20.07.2025

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Ein Blick auf die 1945 zerstörte Stadt Stettin mit der Kathedrale St. Jakob (l.)
Bild: Forteplan/BogdAN CELUICHOWSKIEin Blick auf die 1945 zerstörte Stadt Stettin mit der Kathedrale St. Jakob (l.)

Auferstanden

Stettin – ein Blick zurück

Der Ära, als erst die Russen und dann die Polen kamen

Ralf Loock
20.07.2025

Nach schweren Kämpfen verließ die Wehrmacht Ende April 1945 Stettin, am 26. April rückte die Sowjetarmee in die Stadt ein. Mit dabei waren auch polnische Kommandeure. Die polnische Armee kam am 28. April in Stettin an. An diesem Tag erschien auch Piotr Zaremba in der Stadt.

Am 3. Mai ernannte der sowjetische Stadtkommandant den deutschen Kommunisten Erich Spiegel (1919–1984) zum Oberbürgermeister. Allerdings wurde er bereits am 26. Mai durch Erich Wiesner (1897–1968) ersetzt, während Spiegel nun Landrat von Groß-Stettin wurde, ein Amt, das er bis August 1945 ausübte.

Gleichzeitig begann aber schon ab 30. April 1945 Zaremba (1910–1993) mit dem Aufbau einer polnischen Verwaltung und war am 6. Mai sogar von der sowjetischen Besatzungsmacht zum Stadtpräsidenten von Stettin ernannt worden.

Doch die sowjetischen Offiziere in Stettin mussten auch beachten, was im weit entfernten Moskau Stalin zu diesem Thema sagte. Und der grausame Diktator schaute auf die Landkarte, betrachtete die große Zahl seiner Truppen auf dem Gebiet der späteren SBZ und dachte an den Nachschub zur Versorgung seiner Einheiten – genau dafür brauchte man den Hafen Stettin. Also erschienen Stalin die Aktivitäten von Zaremba in Stettin als gefährlich, womit die Weisung aus Moskau erging, dass er verschwinden müsse.

So kam Ende Mai 1945 die Order, Zaremba müsse die Stadt wieder verlassen. Der zog sich daraufhin nach Stargard zurück, wo er am 20. Mai seine Gruppe auflöste. Diesmal dauerte es bis zum 6. Juni, als ein neuer sowjetischer Befehl erging, nach welchem sich Polen erneut in Stettin niederlassen dürften. Doch es sollte noch weitere vier Wochen dauern, bis die Sowjets die deutsche Stadtverwaltung für abgesetzt erklärten und die Stadt am 5. Juli 1945 offiziell den Polen übergaben.

Eine Zeit der Gewalt
Die ersten Monate in den Jahren 1945 und 1946 waren für die polnischen Siedler in Stettin eher schwierig, denn polnische Marodeure, Plünderer und Banditen waren unterwegs – sie beraubten nicht nur deutsche Familien, sondern auch polnische. Diese Verbrecher nahmen alles, was ihnen vor die Flinte kam. In Stettin herrschte daher das Gesetz der Faust – die polnischen Neusiedler mussten das, was sie hatten, oft mit der Faust und dem Revolver gegen Angreifer verteidigen.

„80 Jahre sind sehr wenig in der Geschichte einer Stadt. Wir sollten all jene Menschen bewundern, die hier die Grundlagen der Verwaltung geschaffen haben. Gleichzeitig handelten sie unter Bedingungen begrenzter Souveränität, da sich das Land in der sowjetischen Einflusssphäre befand“, sagte der Direktor des Stettiner Staatsarchivs, Krzysztof Kowal­czyk. Er erinnert daran, dass Menschen mit unterschiedlichen Ansichten und Nationalitäten nach Stettin kamen. „Die Verwaltung wurde sowohl von Nationalisten als auch von Sozialisten geschaffen. Alle wollten das polnische Stettin. Genau wie die Siedler, die aus Großpolen, Kleinpolen, Pommern und Zentralpolen kamen. Rückkehrer aus dem Westen, Vertriebene aus den östlichen Grenzgebieten, Soldaten der Heimatarmee kamen“, berichtete er.

Zusammen etwas schaffen
„Das ist eine sehr schwierige Geschichte, auch weil sie von Leuten geschrieben wurde, die mit sehr belasteten Biographien nach Stettin kamen. Zuerst durch den Krieg, dann durch das kommunistische System, das sie nicht tolerierten. Aber sie haben es geschafft. Ich bewundere immer Zeugen der Geschichte, die ihr Leben mit einem Lächeln aufbauen können, obwohl sie so schreckliche Erinnerungen haben. Sie haben es geschafft, eine einzigartige Stadt auf der Landkarte Polens zu schaffen“, fügte Agnieszka Kuchcińska-Kurcz, Direktorin des Dialogzentrums Upheavals, hinzu.

Und der Hafen? Nun das junge polnische Stettin war anfangs eine Stadt ohne Hafen, dieser blieb eine Exklave unter sowjetischer Hoheit. Erst 1955, also nach Stalins Tod, übergaben die Sowjets den Hafen an die Polen.


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