Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Miriam Gebhardt widmet ihr neues Buch der gesellschaftlichen Stellung von Frauen, die nach dem Krieg wesentlich zum Aufbau beitrugen
In ihrem Buch „Die kurze Stunde der Frauen. Zwischen Aufbruch und Ernüchterung in der Nachkriegszeit“ erinnert die Journalistin und Historikerin Miriam Gebhardt an die schwierigen Lebensumstände der Frauen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Bezeichnung „Trümmerfrau“ erinnert daran, dass Frauen in der Nachkriegszeit in den zerstörten Städten harte Arbeiten wie das Steineräumen verrichten mussten, auch wenn sie im täglichen Überlebenskampf die Verantwortung für ihre Familien trugen. Aufgrund des eklatanten Mangels an Männern leisteten sie Zwangsarbeit gegen den Hunger, denn wer nicht schippen wollte, bekam nichts zu essen.
Gebhardt zeigt ferner auf, dass der wichtige Beitrag, den Frauen, wenn auch zumeist nicht freiwillig, beim Wiederaufbau leisteten, ihnen später nicht den Vorteil verschafft hat, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Belegt wird diese Entwicklung anhand von Momentaufnahmen, die Frauenschicksale während und nach der NS-Zeit sowie aus den 50er und 60er Jahren beleuchten. In der 1949 gegründeten Bundesrepublik blieb den Frauen im klassischen Geschlechtermodell die Gleichberechtigung verwehrt. So wurde der Frauenanteil an den Universitäten auf maximal 20 Prozent festgelegt.
In der Sowjetischen Besatzungszone und später in der DDR fand man demgegenüber für die geforderte Eingliederung der Frauen in die Erwerbswelt eine ideologische Begründung in der kommunistischen Lehre. Die Autorin betont, dass Frauen damit erneut die Bewältigung einer Aufgabenfülle ohne ihr Einverständnis übertragen wurde, während ihnen in Westdeutschland ungefragt ihre untergeordnete Position gemäß einem überlieferten Familienbild zufiel. Sie kommt zum Schluss, dass sich Frauen selten die Möglichkeit bot, ihre individuellen Wünsche je nach Alter, Region und sozialer Lage zu verwirklichen. Stattdessen wurden sie von den Umständen dazu gezwungen, sich den Anforderungen des jeweiligen Gesellschaftsmodells anzupassen.
Der brillanten, gut recherchierten Darstellung liegen neben historischen Quellen beispielhaft Tagebucheinträge zugrunde. In den Aufzeichnungen wird häufig auf den abwesenden, schmerzlich vermissten Vater und Ehemann Bezug genommen. Damit wird an die zahllosen schweren Schicksale infolge der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs erinnert. Weiterhin geht Gebhardt auf die schon länger bekannte Tatsache ein, dass die Erfahrungen jener Zeit unser aller Leben nachhaltig geprägt haben.
Miriam Gebhardt: „Die kurze Stunde der Frauen. Zwischen Aufbruch und Ernüchterung in der Nachkriegszeit“, Herder Verlag, Freiburg 2024, gebunden, 272 Seiten, 24 Euro