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Gegenseitige Abhängigkeit

Trotz EU-Sanktionen: Russisches Gas fließt weiter

Neben der Türkei setzen vor allem Österreich und Griechenland auf die billige Energie Putins

Hermann Müller
30.07.2024

Trotz der Absichtserklärung der EU, sich bis 2027 unabhängig von russischem Erdgas zu machen, steigen die Importe wieder an. Die Zuwächse sind sogar deutlich. Wie das „Handelsblatt“ unter Berufung auf Daten des Analyseunternehmens ICIS berichtet, importierten die Länder der EU im vergangenen Mai bereits wieder 4,8 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland. Dies war nur ein Bruchteil der 15 Milliarden Kubikmeter, die noch im Mai 2021 aus dem Osten in die EU geflossen sind, jedoch auch deutlich mehr als die 3,7 Milliarden Kubikmeter Gas vom September 2022. Daten der Brüsseler Denkfabrik Bruegel zeigen, dass einige Länder besonders stark auf russisches Erdgas setzen: In Österreich stieg der russische Anteil an den Gasimporten von

87 Prozent im Jahr 2022 auf aktuell
91 Prozent. Besonders stark hat Griechenland seine Einfuhren von russischem Erdgas ausgebaut. Dort stammen die Gaseinfuhren derzeit zu 60 Prozent aus Russland. Im Jahr 2022 lag der Anteil bei nur 14 Prozent.

Obwohl es mittlerweile 14 Sanktionspakete im Handel mit Russland gibt, hat die EU bislang weder die Einfuhr von russischem Pipelinegas noch den Import von verflüssigtem Erdgas (LNG) per Tankschiff verboten. Lediglich die Umladung von russischem LNG in Häfen der EU-Mitgliedstaaten untersagt Brüssel ab 2025. Der Schritt soll verhindern, dass russisches Flüssiggas über die EU in Drittländer exportiert wird. Trotz des Krieges in der Ukraine kommt sibirisches Erdgas sogar weiterhin über die Ukraine in die EU. Die Leitung führt über ukrainisches und slowakisches Gebiet bis zum Verteilpunkt Baumgarten in Niederösterreich. Daneben entwickelt sich die Türkei mit seiner Turkstream-Pipeline immer mehr zu einer wichtigen Drehscheibe für den Handel mit russischem Gas. Diese zentrale Rolle einer Drehscheibe im Gashandel hatten viele Marktexperten noch vor wenigen Jahren Deutschland mit den beiden Nord-Stream-Pipelines vorausgesagt.

Im Fall von Griechenland haben die stark gestiegenen Importmengen von russischem Erdgas zu einer erstaunlichen Entwicklung geführt. Wie das „Handelsblatt“ berichtet, sind griechische Pläne für den Bau von zusätzlichen LNG-Anlagen still beerdigt worden.

Ursprünglich wollten Energieunternehmen in Griechenland ein ganzes Netz von Terminals für den Import von Flüssiggas aufbauen. Dabei ging es nicht nur um die Eigenversorgung des Landes. Griechenland sah sich vielmehr bereits auf dem Weg, zu einer Drehscheibe für den Gashandel in ganz Südosteuropa zu werden. Die geplanten Anlagen sollten eine Umschlagskapazität haben, die dem Vierfachen des Eigenbedarfs Griechenlands entsprochen hätte.

Türkei wegen Abhängigkeit auf Schmusekurs mit Gazprom
Mittlerweile scheinen diese ehrgeizigen Pläne obsolet zu sein. Griechenlands Energieminister Theodoros Skylakakis erhielt unlängst parlamentarische Anfragen zu einem der geplanten LNG-Projekte nahe der Hafenstadt Volos. Als Reaktion beschied der Minister von der liberal-konservativen Drasi-Partei: „Unsere LNG-Kapazitäten sind mehr als ausreichend.“ Zudem machte der Minister klar, dass seiner Meinung nach die Investition in das LNG-Projekt zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus wirtschaftlichen und politischen Gründen „keine Aussicht auf Realisierung“ habe. Ähnlich wie Ungarn und Österreich reagiert Griechenland damit nicht politisch, sondern wie ein kühl kalkulierender Kaufmann: Sibirisches Gas, das per Pipeline nach Europa kommt, wird auf lange Sicht preislich immer günstiger sein als per Tanker herangeschafftes Flüssiggas aus den USA oder Katar.

Griechenlands Griff nach Erdgas, das über die Turkstream-Leitung importiert wird, birgt nur auf den ersten Blick ein Risiko der Abhängigkeit von der verfeindeten Türkei. Ankara ist seinerseits so stark abhängig von russischen Gaslieferungen, dass sich die türkische Führung Ärger mit dem russischen Lieferanten Gazprom nicht leisten kann. Auch im Fall des Verteilpunktes Baumgarten unweit der slowakisch-österreichischen Grenze ist es wahrscheinlich, dass die Gaslieferungen aus Russland ungestört weitergehen. Zum Ende des Jahres 2024 läuft eigentlich der Vertrag aus, mit dem die Ukraine den Transport von russischem Erdgas über ihr Gebiet ermöglicht. Noch vergangenes Jahr hieß es aus Kiew, die Ukraine wolle Anfang 2025 den Transit von russischem Erdgas beenden. Allerdings bestätigte der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew nun Gespräche über eine Vertragsverlängerung. Alijew erklärte, die EU und die Ukraine hätten Aserbaidschan gebeten, bei der Vermittlung mit Russland zu helfen. Wie verschiedene Wirtschaftsmedien berichten, soll sich die Ukraine bereiterklärt haben, den Transit unter bestimmten Bedingungen und mit Beteiligung von EU-Unternehmen fortzusetzen.


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