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Der Komplex der Library of Congress in Washington DC ist beim Medienbestand die zweitgrößte, beim Bücherbestand die größte Bibliothek der Welt
Bilder (2): Wikimedia, mauritius images/Alpha Stock/AlamyDer Komplex der Library of Congress in Washington DC ist beim Medienbestand die zweitgrößte, beim Bücherbestand die größte Bibliothek der Welt

Architektur für die Ewigkeit

US-Gebäude mit Preußen-Flair

Georg Henry Griebel baute das weltberühmte Dakota-Haus in New York sowie die weltgrößte Bibliothek in Washington

Jens Eichler
18.05.2025

Wer hat's gebaut? Nein, diesmal waren's nicht die Schweizer, sondern vielmehr ein waschechter Preuße. Einer von ganz besonderem Schlag, denn ihm lag förmlich von Geburt an Musik, Takt und Rhythmus im Blut. Dem im August 1846 geborenen Georg Heinrich Griebel, der später seinen Vornamen nach seiner Auswanderung in die USA amerikanisierte und sich danach George Henry nannte, war regelrecht umzingelt von ebenso bedeutenden wie begnadeten Musikern. So gilt Griebels Vater als einer der besten Cellisten seiner Zeit und war daher erster Solo-Cellist der Königlichen Hofkapelle.

Doch damit nicht genug. Schon sein Großvater spielte Fagott wie kaum ein anderer, war ebenso Mitglied im Orchester des Königs und darüber hinaus Lehrer des Opernkomponisten Albert Lortzing. Zwei Onkel wussten derart vortrefflich die Oboe und die Violine zu spielen, dass auch sie in der Hofkapelle des Monarchen musizieren durften. Was also liegt da näher, als dass auch der Sprössling Georg Heinrich ein Instrument erlernt und diesem Töne entlockt wie kaum ein Zweiter?

Lust auf Ästhetik und Schönheit
Sehr viel. Denn der junge Griebel hatte viele Talente und zudem Interesse an vielem – nur nicht an der Musik. Vielmehr fühlte er sich zum Militär hingezogen, liebte straffe Ordnung, konkrete Strukturen und Klarheit statt, wie er es einmal nannte, „künstlerischen Firlefanz“. Also ließ er sich nach der Schulzeit an der Preußischen Militärakademie für das Ingenieurkorps ausbilden. Eines aber hatte er mit seinen musikalischen Familienmitgliedern dann doch gemein: die Exzellenz. Denn Griebel studierte die Wissenschaft rund um das Ingenieur- und Architekturwesen nicht nur, sondern er ging regelrecht darin auf. Seine Ergebnisse waren daher auch mehr als bemerkenswert, ebenso wie seine Benotungen. Er hatte ein ungewöhnliches Gefühl für Formen, für Stile, für Techniken, war Neuem gegenüber extrem aufgeschlossen, liebte zudem Ästhetik – doch das alles war in Summe ebenso stark beeinflusst von einem sinnvollen Pragmatismus. Nützlich musste es ein, anwendbar und eben schön in der Optik. Das waren die Prämissen, die Griebel von Beginn an zu den Leitmotiven seiner Arbeit machte.

Als er 1865 die Preußische Armee verließ, spürte Griebel aber auch, dass er mit seinen ästhetischen Vorstellungen im streng reglementierten Preußen nicht wirklich weiterkam. Waren in Deutschland schnörkellose Formen und Linien gefragt, da alles funktionell und nur funktionell sein musste, blieben nach dem Geschmack des preußischen Ästheten jedoch Schönheit, Optik und Anmut zu sehr auf der Strecke.

Für Griebel stand fest: Ich muss hier raus, meinen Horizont erweitern und von der süßen Frucht der Freiheit kosten. Wo kann und konnte man das besser als in den Vereinigten Staaten von Amerika, die auf dem Fundament der Freiheit entstanden waren? Also wanderte der preußische Jungarchitekt zusammen mit seinem Bruder Maximilian, der nebenbei bemerkt ein überaus guter Violinist war, in die USA aus. Die beiden landeten in Washington DC, wo Griebel erst einmal voller Neugier und Wissbegierde die studentische Schulbank der Georgetown University drückte, um sich einerseits fortzubilden, andererseits aber die neuen Stile, Bauarten und die Denkweise der neuen Welt immer mehr zu verinnerlichen.

Erfolgreich mit dem ersten Auftrag
Dass er aufgrund seiner preußisch geprägten militärischen Vorbildung geradezu mit Kusshand im Kriegsministerium der USA kurz darauf eine Anstellung fand, ist nicht weiter verwunderlich. Als Architekt und Ingenieur des Generalquartiermeisters setze er dann auch 1871 ein erstes architektonisches Ausrufezeichen. Mit dem „Quadrangle“ des Forts Sam Houston gelang ihm ein erster großer Wurf. Ein Bau, in dem übrigens der berüchtigte Apachen-Häuptling Geronimo gefangen gehalten wurde. Heute ist es hingegen ein US-Kulturdenkmal im National Register of Historic Places. Griebels erster Auftrag schrieb somit schon Geschichte.

Dieser Bau war zugleich der Beginn einer bemerkenswerten Griebel-Ära. Denn plötzlich ergaben sich für ihn großartige Möglichkeiten, sein Können unter Beweis zu stellen. Auch, weil er mit jeder beendeten Arbeit Stück für Stück mehr freie Hand von seinen Arbeitgebern als auch Auftraggebern bekam und sich so zunehmend selbst verwirklichen konnte. Und diese Verwirklichung gefiel den Amerikanern. Allen voran aber den US-Bauherren und -Baukonzernen.

Also beauftragten sie den ambitionierten Preußen mit immer aufregenderen, interessanteren Projekten, die wiederum immer spektakulärere Herausforderungen nach sich zogen. Den ersten wirklich optischen Meilenstein erschuf der US-Preuße mit dem großen Treppenhaus der Library of Congress in Washington DC. Bemerkenswert war dabei nicht nur Griebels außerordentliche Liebe zum Detail, sondern es ist vielmehr die spektakuläre Opulenz der Ornamente, die aber bei aller Pracht und all ihrem Überfluss dennoch eine wohlige Harmonie ausstrahlen, die ihresgleichen sucht. Der Mix ist perfekt, bestehend aus antiken Elementen, aber ebenso mit Stilmitteln der Renaissance und des Klassizismus.

Im Jahr 1880 zog Griebel in die boomende Metropole zwischen Hudson und East River gelegen – nach New York. Nirgendwo wurde so ambitioniert und mutig sowie mit einem Blick für Zukunft und Ewigkeit gebaut, nirgendwo wurden so viele neue Baurekorde gebrochen. Da wollte der strebsame Preuße hin und ebenso seine architektonischen Spuren hinterlassen. Und genau das schaffte er auch. Für das Büro Henry Janeway Hardenberg entwarf Griebel ein echtes Denkmal – das Dakota-Haus. Eines der wohl berühmtesten Apartmenthäuser auf der ganzen Welt und ebenso Wohnstätte ehemaliger und aktueller Berühmtheiten. Das Gebäude in der Upper West Side, direkt beim Central Park gelegen, wurde zwischen 1880 und 1884 im Stil der französischen Renaissance errichtet. Da aber das Grundstück zu der Zeit in dem noch wenig bebauten nördlichen (upper) Manhattan lag, witzelte man, es würde wohl noch ins Stammesgebiet der Dakota-Indianer reichen. Dakota – der Name blieb, und wurde mit einer Natursteinplastik eines Indianerkopfes über dem Haupteingang auf ewig regelrecht in Stein gemeißelt.

Von Anfang an wohnte hier nur die Hautevolee der Stadt. Reiche, Schöne, Prominente wurden zu einer verschworenen Hausgemeinschaft. Wen sie nicht dabeihaben wollten, der bekam auch keinen Wohnraum – egal wie voll das Konto war. So buhlte Popdiva Madonna jahrelang um ein Apartment, erhielt es aber nicht, da die anderen Besitzer sie aufgrund ihres teilweise frivolen Lebensstils nicht in ihrer Gesellschaft haben wollten. Dirigent Leonard Bernstein wohnte ebenso im Dakota wie Sängerin Roberta Flack, Judy Garland, Boris Karloff, Paul Simon oder Tänzer Rudolf Nurejew. Und auch Ex-Beatle John Lennon, der aber 1980 vor der Dakota-Haustür von einem irren Attentäter erschossen wurde. Seine Witwe Yoko Ono wohnte bis 2023 weiter in dem Apartment, das der Preuße Griebel vor über 120 Jahren entworfen und gebaut hat.


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