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Versprochen – geliefert?

Während Donald Trump im Nahen Osten beeindruckende Erfolge verbuchen kann, sind seine Strategien gegen China und Nordkorea gescheitert. Anders als zumeist dargestellt, hat er manches Wahlkampfversprechen gehalten – aber längst nicht alle

Ansgar Graw
29.10.2020

Er sei „der einzige Präsident, vielleicht für immer, der euch mehr gegeben hat, als ich im Wahlkampf versprochen habe“, behauptete der Präsident mit der Vorliebe für ihn lobende Superlative bei einem Wahlkampfauftritt im Juni. Die Menge jubelte. Und Donald Trumps Team verbreitet fleißig das Motto „promised – delivered“ (versprochen – geliefert), das seinen Anhängern eingängig erscheint.

Gehaltene Versprechen

Aber stimmt das? Etliche Beispiele eingelöster Ankündigungen lassen sich selbst von seinen ärgsten Gegnern nicht bestreiten. Er versprach Steuerkürzungen – und sie kamen, auch wenn die Körperschaftssteuer von 35 nur auf 21 Prozent gesenkt wurde, nicht auf 15 Prozent, wie Trump es wollte. Er versprach eine Reduzierung der Arbeitslosigkeit – und erreichte ein 50-Jahres-Tief. Er versprach einen wirtschaftlichen Aufschwung – und die Konjunktur erholte sich, auch wenn beide Trends unter Obama begonnen hatten und von ihm lediglich beschleunigt wurden. Er versprach den Bau einer Mauer zu Mexiko – und ließ die bisherigen Befestigungen deutlich ausbauen und verstärken, auch wenn es sich in vielen Bereichen nun eher um einen verbesserten Zaun handelt und nicht um die von ihm versprochene „schöne Mauer aus Steinen und Beton“. Und obwohl Mexiko entgegen seiner Ankündigung natürlich nicht dafür zahlte.

Er versprach, die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) „in die Vernichtung zu bomben“ – und tat es, unter anderem im April 2017 durch den Abwurf von GBU-43/B, die „Mutter aller Bomben“, des bislang stärksten nicht-nuklearen Sprengsatzes auf einen IS-Stützpunkt in Afghanistan. Er versprach die Kündigung des Atomabkommens mit dem Iran – und tat es, auch wenn das, entgegen seiner Voraussage, Teheran nicht dazu animierte, für einen neuen Vertrag größere Zugeständnisse anzubieten. Er wollte eine Friedenslösung für den Nahen Osten – und sein Unterhändler und Schwiegersohn Jared Kushner trug entscheidend zur Normalisierung der Beziehungen Israels zu den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain bei. In Deutschland erfuhr das zu wenig Lob.

Vergessene Versprechen

Daneben gibt es manche Wahlkampfversprechen, die Trump nach der Wahl schlicht und einfach fallen ließ. Frei nach dem Motto: versprochen – gebrochen. Oder zumindest: versprochen – vergessen.

Die verheißene Rückgewinnung von Kohle-Arbeitsplätzen, „mehr als je zuvor“, die seine Wähler beispielsweise in West Virginia zur Stimmabgabe animierte? 2014 deckte Kohleenergie 38,6 Prozent der Elektrizität in den USA ab, 2019 waren es nur noch 23,4 Prozent. Und arbeiteten im Januar 2017, zur Inauguration von Trump, 51.000 Menschen in der Kohleindustrie, waren es drei Jahre später noch 50.100. Trump hätte wissen müssen, dass Kohle keine Chance hat, solange die riesigen Erdgasvorräte leichter und billiger ausgebeutet werden können.

Ein Deal mit Kim Jong-un zur Denuklearisierung Pjöngjangs? Der nordkoreanische Diktator durfte sich über drei Begegnungen mit Trump „auf Augenhöhe“ freuen und hat trotzdem seine Waffenprogramme, darunter ballistische Raketen, die Amerika erreichen könnten, und Atomtests fortgesetzt.

Die Deportation „aller illegalen Immigranten“? Von den geschätzten 11,3 Millionen Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus ließ Trump pro Jahr bis zu 267.000 Menschen (2019) außer Landes schaffen; unter Obama wurden allein 2012 rund 410.000 deportiert.

Ein öffentliches Investitionsprogramm, damit Amerikas Infrastruktur „von keinem Land übertroffen wird“ und Millionen Menschen beim Wiederaufbau in Lohn und Brot bringt? Zwar war das Problem der Arbeitslosigkeit vor Corona weitgehend gelöst. Aber keine Lösung gab es für das Problem maroder Straßen und Brücken, kaputter Wasserleitungen in ländlichen Räumen und für Stromnetze, die bei Sturm gerne ausfallen.

Andere Versprechen: Trump würde ein Präsident sein, der keine Ferien nimmt und die Wochenenden durcharbeitet? Wohl keiner seiner Vorgänger hat so viel Zeit auf Golfplätzen verbracht wie Trump. Immerhin, der Milliardär hat sein Versprechen gehalten, sein Jahresgehalt von 400.000 Dollar zu spenden.

Kein „Künstler des Verhandelns“

Und dann gibt es etliche Fälle von „versprochen – versucht“: So kündigte Trump im Wahlkampf 2016 den Ausstieg aus Amerikas „endlosen Kriegen“ an. Das ist nicht gelungen. Dem militärischen Sieg über den Islamischen Staat in Syrien und Irak folgte – vernünftigerweise, aber entgegen Trumps ursprünglichen Plänen – lediglich eine Truppenreduzierung in der Region, nicht ihr Abzug.

Populär war Trumps Versprechen, Obamacare „aufzuheben und zu ersetzen“. Er wollte die Gesundheitsreform des Vorgängers, die jenen etwa 15 Prozent nicht-versicherten Amerikanern Zugang zu medizinischer Versorgung verschaffen sollte, gegen ein besseres System eintauschen. Aus Sicht der Republikaner war Obamacare ein „Jobkiller“, weil es kleinere Unternehmer zu sehr belastete. Doch obwohl die Republikaner in den ersten beiden Jahren die Mehrheit in beiden Kongresskammern hatten, gelang es lediglich, einzelne Punkte von Obamacare zu eliminieren, darunter eine Geldstrafe für Menschen, die sich der Pflichtversicherung verweigerten. Die Gesundheitsreform des verhassten Vorgängers wurde damit zu einem Torso. Ein neues Modell ist gleichwohl nicht in Sicht. In Zeiten von Corona irritiert das auch so manche Amerikaner, die Obamacare nicht mochten. Im Wahlkampf 2020 ist die Gesundheitsreform eines der Top-3-Themen. Joe Biden verspricht in seinen Reden, Obamacare wieder zu stärken.

Auffällig ist, dass Trump, der Autor des Bestsellers „The Art of the Deal“, sich kaum einmal als „Künstler des Verhandelns“ präsentieren konnte. Kim Jong-un trickste ihn aus, Teheran reagierte nicht auf seine Stärke, mit China gab es nach wechselseitigen Zollerhöhungen vorläufige Vereinbarungen, die alle Zeichen eines Kompromisses tragen, aber Trump nicht als Sieger vom Verhandlungstisch aufstehen ließen.

Nein, Trump versteht sich nicht auf die Kunst des Deals, sondern erzielte vor allem dort eindeutige Erfolge, wo er das geopolitische Gewicht der USA instrumentalisieren konnte, etwa im Umgang mit den NATO-Verbündeten. Das erinnert an die Expansionspolitik des französischen Königs Ludwig XIV. im 17. Jahrhundert, der im Niederländisch-Französischen Krieg siegte, aber um den Preis, fast ganz Europa gegen sich vereint zu haben.

Trump, der „Populist“

Trumps Aufstieg wird gern als „Erstarken des Populismus“ etikettiert, aber damit nicht erklärt. Was genau ist Populismus, und warum ist das Phänomen plötzlich weltweit so erfolgreich geworden? Es gibt leider viel Anlass für den Verdacht, dass die politischen Kräfte, die sich nicht als populistisch, sondern als rational betrachten, in den Jahren und Dekaden vor der aktuellen Entrüstung über den Populismus zu viele reale Probleme ignoriert haben.

Auch in den USA gehörte die Angst vieler Menschen vor unkontrollierter Einwanderung zu der Thematik, die man als populistisch bezeichnet. Trump hat diese Probleme nicht gelöst. Aber er hat sie benannt und sich ihrer angenommen, auch durch den in Teilen realisierten Mauerbau. Warum sollte eine sichere Außengrenze illegitim sein? In Deutschland und Europa wären manche rechte oder gar rechtsradikale Parteien kaum zu dominierenden Größen geworden, hätten die „rationalen“ Politiker früher begriffen, dass eine weitgehend beliebige Migration, insbesondere in die Sozialsysteme, gerade jene Menschen nicht unberührt lässt, die in den sozial schwächeren Stadtteilen mit den Neuankömmlingen um knappen Wohnraum und rare Jobs konkurrieren. Wäre eine solche Politik auch im Kanzleramt früher bejaht worden, hätte sich zudem der „Brexit“ und damit eine massive Schwächung Europas verhindern lassen.

Eine aus den Fugen geratene Welt

Die Welt ist lange vor Trump partiell aus den Fugen geraten. Aber der 45. US-Präsident hat die letzten vermeintlich sicheren Leitplanken demontiert, darunter das Vertrauen in die Stabilität der NATO und in die Führung des Westens durch ein demokratisches und liberalen Ideen verpflichtetes Amerika. Trump hat die Welt verrückt. Sie wird nach ihm, ob nun ein neuer Präsident 2021 oder erst 2025 antritt, nicht wieder so werden, wie sie vorher war. Die Amerikaner wollen nicht mehr „Weltpolizist“ sein, die Kriege im Nahen Osten und in Afghanistan haben sie erschöpft – zumal in Zeiten, in denen zu viele Verbündete bei den Verteidigungsausgaben gespart haben, um die Sozialetats aufblähen zu können. Trumps Forderung nach einer fairen Lastenverteilung wird, sicher in einer zivilisierteren Form, auch von der nächsten Administration erhoben. Trump hat eine neue Realität geschaffen, die nicht verschwinden wird, vor allem nicht dadurch, dass wir die Augen vor ihr verschließen. Das mag kein Grund zur Freude sein. Aber noch weniger ist es Anlass zur Resignation.

• Ansgar Graw ist Herausgeber des Meinungs- und Debattenmagazins „The European“ sowie des Satiremagazins „Pardon“. Zuvor war er unter anderem acht Jahre lang als politischer Chefkorrespondent für „Die Welt“ und „Welt am Sonntag“ in Washington und in den USA tätig und hat dort Donald Trump wie Joe Biden aus nächster Nähe beobachtet. Begonnen hat er seine journalistische Laufbahn beim „Ostpreußenblatt“. Der Artikel basiert auf Auszügen aus dem Buch „Trump verrückt(e) die Welt“.


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Kommentare

sitra achra am 29.10.20, 14:39 Uhr

Na, dann geben wir Donald doch die Chance, seine Versprechungen in der zweiten Legislaturperiode zu verwirklichen! Mit den verkommenen Democrats würden die USA noch weiter absteigen. Wollen wir das wirklich?
Übrigens, wenn ich rachsüchtig wäre (was ich auch bin), würde ich Merkel und Co. gegen Donald eintauschen.
Dann würden die USA endgültig abgeschafft, so wie Restdeutschland derzeit.

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