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Bundeskunsthalle in Bonn ehrt Wim Wenders und dessen Lebenswerk mit der pompösen Ausstellung „W.I.M. – Die Kunst des Sehens“
Zur Ausstellung „W.I.M. – Die Kunst des Sehens“, welche die Bonner Bundeskunsthalle anlässlich des 80. Geburtstags des Filmemachers Wim Wenders veranstaltet, erwartet die Besucher in Bonn ein wirklich „Großer Bahnhof“. Das fängt schon beim Eintritt in die Ausstellungshalle an. Eine gebogene Fotowand mit der markanten Szene aus dem wohl bekanntesten Wenders-Film „Der Himmel über Berlin“ zeigt einen Mann (Bruno Ganz) im grauen Mantel mit Engelsflügeln, der von einer Dachkante in den Abgrund blickt. Rechts neben der Fotowand hängt als Originalrequisite ein grauer Mantel auf einem Kleiderständer.
Gnadenlosen Einfallsreichtum bewiesen die Ausstellungsmacher dann mit der Erklärung, dass das Akronym W.I.M. auch für „Wenders in Motion“ stehen könne. Auf Deutsch: Wenders in Bewegung. Hintergrund ist eine Bemerkung des in Düsseldorf geborenen Regisseurs, Fotografen und Autors, dass er sich als „Reisender und dann erst als Regisseur und Photograph“ verstehe.
Monströs präsentiert werden etwa
30 der insgesamt rund 60 Wenders-Filme wie „Der Himmel über Berlin“ (1987), „Paris, Texas“ (1984), „Buena Vista Social Club“ (1999) und der in Japan gedrehte Film „Perfect Days“ (2023). Ausschnitte aller auf den Festivals von Cannes, Berlin oder Venedig mit Filmpreisen ausgezeichneten Werke flimmern in Endlosschleifen auf großen Zwischenwänden.
Vorneweg das „Flaggschiff“ der Wenders-Filme: „Der Himmel über Berlin“ aus dem Jahr 1987. Darin geht es um zwei unsichtbare Engel, Damiel und Cassiel, welche die Menschen in der damals noch geteilten Stadt beobachten. Damiel verliebt sich in eine irdische junge Frau und gibt schließlich seine Unsterblichkeit auf, um der Geliebten – als dann sterblicher und sichtbarer Mensch – nahe zu sein.
Der Kinofilm spielte weltweit über 3,5 Millionen Dollar ein und hätte als emotional anrührender „Herzkino“-Film im ZDF laufen können. Der Mainzer Sender strahlte den mit einer „Oscar“-Nominierung dekorierten Film dann aber nicht im Schnulzen-verdächtigen Herzkino-Format aus, sondern präsentierte ihn der TV-Gemeinde vor zehn Jahren zum 70. Geburtstag des Künstlers.
Die meisten Wenders-Filme werden in sogenannten Programm- oder auch Arthouse-Kinos gezeigt, in denen Film-Enthusiasten zu Hause sind. Einem breiten Kino-Publikum sind sie eher unbekannt. So auch die in den 1970er und 1980er Jahren entstandenen „Road Movies“ wie „Alice in den Städten“, „Falsche Bewegung“ und „Im Laufe der Zeit“. In diesen „Straßen-Filmen“ fahren die Protagonisten, meist in Autos, scheinbar ziellos durch die Gegend. Die lang andauernden Bildsequenzen, ohne dass jemand spricht, erscheinen für manche ermüdend oder auch langweilig (warum sprechen die nicht?). Wenders will damit den langwierigen Prozess einer „inneren Reise zu sich selbst“ widerspiegeln.
Wenders' untypischer Filmschnitt
Musik spielt in den Wenders-Filmen eine bedeutsame Rolle. „Ich kann mir keinen Film von mir vorstellen“, sinniert der Künstler, „in dem die Musik nicht eine tragende Rolle spielt.“ Besonders der 1999 in Kuba gedrehte Dokumentarfilm „Buena Vista Social Club“ machte international Furore sowie kubanische Musik und Musiker aus Havanna weltweit bekannt.
Zu seinem Lebenswerk gehört auch das „stille“ Bild, die Fotografie. „Das eigene Fotografieren ... ist zu meinem zweiten Leben geworden“, sagt Wenders. Auch moderne 3D-Kameratechnik setzte Wenders ein. So etwa bei den Dokumentarfilmen „Pina“ über die legendäre Wuppertaler Tanztheater-Choreografin Pina Bausch und „Anselm – das Rauschen der Zeit“ über den Maler und Bildhauer Anselm Kiefer. In einem abgeschlossenen, kleinen Kinoraum sind Filmausschnitte der 3D-Filme zu sehen.
Als besonderen Höhepunkt stellt die Bundeskunsthalle die eigens für Bonn konzipierte „immersive kinematographische Rauminstallation“ vor. Das ist ein geschlossener Raum, etwa 35 Quadratmeter groß. Auf den vier Wänden laufen Filmausschnitte zahlreicher Wenders-Filme. Acht Meter hoch, in schneller Bildabfolge, mit großer Farbintensität, im Wechsel mit Schwarz-Weiß-Bildern. Dazu in digitaler Klangtechnik die von Wenders genutzte Filmmusik von Canned Heat („On the road again“), Nick Cave, U2, Ry Cooder und anderen. Zusammengestellt und geschnitten hat der Künstler selbst. Die Besucher können so „in die Bildwelt und das filmische Werk von Wenders eintauchen“.
Wie bitte? Schnelle Bildabfolge, rascher Wechsel von Filmausschnitt und Musik? In Wenders' Werken ist das allerdings eine unübliche Bildwelt. Genau diese Bildwelt schätzen dagegen Kinobesucher in amerikanischen „Action“-Filmen und Hollywood-Blockbustern.
Es scheint fast so, als habe Wenders im „immersiven Raum“ sein gesamtes Filmschaffen aus mehr als 50 Jahren in einer Installation komprimiert und damit seinen ersten „Actionfilm“ in Hollywood-Manier erstellt. Ganz untypisch für ihn.
„W.I.M. – Die Kunst des Sehens“, bis 11. Januar, Bundeskunsthalle, Helmut-Kohl-Allee 4 in Bonn, geöffnet täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 21 Uhr, Eintritt: 13 Euro. www.bundeskunsthalle.de