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Vorpommern

Thor Heyerdahls Erben segeln vor Rügens Küste

Training für geplante Expedition 2024 von Marokko nach Florida

Christian Rödel
28.06.2021

Für seine steilen wissenschaftlichen Thesen ist der promovierte Archäologe Dominique Görlitz aus Chemnitz in der Fachwelt bekannt und erntet dafür nicht immer Beifall, aber Respekt ob seines Mutes zollen ihm selbst seine Kritiker. „Kam Kolumbus 15.000 Jahre zu spät“, ist eine aktuelle wissenschaftliche Spekulation des umtriebigen Sachsen, der gerade vom Sassnitzer Hafen aus auf einem prähistorischen Wasserfahrzeug Trainingsstunden für die nächste 2024 geplante Expedition von Marokko nach Florida an seine Mitstreiterschar gibt.

Dass sich der aus Genua stammende, weltberühmte Amerikaentdecker Christoph Kolumbus im Jahre 1492 etwas verspätet haben könnte mit seiner Ankunft auf den Bahamas, lautet die kühne Behauptung oder besser die Fragestellung von Dominique Görlitz, die ihn seit Jahren umtreibt.

Vor Columbus um die Welt?

Bekannt geworden ist Görlitz unter anderem als Steinzeitsegler auf seinen „Abora“-Schilfboot-Expeditionen und durch seine populärwissenschaftlichen Dokumentarfilme, die auf Arte und ZDF liefen, in denen zwei Expeditionen über das Mittelmeer, das Schwarze Meer und über den Nordatlantik nach New York begleitet wurden, machte ihn auch für breitere geschichtsaffine Publikumskreise interessant. „Alle archäologischen Funde, wenn wir sie richtig interpretieren, beweisen uns, dass es schon transozeanische Kontakte in der Zeit vor den großen Kulturen des Altertums gab“, mutmaßt der Archäologe und fügt hinzu: „Die frühen Völker segelten über die Ozeane rund um die Welt, von und nach Amerika, also lange Zeit vor Columbus – die Ozeane trennten diese Kulturen nicht, sondern verbanden sie miteinander“. Eine im Sassnitzer Glaspavillon am Fuße der Mole geplante Wissensschau mit dem zugegebenermaßen etwas reißerischen Titel „Kam Kolumbus 15.000 Jahre zu spät“ soll den anthropologischen Zusammenhang darstellen und zeigen, dass die sogenannte Neue Welt eventuell lange Zeit vor dem berühmten Amerikaentdecker von Menschenfüßen betreten wurde. In der Ausstellung, die am 18. Juni im „Glaspalast“ am Fuße der Mole eröffnet wird, werden bisher ungelöste Rätsel der Archäologie beleuchtet. Hat Pharao Ramses II. schon zu seiner Zeit eine Havanna-Zigarre geraucht, die ihm prähistorische Boote oder Flösse aus der Karibik nach Ägypten brachten? Nutzten die alten Ägypter zum Bau ihrer Pyramiden bereits Eisen? Stammten die gefundenen Eisenreste in einer Kammer der Pyramide vielleicht sogar aus dem heutigen Erzgebirge? Oder hatte Herodot Recht, dass antiker Bernstein aus der Ostseeregion stammte? Wie wurden die Rohstoffe für den Pyramidenbau über alle Weltmeere in das Niltal verschifft.

Enge Freundschaft mit Heyerdahl

Fragen über Fragen, die bis heute unbeantwortet sind! Die Experimentalreisen von Görlitz, den nach der politischen Wende eine enge Freundschaft mit dem weltberühmten norwegischen Ethnologen Thor Heyerdahl verband und sein wissenschaftliches Erbe pflegt oder besser gesagt sogar weiterführt. „Als Kind und Jugendlicher habe ich seine Bücher verschlungen und wollte ihm nacheifern“, erinnert sich der Archäologe zurück.

Kurz nach der politischen Wende trafen sich Heyerdahl und Görlitz zum ersten Mal und es war der Beginn einer wunderbaren Männerfreundschaft. Noch kurz vor dem Tod Heyerdahls, der viele wissenschaftliche Projekte von Görlitz gefördert hat, trafen sich die beiden Männer in Colla Micheri, Andora, Italien, wo die Familie Heyerdahl ein Anwesen besitzt.

Thor Heyerdahl starb am 18. April 2002 in seinem 88. Lebensjahr an einem Gehirntumor. Er weilte in Colla Micheri, wo er Ostern mit einigen seiner engsten Familienangehörigen verbrachte. Mit dabei: Der Deutsche Dominique Görlitz aus Chemnitz! Ein offizielles Staatsbegräbnis durch die norwegische Regierung fand am 26. April 2002 in der Kathedrale von Oslo statt.

Kon-Tiki-Museum in Oslo

Die Fahrzeuge „Kon-Tiki“ und „Raa II“ sind im Kon-Tiki-Museum zu besichtigen, das Teil des Schifffahrtsmuseums in Oslo ist. Im Park „Pirámides de Güímar“ auf Teneriffa befindet sich ein weiteres, kleines Museum mit dem Nachbau eines Schiffes. Übrigens sind fast alle „Abora“-Vereinsmitglieder wegen der Faszination von Heyerdahls berühmten Reisebüchern zur Segelei mit den Schilfbooten gekommen.

Schilfboote bald aus Sassnitz?

Die Schilfboote werden von Almara-Indianern aus Bolivien in Handarbeit gemeinsam mit deutschen Crew-Mitgliedern hergestellt. Archäologe Görlitz könnte sich sogar vorstellen, dass auf Rügen in Sassnitz das nächste Expeditionsschiff gebaut wird und 2024 von Marokko aus in See stechen soll. In den nächsten beiden Sommermonaten werden jedenfalls vornehmlich jüngere „Abora“-Vereinsmitglieder aus ganz Europa, unter anderem aus der Seefahrernation Holland und sogar der Schweiz, nach Rügen kommen, um das Segeln mit dem prähistorischen Wasserfahrzeug zu erlernen. Der Sassnitzer Speedboot-Touren-Anbieter Constantin von Hodenberg macht es Interessierten möglich, das Trainingssegeln auf der Ostsee zu begleiten.

Im Hafen von Sassnitz können interessierte Besucher an Bord der „Abora“ gehen, sich alles anschauen, dürfen aber aus versicherungstechnischen Gründen leider nicht mitsegeln.


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Kommentare

sitra achra am 28.06.21, 11:12 Uhr

Auch die Wikinger hatten vor Kolumbus in Amerika ein Stelldichein, genauso wie die Polynesier aus der entgegengesetzten Richtung.
Macht nichts, ein wirklich guter Artikel!
Dem Pharao möchte ich aber seine Havanna nicht missgönnen.

Siegfried Hermann am 28.06.21, 08:25 Uhr

Ich sach ma so:
Das wäre doch genau das Richtige für unsere Klima-Gretel, Langstrecken-Luisa und ihre Getreuen zum Eisschlecken nach LA zu segeln.

Nebenbei:
15.000 Jahre.
Da gibt echt ein Problem.
Weder gab´s vor 15.000 Jahren eine Maya-Kultur, noch einen Pharao.

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