02.06.2025

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Im Herzen von Thorn: Der Altmarkt mit dem Denkmal des Nikolaus Kopernikus
Bild: visittorunIm Herzen von Thorn: Der Altmarkt mit dem Denkmal des Nikolaus Kopernikus

Republik Polen

Stille Rivalität zweier Schönheiten

Thorn und Bromberg: Die eine Stadt ist ein Bilderbuch, die andere ein Roman – Beide Städte aber haben eine deutsche Prägung

Andreas Guballa
01.06.2025

Denkt man an Polen, kommen einem schnell die Städte Krakau, Warschau oder Lodsch in den Sinn. Doch wer das Herz des Staates wirklich spüren will, sollte sich auf eine Reise in die Woiwodschaft Kujawien-Pommern begeben – zu zwei Städten, die gegensätzlicher kaum sein könnten und doch durch ihre Nähe und Geschichte verbunden sind: Thorn im historischen Kulmerland und Bromberg in der historischen Provinz Posen. Nur knapp 50 Kilometer trennen sie voneinander, aber es scheint, als lägen Welten dazwischen.

Thorn empfängt seine Besucher mit einer historischen Altstadt, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Kaum hat man die ersten Schritte durch das mittelalterliche Stadttor getan, scheint die Zeit stehenzubleiben. Gotische Backsteinfassaden reihen sich aneinander und die Türme der Kirchen ragen wie Zeigefinger gen Himmel. Besonders imposant ist das Altstädtische Rathaus, ein Meisterwerk der gotischen Architektur mit einem prachtvollen Turm, der einen atemberaubenden Blick auf die Stadt bietet.

Die Stadt an der Weichsel schafft es, ihr Erbe zu bewahren, ohne museal zu wirken. Studenten der hiesigen Universität verleihen den Cafés und Bars rund um die Altstadt eine lebendige Atmosphäre, und auch moderne Kunstinstallationen verstecken sich zwischen den historischen Fassaden.

Ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie Tradition und Innovation in Thorn zusammenwirken, ist das im August stattfindende „Bella Skyway“-Festival. Seit 2009 zieht das Festival jedes Jahr hunderttausende Besucher an, wenn internationale Lichtkünstler historische Fassaden zu Projektionsflächen werden lassen und sich die Altstadt in eine leuchtende Traumwelt verwandelt.

Die verborgene Perle an der Brahe
Thorn ist der Geburtsort von Nikolaus Kopernikus, dem Astronomen, der mit seinem heliozentrischen Weltbild die Sicht auf das Universum revolutionierte. Sein – vermutliches – Geburtshaus in der St. Annengasse (heute: Kopernikastraße) ist inzwischen ein Museum, das nicht nur sein Leben und Werk dokumentiert, sondern auch die Atmosphäre einer wohlhabenden deutschen Händlerfamilie des 15. Jahrhunderts vermittelt.

Eine bronzene Statue des großen Denkers steht auf dem Altstädtischen Markt und ist ein beliebter Treffpunkt für Einheimische und Touristen gleichermaßen. In Thorn wird Kopernikus nicht nur als Wissenschaftler gefeiert, sondern auch als Symbol für Bildung, Fortschritt und Entdeckungsgeist.

Ein Besuch in Thorn ist nicht komplett ohne eine Kostprobe des legendären Lebkuchens (Pierniki). Diese Delikatesse hat hier eine jahrhundertealte Tradition. Schon im Mittelalter wurde der würzige Honigkuchen gebacken und in alle Ecken Europas exportiert. Heute kann man im Lebkuchenmuseum selbst Hand anlegen und unter fachkundiger Anleitung die eigene Lebkuchenkreation gestalten – ein Spaß für Jung und Alt. Neben traditionellen Rezepten gibt es auch moderne Variationen, und in den Geschäften der Stadt duftet es verführerisch nach Zimt, Ingwer und Nelken.

Ganz anders wirkt Bromberg. Wo Thorn in den Himmel wächst, zieht sich das westlich gelegene Bromberg entlang des Wassers. Der Fluss Brahe und der Bromberger Kanal durchziehen die Stadt wie Adern, und alles scheint sich um das Wasser zu drehen. Die restaurierte Mühleninsel ist ein urbanes Juwel: Hier treffen moderne Architektur, Industriegeschichte und Natur harmonisch aufeinander. Am Ufer sitzen junge Paare mit einem Buch, Kinder jagen Tauben, während auf dem Wasser Kajaks und Ausflugsboote vorbeigleiten.

Besonders eindrucksvoll ist die Oper „Nova“ – ein moderner Glasbau, der sich anmutig ins Stadtbild einfügt. Im Inneren werden internationale Produktionen aufgeführt, die dem Ruf Brombergs als Kulturstadt gerecht werden. Im Sommer wird die Insel zur Freiluftbühne – Konzerte, Theateraufführungen und Festivals ziehen dann Einheimische und Besucher gleichermaßen an.

Zwei Seiten derselben Medaille
Mit knapp 350.000 Einwohnern ist Bromberg eine der größten Städte Polens – und gleichzeitig eine der charmantesten. Wer sich auf eine Reise in diese einst zur Provinz Westpreußen gehörenden Stadt begibt, entdeckt ein spannendes Nebeneinander von Tradition und Moderne, von industriellem Erbe und grüner Erholung.

Beide Städte mit deutscher Historie haben ihre eigene kulturelle DNA: Während Thorn mit Kopernikus und einer ausgeprägten Astronomiegeschichte glänzt, hat sich Bromberg den Ruf einer Musikstadt erarbeitet. Das jährliche Bromberger Musikfestival zieht Künstler aus der ganzen Welt an, und auch die Musikakademie genießt hohes Ansehen. In Thorn hingegen begegnet man immer wieder den Sternen – sei es in Planetarien, im Zentrum für Zeit und Raum oder einfach im Gedanken an Kopernikus, der das Weltbild revolutionierte.

Auch architektonisch könnten die Städte kaum unterschiedlicher sein. Thorn ist kompakt, mittelalterlich und fast märchenhaft. Die Straßenpflaster knirschen unter den Füßen, und an jeder Ecke scheint ein Geheimnis verborgen. Bromberg dagegen wirkt offener, moderner – mit breiten Boulevards, viel Grün und einer Mischung aus Jugendstil, preußischem Erbe und zeitgenössischem Design. Hier dominieren keine Türme, sondern Brücken, welche die Stadtteile verbinden wie Fäden eines Spinnennetzes.

Zwischen Thorn und Bromberg herrscht seit jeher eine stille Rivalität. Wer ist schöner? Wer bietet mehr? Die Antwort ist so subjektiv wie die Wahl zwischen Rotwein und Weißwein. Thorn betört mit historischer Pracht und Charme, Bromberg überrascht mit urbaner Eleganz und kultureller Vielfalt. Man könnte sagen: Thorn ist das Bilderbuch, Bromberg der Roman, den man erst entdeckt, wenn man zwischen den Zeilen liest.

Auch kulinarisch lohnt sich der Vergleich. Während man in Thorn traditionelle polnische Küche in urigen Kellern genießt – Bigos-Eintopf, Piroggen und die Sauermehlsuppe Żurek inklusive –, bietet Bromberg eine breite Auswahl an internationaler Küche, schicken Cafés und trendigen Bistros entlang der Uferpromenade. Besonders empfehlenswert: ein Abendessen auf einem Restaurantschiff, mit Blick auf die illuminierte Stadt.

Wer sich auf den Weg in die Republik Polen macht, sollte sich die Zeit nehmen, beide Städte zu besuchen. Sie erzählen nicht nur ihre eigene Geschichte, sondern auch die eines Staates im Wandel – zwischen Tradition und Moderne, Stolz und Aufbruch. Thorn und Bromberg sind keine Rivalen, sondern zwei Seiten derselben Medaille – unterschiedlich, aber einander ergänzend.

Allgemein: www.polen.travel/de Thorn: www.visittorun.com Bromberg: www.visitbydgoszcz.pl/de 


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