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Umwelt

Tote Fische – Vergiftete Beziehungen

Die Umweltkatastrophe in der Oder weckt Zweifel an der oft gelobten Zusammenarbeit mit Polen

Norman Hanert
26.08.2022

Anglern im Grenzgebiet von Nieder- und Oberschlesien waren bereits Ende Juli tote und halbtote Fische in der Oder im Flussabschnitt zwischen dem Dorf Linden [Lipki] und Ohlau [Olawa]aufgefallen. Den deutschen Behörden wurde das massenhafte Fischsterben allerdings erst am 9. August bekannt, als ein Schiffskapitän in Brandenburg verendete Tiere sichtete. Eine offizielle Mitteilung polnischer Behörden trudelte erst am 11. August ein. Die polnische Feuerwehr hat nach eigenen Angaben mittlerweile bislang fast 160 Tonnen toter Fische aus der Oder geborgen. Das Bundesumweltministerium schätzt die Menge der auf der westlichen Oderseite aufgefundenen Fischkadaver bislang auf etwa 36 Tonnen.

Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin geht unterdessen von toxischen Algen als unmittelbarer Ursache für das Sterben aus. Demzufolge haben Analysen hohe Konzentrationen an Giften einer Brackwasser-Algenart im Oderwasser bestätigt. Allerdings vermuten die Forscher keine natürliche Ursache der Algenplage. Die unter Verdacht stehende Goldalge kommt nämlich „auf den betroffenen Oder-Abschnitten unter natürlichen Bedingungen nicht massenhaft vor“, so das Institut.

Suche nach den Schuldigen

Üblicherweise vermehren sich Goldalgen in Gewässern, in denen sich salziges Meerwasser mit Süßwasser mischt. Als Anlass für die hohe Salzkonzentration in der Oder wird mittlerweile eine Einleitung durch ein polnisches Unternehmen vermutet. Die Liste möglicher Verursacher, die bereits von polnischen Medien genannt wurden, ist bemerkenswert lang: Am 3. August hatten polnische Umweltbehörden zunächst erklärt, von der Industrie freigesetztes hochgiftiges Mesitylen sei die Ursache des Sterbens. Dies stellte sich kurz darauf als falsch heraus.

Auch der Bergbaukonzern KGHM wird immer wieder als möglicher Verursacher genannt. Wie die „Gazeta Wyborcza“ berichtet, sollen aus einem Werk von KGHM im niederschlesischen Glogau zwischen dem 29. Juli und dem 10. August 2022 große Mengen an Salzwasser in die Oder geflossen sein. Laut dem Bericht waren die Einleitungen an sich legal. Der derzeitig niedrige Wasserstand der Oder könnte allerdings dafür gesorgt haben, dass der Fluss die Salzeinleitung nicht verkraftet hat. Allerdings hat dieser Erklärungsversuch einen Haken: Glogau liegt stromabwärts, nördlich von Breslau und Oppeln. Die Salzwassereinleitung durch den Bergbaubetrieb kann damit nicht das Fischsterben erklären, dass bei Ohlau, also weiter südlich, beobachtet wurde. Auch eine Papierfabrik in Ohlau, 30 Kilometer südöstlich von Breslau, ist in Verdacht geraten. Das Unternehmen reagierte auf die Vorwürfe ebenfalls mit dem Hinweis, es seien auch flussaufwärts, beim Gleiwitzer Kanal, tote Fische gefunden worden.

Das polnische Portal „Onet“ berichtet wiederum, dass Ende Juli das Umweltamt in Kattowitz bereits Ermittlungen gegen das Rüstungsunternehmen Labedy in Gleiwitz eingeleitet haben soll. Dabei soll es um den Verdacht gegangen sein, den Gleiwitzer Kanal verschmutzt zu haben. Angeblich wurden polnische Umweltbehörden schon im März aktiv, als erste tote Fische aus dem Kanal gefischt wurden.

Obendrein teilte Brandenburgs Umweltministerium am 20. August mit, bei Proben, die an der Messstelle Frankfurt (Oder) in der Zeit vom 7. bis 9. August entnommen wurden, seien hohe Konzentrationen eines Pestizids festgestellt worden. Nach Angaben des Ministeriums in Potsdam ist allerdings davon auszugehen, dass die nachgewiesene Dosis nicht unmittelbar tödlich für Fische gewesen ist.

Warschau hält an Ausbau fest

Polens Umweltministerin Anna Moskwa reagierte dennoch am selben Tag mit dem Vorwurf, in Deutschland würden Falschmeldungen verbreitet. Auf Twitter schrieb die Ministerin: „Achtung, eine weitere Fake News wird in Deutschland verbreitet!!! Pestizide und Herbizide. In Polen wurde der Stoff getestet und unterhalb der Bestimmungsgrenze nachgewiesen, d. h. ohne Auswirkungen auf Fische oder andere Tiere, und ohne Verbindung zum Fischsterben.“

Trotz des Umwelt-Desasters in der Oder will Polens Regierung offenbar am umstrittenen Ausbau des Flusses für die Schifffahrt festhalten. Polens Vize-Außenminister Szymon Szynkowski vel Sek führte gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) zur Begründung für die Pläne neben den bisher genannten ökonomischen nun auch strategische Gründe an. Transportwege seien in heutigen Zeiten ein sehr wichtiger Aspekt der Sicherheit, so der Außenminister. Brandenburgs Landesregierung sieht in den polnischen Ausbauplänen insbesondere für den Nationalpark unteres Odertal eine Gefahr.


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Kommentare

Tom Schroeder am 30.08.22, 19:36 Uhr

Das nun schon laenger andauernde warme Wetter schlaegt offenbar mit einer Gemengelage der Wasserqualitaet nicht nur den Fischen aufs Gemuet: Mal alle runterkuehlen! Polen und Deutsche verstehen sich naemlich eigentlich gut - ich hatte in juengeren Jahren ueber 8 Jahre eine polnische Freundin, die durften ja teils reisen zu Zeiten des eisernen Vorhangs und sie blieb dann einfach hier. Auch heute noch, wenn ich Polen begegne, sind das zu 95% positive Erfahrungen, also sollte man in der Hitze bitte keine Hasskiste aufmachen, man wird es spaeter bitter bereuen. Unbedacht hingeworfene Kraftausdruecke werden nach einer Abkuehlung bald wieder vergessen. Polen sind, nach meiner Erfahrung, eher nicht nachtragend und kompromissbereit. So mancher Streit im Suff wird im nuechternen Zustand spaeter bedauert und mit tausendmaligen Entschuldigungen bereut. Streit im nuechternen Zustand endet oft im Besaeufnis mit ernsthafter Verbruederung. Also - immer schoen froehlich bleiben - die Fische sind schon tot und werden nicht mehr lebendig - wir alle warten auf Regen!

sitra achra am 30.08.22, 11:19 Uhr

Der Hauptunterschied zwischen Polen und Deutschen liegt in der jeweiligen Mentalität. Die Polen verstehen sich als Nation, Deutschland ist laut eigener Aussage und Selbstverständnisses
der Müllkübel für unbegrenzte illegale Einwanderung. Gutmenschentum ist in Polen hingegen nicht gefragt.
Das arrogante Weltverbesserungssyndrom macht eine ehrliche gegenseitige Verständigung fast unmöglich.

Ralf Pöhling am 29.08.22, 15:35 Uhr

Deutschland und Polen sind, trotz ihrer geografischen Nähe, strukturell und geopolitisch unterschiedlich aufgestellt. Deutschland ist größer, wirtschaftlich anders positioniert und liegt zudem zentral in der EU, Polen liegt hingegen am Rand. Was zu unterschiedlichen Ansichten und offensichtlich auch zu unterschiedlichen Schnittstellen führt, die eigentlich eines zusätzlichen Emulationsslayers bedürfen, damit die Kommunikation unmissverständlich funktioniert und damit überhaupt zielorientiert stattfinden kann. Um das Problem anzugehen, braucht es den Blick nicht etwa auf die Unterschiede, sondern auf die Schnittmenge der gleichen(!) Interessen. Die gibt es nämlich, wie nicht nur dieser Fall zeigt. Polen und Deutschland liegen nicht nur nebeneinander, sie sind auch beide Teil des Schengen-Raums. Was unweigerlich die Angleichung der Schnittstellen und deren Interoperabilität zur Folge haben muss, aber bisher nicht erfolgt zu sein scheint. Ich gehe davon aus, dass dies zuvorderst damit zu tun hat, dass das EU Konzept auf einer Gemeinschaftswährung aufbaut, der Polen (noch) nicht beigetreten ist. Allerdings ist der Euro als einendes Element ein untaugliches Mittel, da unterschiedlichen Wirtschaftsleistungen der EU Länder sich nicht durch eine gemeinsame Währung ändern lassen, sondern nur zur finanziellen Abhängigkeit führen. Man denke an den Begriff Transferunion. Beim Geld hört aber bekanntlich die Freundschaft auf. Bei gemeinschaftlicher Organisation sieht das hingegen anders aus. Dann lassen sich Katastrophen, wie etwa vergiftete Flüsse, auch schnell in den Griff bekommen, wenn nicht sogar von vornherein verhindern.

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