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Baschkortostan

Unruhen in russischer Teilrepublik

Protest von Tausenden gegen vier Jahre Strafkolonie für Fail Alsynow wegen Anstiftung zu ethnischem Hass

Bodo Bost
01.02.2024

Am 17. Januar wurde der bekannteste politische Aktivist und auch Nationalist der Baschkiren, Fail Alsynow, in seiner baschkirischen Heimatstadt Baimak zu vier Jahren Strafkolonie mit verschärften Haftbedingungen verurteilt. Nach der Urteilsverkündigung kam es zu Protesten von Tausenden Menschen gegen dieses Urteil.

Der Verurteilte gehört der Titularnation der russischen Teilrepublik Baschkortostan an. Dieses manchmal auch Baschkirien genannte Subjekt der Russischen Föderation liegt am äußersten Ostrand Europas, westlich des Uralgebirges im Föderationskreis Wolga, und ist mit rund vier Millionen überwiegend muslimischen Einwohnern die bevölkerungsreichste der russischen Teilrepubliken.

Verurteilt wurde der 37-jährige Baschkire wegen Anstiftung zu ethnischem Hass. Er hatte in einer Rede „Kara Khalyk“ (schwarze Menschen) kritisiert. So werden im Russischen und in den in Russland gesprochenen Turksprachen, zu denen auch Baschkirisch gehört, die Bewohner und Zuwanderer aus dem Kaukasus und aus Zentralasien bezeichnet. Vergebens hatte Alsynow während seines Prozesses behauptet, den Ausdruck im Sinne von „Schwarzarbeitern“ verwendet und nichts gegen „Vertreter anderer Nationen“ zu haben, wenn diese „unsere Sitten und Gebräuche respektieren und nicht gegen die Gesetze verstoßen“.

Alsynow hat Zuwanderung kritisiert
Alsynows umstrittene Kritik hatte er im April vergangenen Jahres während einer Rede gegen Pläne zum Goldabbau im Dorf Ischmursino im Bezirk Baimak geäußert. Außer der Zuwanderung hatte der politische Aktivist auch die massive Umweltverschmutzung in seiner Heimat kritisiert, in concreto die Plünderung von Goldminen sowie die Schäden an Umwelt und Landwirtschaft durch den Betrieb einer Goldmine im Tagebau. In der Rede kritisierte Alsynow auch Russlands Krieg in der Ukraine. Dieser träfe vor allem die muslimischen Völker, obwohl sie von diesem Krieg, der ein Groß-Russland anstrebe, nichts hätten. Der von Alsynow gegründete, aber nicht registrierte Verein „Bashkort“ setzte sich für die Unabhängigkeit Baschkortostans ein und wurde verboten.

In Moskau fürchtet man vor allem die Unruhen von muslimischen Minderheiten. Die Mehrzahl der 22 Teilrepubliken ist von Muslimen bewohnt, und diese sind die ärmsten unter den Regionen Russlands, stellen aber das Gros der russischen Soldaten im Ukrainekrieg. Während in Baschkortostans Hauptstadt Ufa eine Demonstration von Tausenden stattfand, versicherte der Pressesprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Dmitrij Peskow, dass es keine Unruhen oder Massendemonstrationen gebe.

Der Alexej Nawalny Baschkiriens?
Am Vortag hatte das Oberhaupt Baschkortostans, Radij Chabirow, nach einer Demonstration in Baimak Aufrufe zum „Separatismus“ angeprangert. Für Chabirow ist Alsynow kein Umweltaktivist, sondern ein vom Ausland gesteuerter Verräter und Separatist, der zum Guerillakrieg aufruft.

Die Proteste müssen Putin zwei Monate vor der Präsidentschaftswahl sehr beunruhigen. Denn seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine war es bislang gelungen, so gut wie jeden Protest im Keim zu ersticken. Lediglich bei der Teilmobilisierung im letzten Herbst hatte es in der muslimischen Teilrepublik Dagestan um das Dorf Luxemburg im Kaukasus spontane Proteste gegeben, die von besorgten Soldatenmüttern getragen worden waren. Diesmal hatten die Proteste jedoch eine klare politische Botschaft. Zu dieser Botschaft gehörte auch eine Infragestellung des Ukrainekrieges.

Alsynow könnte der Alexej Nawalny Baschkiriens werden. Nirgendwo sonst in Russlands Teilrepubliken haben die Proteste ein solch einheitliches Gesicht wie in dieser Region. Wie in Baschkortostan fühlen sich nationale muslimische Minderheiten jedoch auch in anderen Republiken von den Russen dominiert und diskriminiert. Wie bereits in den muslimischen ehemaligen Sowjetrepubliken Aserbaidschan und Kasachstan, in denen der Respekt vor Moskau immer mehr schwindet, sodass Putin statt dorthin lieber nach China und Nordkorea reist, könnte durch die Schwäche der russischen Armee im Ukrainekrieg auch in den muslimischen Teilrepubliken Russlands eines Tages der Respekt vor Moskau weiter sinken und könnten Unabhängigkeitsgelüste stärker werden. Um das Oberhaupt der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, der zu Beginn des Ukrainekrieges vor zwei Jahren fast täglich mit Protzgesten seine Treue zu Putin erkennen ließ, ist es in den letzten Monaten erstaunlich ruhig geworden.


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Kommentare

Kersti Wolnow am 01.02.24, 07:57 Uhr

Seit wann heißt Selbstbestimmung eines Volkes "Separation"? Ob Alsynow entgegen seines natürlichen Abwehrverhaltens im Lager lernen wird, Fremde in seinem Land zu akzeptieren, zu dulden=tolerieren? So wie uns in der täglichen Werbung eingehämmert wird, daß Kontinentfremde Deutsche sind?
Ich glaube, die Welt ist seit 1917 in Unordnung. Man schaue sich einmal die Ausbreitung und Völkervermischung der damaligen UdSSR an. Eine Aufarbeitung dieser Zeit gibt es bis heute nicht.

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