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Medien und Politik

Unschuldsvermutung? Nur wenn’s passt!

Brandenburger Jugendliche wurden ohne Beweise als Rassisten bundesweit an den Pranger gestellt

Hermann Müller
22.05.2023

Nachdem es in Berlin an Silvester zu Krawallen und Angriffen auf Einsatzkräfte gekommen war, hatte der Antirassismus-Beauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), vor einem Generalverdacht gegen Immigranten gewarnt: „Wer jetzt mit Generalverdacht gegenüber Menschen mit Einwanderungsgeschichte reagiert, trägt zur weiteren Stigmatisierung und Spaltung unserer Gesellschaft bei, statt die sozialen Ursachen des Problems zu bekämpfen“, so Alabali-Radovan im Januar.

Tatsächlich neigen viele Medien und auch Politiker nicht nur zu voreiligen Pauschalurteilen, wenn Ausländer als Tatverdächtige gelten. Noch weit auffälliger zeigen Medien und Politik eine Tendenz zu schnellen Bewertungen, wenn sich scheinbar die Behauptung untermauern lässt, im Land grassiere ein massives Rechtsextremismusproblem. Wie im Fall „Sebnitz“ kann die Berichterstattung dabei auch schon mal als Medienskandal enden: Im Jahr 2000 hatte zunächst die „Bild“-Zeitung berichtet, Rechtsextreme hätten im Schwimmbad der ostsächsischen Stadt ein sechsjähriges Kind so lange gequält, bis es ertrank.

Nicht der erste Schnellschuss
Die Vorwürfe stellten sich später als haltlos heraus. Zumindest bei einem Teil der Öffentlichkeit dürfte sich trotzdem das Bild vom „rechtsradikalen Osten“ weiter verfestigt haben. Zur Erinnerung: Im Jahr 2015 musste sich Stanislaw Tillich (CDU), der damalige Regierungschef des Freistaats, im Interview mit „Bild“ die Frage bieten lassen: „Warum ist Sachsen so braun?“ Dementsprechend fielen auch die ersten Reaktionen aus, als der Sänger Gil Ofarim 2021 zwei Mitarbeiter eines Leipziger Hotels beschuldigte, diese hätten ihn antisemitisch beleidigt. Der damalige Außenminister Heiko Maas (SPD) zeigte sich „fassungslos“ und befand, Leipzig sei „kein Einzelfall“. Die Staatsanwaltschaft Leipzig prüfte die Antisemitismusvorwürfe monatelang und kam schließlich zu dem Ergebnis: Der von dem Musiker beschriebene antisemitische Vorfall hat sich gar nicht ereignet.

In besonders extremer Form sind solche Reaktionen wieder nach einem angeblichen Vorfall in Brandenburg zu registrieren. Zuerst hatte die „Bild“-Zeitung am 8. Mai berichtet, dass Schüler einer 10. Klasse aus Berlin-Kreuzberg in einer Ferienanlage in Heidesee im märkischen Landkreis Dahme-Spreewald nahe Berlin von teils vermummten Jugendlichen rassistisch beleidigt und bedroht worden seien.

Die Berliner Schüler, überwiegend mit Immigrationshintergrund, hätten daraufhin noch nachts unter Polizeischutz aus dem Ferienlager eskortiert werden müssen. Bundesweit folgten Schlagzeilen wie „Rassistischer Angriff in Brandenburg“. Komplett unterblieb es in der Berichterstattung, die unter Verdacht stehenden Brandenburger zu Wort kommen zu lassen. Einige Medien merkten immerhin an, die Polizei müsse noch weitere Befragungen der Jugendlichen durchführen.

Noch am Tag der ersten Presseberichte hat der Bundestagsabgeordnete Steffen Kotré (AfD), der im Oktober in Dahme-Spreewald für das Amt des Landrats kandidiert, das Gespräch mit den beschuldigten Jugendlichen gesucht. Diese berichteten von einem verbalen Schlagabtausch, an dem beide Seiten beteiligt gewesen seien. Nach ihrer Darstellung ist es dabei aber von keiner Seite der Konfliktparteien zu körperlicher Gewalt gekommen.

Laut den Brandenburger Jugendlichen ist ihnen aus den Reihen der Kreuzberger Schüler allerdings angedroht worden: „Kommt nach Berlin, dann stechen wir euch ab!“ Sollten die weiteren Ermittlungen durch die Polizei diese Darstellung bestätigen, dann hat es sich um einen Streit zwischen Jugendlichen gehandelt, der in der Millionenstadt Berlin vermutlich des Öfteren vorkommt.

Faeser nannte es „schrecklich“
Trotz des Medienskandals um die Kleinstadt Sebnitz und der Wendung im Fall Gil Ofarim widerstanden Politiker auch in diesem Fall nicht der Versuchung, noch vor Abschluss der Ermittlungen das Geschehen politisch einzuordnen. Mit Blick auf den Vorfall im brandenburgischen Ferienlager sprach Bundesinnenministerin Nancy Faeser am 9. Mai, also bereits einen Tag nach den ersten Medienberichten, davon, Politik und Behörden müssten die Vorgänge, die sie als „furchtbar“ bezeichnete, nun „sehr genau aufarbeiten“. Ohne diese Aufarbeitung abzuwarten, stellte Faeser aber fest, der Rechtsextremismus sei „die größte Bedrohung für Demokratie in unserem Land“. Auch sei es „sehr schrecklich, dass quasi diejenigen weichen mussten, die angegriffen wurden“.

Brandenburgs neuer Bildungsminister Steffen Freiberg wurde in der Fragestunde des Landtags am 10. Mai direkt darauf angesprochen, ob ihm auch die Aussagen der brandenburgischen Jugendlichen vorlägen und ob für die jungen Leute nicht zunächst die Unschuldsvermutung zu gelten habe. Der SPD-Politiker erklärte unumwunden, er könne schließlich nicht bis zum Abschluss eines rechtskräftigen Verfahrens warten.


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Kommentare

Kersti Wolnow am 22.05.23, 10:02 Uhr

Sie ziehen uns die Heimat unter den füßen weg, und wir sollen schweigend zusehen? Jedes Tier darf sein Territorium verteidigen, ich kenne keins, das Eindringlinge beköstigt. Was in er bRD und überall im Westen abgeht, ist nicht normal.
Der Westen hat volksfeindliche Politiker, Sacharowa hat es dieser Tage auch so formuliert.

Ulrich Bohl am 22.05.23, 08:17 Uhr

Die Berichterstattung über derartige Zwischenfälle ist so
schlecht und einseitig, dass die Frage nach dem Mandat
dass die Politiker von den deutschen Bürgern bekommen
haben aufwirft. Wem dienen diese Leute wirklich, wessen
Interessen vertreten sie? Bei der (Nicht)verurteilung von
ausländischen Straftätern und der Verurteilung deutscher
ist ein eklatanter Unterschied eindeutig erkennbar. Es gibt beim erstgenannten Personenkreis fast immer Gründe für ein mildes Urteil bzw. gar keine Verurteilung.
Der Amtseid kennt diesen Unterschied nicht. Man verstösst offensichtlich gegen diesen. Bei schlechten
Wahlergebnissen ist häufig zu hören, wir müssen unsere
Politik besser erklären. Diese Politik kann man niemand erklären, es sei denn man sitzt im Bundestag oder einer
anderen staatlichen Einrichtung als Systemprofiteur.

Peter Müller am 22.05.23, 08:13 Uhr

Die "Linken" haben eben ihr eigenes Recht. Punkt. Ähnlich wie die Kirchen, die von "Immunität" geschützten Staatsdiener, und wenn es ganz schlimm kommt, hat man immer noch den Herrn H................

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