-Online“, „Welt am Sonntag“.

Unerschrockene Unkorrektheit

Zum 70. Geburtstag sagte Springer-Chef Mathias Döpfner: „Stefan Aust, Gefühlsduseleien liegen ihm nicht. Recherche ist seine Religion. Unerschrockene Political Incorrectness ist sein Wesensmerkmal und Erfolgsgarant! Und wem das nicht passt, ja, ,Das Leben ist kein Ponyhof'.“

Heinrich Heine schrieb 1843 in seinem „Deutschland, ein Wintermärchen“ die Sätze: „Franzosen und Russen gehört das Land, das Meer gehört den Briten. Wir aber besitzen im Luftreich des Traums die Herrschaft unbestritten.“ Träume und Albträume sind aus demselben Stoff, der Abwendung von der Wirklichkeit. Dann quasi über Nacht erstrahlte ein neuer Stern über der Erde und Greta Thunberg übernahm die Regie auf der politischen Horrorbühne. Aust schrieb: „Irrationalität, häufig wissenschaftlich untermauert, ist gerade das Kennzeichen der Gegenwart geworden, im Land der Träume und Albträume.“ Der Ruf verhallte.

Thunberg initiierte „Fridays for Future“ und stieg kometenhaft in die höchsten geistigen und politischen Gipfel auf. Aust warnt: „Grüne dürfen träumen, das gehört zu ihrer DNA. Sie dürfen sich auch in apokalyptischen Visionen gruseln. Doch wenn der Rest der politischen Klasse mitträumt, wird es ernst. Und Gretas ansteckende Panik wird unser Problem.“

Aust ist ein außergewöhnlicher, eloquenter und authentischer Mann. Er hat ein meisterhaftes und sehr lesenswertes Buch geschrieben. Wir brauchen mehr Stefan Austs mit der Gabe „Man is a problem solving animal“!


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