06.11.2024

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Suchen und finden

Südtirol

Verzauberte Zwerge

Zu Besuch im Pustertal bei Bruneck – Erst sattgegessen mit Kuchen, dann sattgesehen an irdenen Pyramiden

Uschi von Grudzinski
02.11.2021

Das Dorf Oberwielenbach (Vila di Sopra) sucht man auf gängigen Südtirol-Landkarten vergebens. Aber es soll in der Nähe von Bruneck liegen und zur Gemeinde Percha gehören, in einem Seitental des Pustertals. Und da finden wir immerhin eine Oberwielenbacher Straße. Das kann ja nicht so verkehrt sein, denken wir, und folgen dem Straßenverlauf, schlängeln uns durch satt-grüne Wiesen immer höher und höher, durch Percha hindurch und darüber hinaus. Ob wir wohl noch richtig sind?

Gut, dass Theresia bei uns ist! Die Osttirolerin hatte die Idee zu diesem Ausflug zum Pyramiden-Café in Oberwielenbach, denn sie war schon mal da. „Das ist zwar sehr lange her, aber ich erinnere noch, dass es irgendwo da oben ist“, sagt sie und zeigt rechts, auf die andere Seite eines Taleinschnitts, in unbestimmte Entfernung. „Auf jeden Fall können wir den Schildern zu den Erdpyramiden folgen. Dann sind wir auf der richtigen Spur.“

Denn in der Nähe dieses Naturdenkmals soll es sein, unser heutiges Ziel: Waltraud Tschurtschenthalers einzigartiges Kuchen-Paradies.

Ein paar Kilometer weiter, etliche Meter höher und diverse Kurven später stehen wir tatsächlich davor. Blitzsauberes Häuschen, große Sonnenterrasse mit Blick übers Tal und im Gastraum ein riesiges Kuchenbuffet mit sage und schreibe 20 verschiedenen Torten, von denen eine wie die andere einen Schönheitspreis der Konditoren-Innung verdient hätte.

Waltraud, ihr Pyramiden-Café und ihre Torten sind über die Landesgrenzen hinaus berühmt. Die Südtirolerin hat sich nicht nur in ihrer Heimat in die Herzen der Menschen gebacken. Auch aus Deutschland und Österreich kommen Gäste zum Kuchen-Schlemmen ins Café im 300-Seelen-Dorf.

Wally, wie sie liebevoll genannt wird, ist der Prototyp einer energiegeladenen Frau. Immer aktiv, immer unter Strom, praktisch, tatkräftig, unermüdlich und mit einem großartigen Humor gesegnet. Der Spruch „Geht nicht, gibt's nicht“ könnte von ihr sein.

Als sie 1989 beschloss, mit ihrem Mann Norbert im Haus der Schwiegereltern ein Café zu eröffnen und alle Kuchen selbst zu backen, wunderte sich sogar die Mutter. Ihre Tochter hatte die Handelsschule abgeschlossen und als Sekretärin im Sport- und Kurhotel Bad Moos in Sexten gearbeitet. Aber Backen?

Auf ihre Frage: „Wie willst du das denn machen? Du hast doch noch nie einen Kuchen gebacken!“, antwortete Wally zuversichtlich: „Das wird man ja wohl lernen können.“ Und sie lernte, trug Rezepte zusammen, entwickelte eigene Kreationen, achtete auf leichte Zutaten. Die wichtigsten: Fantasie und Liebe.

Auch den Freunden, die davor warnten, am „Arsch der Welt“ (O-Ton Wally), könne so ein Café doch gar keinen Erfolg haben, entgegnete sie optimistisch: „Ihr werdet sehen: Auch am Arsch ist ordentlich was los.“

Zumindest, wenn Wally in der Nähe ist. Denn der Tagesablauf der Mutter zweier Töchter lässt keine Lücken. „Ich stehe jeden Morgen um 5 Uhr auf und backe 20 bis 23 Torten. Wenn ich damit durch bin, führe ich mit Norbert das Café. Oft ist auch eine meiner beiden Töchter dabei. Wir haben gut zu tun.“ Längst haben die Tschurtschenthalers nicht nur Kuchen im Angebot. Auch ihre warme Küche ist gefragt. Gerichte mit Pfifferlingen und Steinpilzen sind der Renner.

Doch zurück zu den Torten-Kreationen, deren Rezepte Wally inzwischen in drei Büchern zusammengefasst hat. Auch das auf ihre ganz eigene Art. Mit kleinen, amüsanten Geschichten aus ihrem Leben. Und die sind liebevoll, persönlich und einzigartig erzählt. Jedes einzelne Rezept trägt den typischen Wally-Stempel, von der Maulwurftorte über die Gewittertorte bis zur Schoko-Minze-Torte. Originell, erstaunlich unkompliziert zu backen, wunderschön anzusehen. Ihre Bücher machen tatsächlich Lust aufs Backen. Und das Kuchenbuffet im Pyramiden-Café Lust auf süße Sünden.

Damit jeder Gast möglichst viele der Kreationen probieren kann, bietet Wally ein Torten-Tris an. Dafür kann man sich aus dem Kuchenangebot drei verschiedene Sorten aussuchen, die dann in etwas schmaleren Stücken auf den Teller wandern. Und weil hier alles mit leichter Hand gemacht wird, können es auch gern mal fünf verschiedene Kuchenstücke sein.

Wer nach dem Kuchenschmaus (oder wahlweise auch davor) klugerweise ein paar Schritte tun will, ist mit einer Wanderung zu den Erdpyramiden bestens bedient. Der liebevoll angelegte Pyramidenpfad führt rund zwei Kilometer durch Wald und Wiesen. Gut 180 Höhenmeter sind zu überwinden. An der Strecke immer wieder Informationen, Fragen und Antworten, teils in Fels geritzt, Steinmännchen, Infos zu verschiedenen Gesteinsarten und spielerische Aufgaben für Kinder.

Am Ziel bietet ein kleiner, privat angelegter Park mit mehreren Aussichtsplattformen den Blick auf die bis zu 30 Meter hohen Erdpyramiden. Eindrucksvolle Wunder der Natur, die im wechselnden Licht des Tages unterschiedliche Farben annehmen.

Auf Informationstafeln wird erklärt, wie die Säulengebilde mit dem Stein obendrauf entstanden sind: im Laufe mehrerer Jahrhunderte durch Erdrutsche und Erosionen.

Manche neigen aber eher dazu, der Legende Glauben zu schenken, die man sich in Percha erzählt: dass es sich bei den steinernen Pyramiden um von einer Hexe wegen ihrer unstillbaren Gier verzauberte Zwerge handelt.

• Wallys Backbücher Nach „Back Dich glücklich“ und „Wallys Kuchenzauber“ erschien 2020 „Wallys Kuchenparadies“ (Athesia Verlag, 176 Seiten, 19,90 Eur0)


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