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Gastronomie

Vergiss den Picknickkorb nicht

Eine Zwickmühle für Tagestouristen – Immer mehr Ausflugslokale machen wegen zu hoher Preise und Personalmangels dicht

Stephanie Sieckmann
08.09.2023

Immer häufiger stehen Tagestouristen und Urlauber vor verschlossenen Türen, wenn sie einen Ausflug unternehmen und in einem Gasthaus einkehren wollen. Immer mehr Gasthäuser schränken ihre Öffnungszeiten stark ein, öffnen zum Beispiel erst abends. Andere schließen vollständig. Als Grund wird dabei immer häufiger Personalmangel angegeben.

Ein Beispiel ist der Gasthof Victoria in Winnemark an der Schlei. Eine von Urlaubern stark frequentierte Touristenregion in Schleswig-Holstein. Das Gasthaus ist alteingesessen und bekannt. Mit seiner hübschen, weißen Fassade inmitten der Natur ist das Restaurant optisch ein Kleinod. Das Attribut einladend reicht kaum aus, die idyllische Szenerie zu beschreiben. Die Speisekarte hält ein Angebot bereit, das viele Menschen anspricht. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist sehr gut. Das Haus hat eine ideale Lage für Urlauber, die ein Ausflugslokal suchen, bei dem sie einkehren können.

Trotzdem hat Betreiber Stefan Moese entschieden, dass von Montag bis Mittwoch Ruhetag ist, Donnerstag und Freitag öffnet der Betrieb erst um 17.30 Uhr. Der Mittagstisch ist an diesen Tagen gestrichen worden. Sonnabend und Sonntag sind die Türen von 10 bis 14 Uhr geöffnet, danach erst wieder ab 17.30 Uhr. Mehr ist nicht drin. Grund ist auch hier, dass Personal fehlt.

Ein anderes Beispiel: das Gasthaus zum Kiekeberg, eine Institution im Süden von Hamburg. Einst beliebtes Ziel für Wanderer und Besucher des Freilichtmuseums mit der rekonstruierten Siedlung für Vertriebene an der „Königsberger Straße“, hat das Restaurant den Betrieb sogar ganz eingestellt. Die Betreiberfamilie hat umgebaut und bietet jetzt Ferienwohnungen an. Wer über die Veränderung nicht informiert ist und hier eine Pause einlegen möchte, um sich nach einer Wanderung in den Harburger Bergen beziehungsweise in Rosengarten zu stärken, steht vor verschlossenen Türen.

Das Tragische: Ersatz ist kaum zu finden. Im Gebiet der Harburger Berge haben in den vergangenen Jahren von neun zum Teil großen Ausflugslokalen sechs den Betrieb eingestellt. Es gibt lediglich noch drei Anbieter und auch die bieten nur an einigen Tagen in der Woche und nur einige Stunden Speisen und Getränke an. Die Kärntner Hütte etwa öffnet ihre Türen nur sonnabends und sonntags.

36.000 Betriebe weniger seit Corona
Noch drastischer ist die Situation in Thüringen. In den letzten vier Jahren haben dort mehr als 900 Gasthäuser geschlossen. Besonders betroffen sind hier wie auch im Rest der Bundesrepublik kleine Städte und ländliche Gebiete. Auf einigen Wanderstrecken in Thüringen gibt es inzwischen keine Möglichkeiten mehr einzukehren. Wer hier eine Wanderung plant, ist gut beraten, Vorräte an Speisen und Getränken in einen Rucksack zu packen und mit sich zu tragen. Besonders, wenn eine Tour mit Kindern geplant wird.

Doch auch wenn das Service- und Fachpersonal aktuell immer wieder als Grund für Schließungen und Einschränkungen von Gaststätten angeführt wird – der alleinige Grund für die desolate Situation ist der Mitarbeiter-Mangel nicht.

Laut Statistik des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga sollen in den Corona-Jahren 2020 und 2021 rund 36.000 Betriebe ihre Arbeit eingestellt haben. Gasthöfe und Restaurants, welche die Pandemie-Krise durchgestanden haben, sind 2022 durch die steigenden Preise für Lebensmittel und die höheren Betriebskosten in Mitleidenschaft gezogen worden. Kräftige Preiserhöhungen waren die Folge.

Doch längst nicht jeder Betrieb kann die Preise für Speisen und Getränke so weit erhöhen, wie es aufgrund der gestiegenen Kosten notwendig wäre. Besonders in Kleinstädten, auf dem Land und in strukturschwachen Gebieten können sich die zahlenden Gäste die höheren Preise einfach nicht mehr leisten und bleiben entsprechend aus.

Der Mix aus sinkenden Umsätzen, Preissteigerungen von mehr als 15 Prozent und weniger Personal beschwört eine drastische Entwicklung im Bereich der Gastronomie herauf. Erst recht, wenn die Mehrwertsteuer wie geplant erhöht wird. Laut einer Dehoga-Umfrage wäre die Schließung von rund 12.000 weiteren Betrieben zu befürchten. So erklärt Dehoga-Präsident Guido Zöllick: „Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zum 1. Januar 2024 wäre eine Katastrophe mit fatalen Folgen für die Betriebe unserer Branche und ihre Beschäftigten, aber auch für die Gäste und die Tourismuswirtschaft in Deutschland.“ Und er fügt hinzu: „Es dürfen nicht noch mehr ,öffentliche Wohnzimmer' verschwinden. Deshalb müssen die sieben Prozent bleiben.“

Aufbackbrötchen mitnehmen
Szenenwechsel: Wer als Urlauber und Tagesgast am Sonntag eine Tour plant und aufgrund von geschlossenen Restaurants und Gaststätten auf Bäckereien setzen möchte, in denen am Morgen Brötchen und Kuchen eingekauft werden können, trifft ebenfalls immer öfter auf verschlossene Türen.

Diese Entwicklung sorgt in diesem Sommer unter anderem auf Deutschlands Nordsee-Lieblingsinsel Nummer eins für schlechte Stimmung bei den Gästen. Wer auf Sylt Urlaub macht und kein Hotelzimmer mit Frühstück, sondern ein Appartement mit Selbstverpflegung gebucht hat, sollte beim Einkauf daran denken, Aufbackbrötchen mitzunehmen. So mancher Bäcker auf der Insel hat in diesem Jahr am Sonntag geschlossen.

Dort, wo sonst morgens eine lange Schlange an hungrigen Urlaubern zu sehen war, ist nun gähnende Leere. Der Grund lautet auch hier: Das Personal ist knapp. Wer noch Mitarbeiter hat, muss diese bei Laune halten. Das bedeutet: Es wird nicht sieben Tage in der Woche durchgearbeitet. Ein freier Tag in der Woche muss sein.

Der Umkehrschluss lautet: Picknick-Körbe und Rucksäcke werden wieder in Mode kommen. Und wer diese auch noch gefüllt anbietet, kann darauf hoffen, in der Zukunft gut gebucht zu sein.


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