08.01.2025

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Dominoeffekt

Strommangel wegen fataler Kettenreaktion

Diverse Szenarien und Vorfälle machen deutlich, wie anfällig das kontinentaleuropäische Stromnetz ist

Wolfgang Kaufmann
08.01.2025

Das europäische Stromverbundsystem befindet sich in einer ebenso fundamentalen wie gefährlichen Umbruchphase. Diese ist durch mangelhaft geplante und unkoordinierte Systemveränderungen gekennzeichnet. An die Stelle leicht zu steuernder grundlastfähiger Großkraftwerke, die als Netzstabilisatoren fungieren, treten immer mehr kleine dezentrale Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen, deren Produktion extrem schwankt. Allein in Deutschland stieg die Zahl der Stromerzeuger seit 2005 von rund 1000 auf zwei Millionen. Das macht das Gesamtsystem sehr viel komplexer und damit auch störanfälliger, womit ein paneuropäischer Blackout droht.

So herrschte am 8. Januar 2021 nach der Abschaltung mehrerer Kohle- und Kernkraftwerke eine Dunkelflaute in Deutschland, wodurch der Stromverbrauch das Angebot überstieg. Darüber hinaus gab es auch in Frankreich und Spanien Strommangel. Deshalb wurden 7000 Megawatt Strom aus Kohlekraftwerken auf dem Balkan nach Nordwesten geleitet, was zur Überlastung des europäischen Verbundnetzes führte. Infolgedessen fiel eine Schaltanlage in Kroatien aus.

Der daraus resultierende Dominoeffekt bescherte den Verbrauchern auf dem Balkan einen großflächigen Stromausfall. Die Leistungsabkopplung lag hier in der Größenordnung von 225 Megawatt. Nur durch das blitzschnelle Reagieren der Netzbetreiber in Griechenland, Bulgarien, Rumänien, Kroatien und der Nordwesttürkei entging das übrige Europa dem totalen Blackout.

Schwankungen werden erwartet
Anders war hingegen die Situation am 21. Juni 2024. An diesem Tage erreichten die Temperaturen auf dem Westbalkan bis zu 40 Grad, weshalb die Klimaanlagen auf Hochtouren liefen. Dadurch kam es zu einem kaskadierenden Netzausfall in Albanien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina und Kroatien, der nur mit Mühe auf diese Länder beschränkt werden konnte. Seit März 2022 ist nun auch die Ukraine an das kontinentaleuropäische Stromnetz angeschlossen. Wie die Untersuchungen von Dirk Witthaut vom Institut für Energie und Klimaforschung am Forschungszentrum Jülich ergaben, bewirkt dies spürbar veränderte Stromflüsse und vermehrte Stromschwankungen im Netz, die aber noch geringe Auswirkungen haben.

Allerdings besteht die akute Gefahr von großangelegten russischen Luft- oder Cyberangriffen auf das ukrainische Netz. Dann könnte es ebenfalls zu einem Blackout in anderen Ländern Europas kommen, was insbesondere für den Fall gilt, dass diese während der Attacken gerade größere Mengen Strom aus den Kraftwerken der Ukraine beziehen wollen.


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