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Im dritten Anlauf klappte es: Der Marsch am 21. März 1965 mit Martin Luther King (Mitte) kurz vor dem Ziel, dem State Capitol Builing in Alabamas Hauptstadt Montgomery
Bild: picture-alliance/dpa/UPIIm dritten Anlauf klappte es: Der Marsch am 21. März 1965 mit Martin Luther King (Mitte) kurz vor dem Ziel, dem State Capitol Builing in Alabamas Hauptstadt Montgomery

US-Bürgerbewegung

Vier-Tage-Marsch in die Freiheit

Wille, Glaube und das Recht siegten beim berühmten Marsch von Selma nach Montgomery über blutigen Rassismus

Jens Eichler
22.03.2025

Zu wählen ist ein demokratisches Grundrecht. Es ist eine Basis der Demokratie und damit Recht und ebenso ein Stück weit Bürgerpflicht eines jeden Staatsbürgers, der das Glück hat, in einer funktionierenden Demokratie zu leben. Während in Deutschland allein bei der Bundestagswahl 2025 rund 20 Prozent der 59,2 Millionen Wahlberechtigten nicht zur Wahl gingen – das entspricht knapp zwölf Millionen –, würden andere für dieses Recht wiederum sogar ihr Leben opfern. Wie beispielsweise Jimmy Lee Jackson, ein junger Schwarzer aus Selma im US-Bundesstaat Alabama.

US-Präsident Lyndon B. Johnson hatte noch im Juli 1964 den Civil Rights Act unterzeichnet. Ein Bürgergesetz, das Diskriminierung aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Religion, Geschlecht oder Herkunft verbietet und insbesondere das Wahlrecht diesbezüglich mit einbezieht. Doch sah die Realität oftmals anders aus. Gerade die Südstaaten mit ihrer langjährigen Geschichte der Sklavenhaltung von schwarzen Menschen taten sich schwer mit der Umsetzung des Gesetzes, vielmehr versuchten die Weißen die gesetzlichen Vorschriften zu umgehen.

So knüpfte man in Alabama beispielsweise an die Wahlberechtigung ein paar Bedingungen und ließ sich perfide Tests einfallen: Die Steuerklasse wurde ebenso bewertet wie Lese- und Schreibkenntnisse sowie Wissens- und Verständigungsprüfungen. Ziel war es, schwarze Wähler aufgrund des niedrigen Bildungsniveaus von der Wahl fernzuhalten. Und sollte es doch mal einer schaffen, dann half der Ku-Klux-Klan (KKK) schlagkräftig nach. Auch die Polizei ging nicht zimperlich zu Werke, sondern knüppelte eisenhart auf Schwarze ein, die nur ihr Wahlrecht ausüben oder sich registrieren lassen wollten. Von damals rund 1,3 Millionen in Alabama lebenden Schwarzen waren nur 15.000 – eben wegen der Steuerklasse – auf dem Papier wahlberechtigt, doch nur 300 Schwarzen registriert.

Als eine Gruppe Afroamerikaner im Februar 1965 gegen die Repressalien friedlich demonstrieren wollte, gingen Polizei und KKK-Anhänger derart brutal auf die Demonstranten los, dass der Diakon Jimmy Lee Jackson an den Folgen seiner ihm zugefügten schweren Verletzungen starb.

Es brodelte. Denn was nützten Gesetze, wenn die Mehrheit nicht davon profitieren konnte? Eine Volkszählung in Alabama hatte nur wenige Monate zuvor deutlich gemacht, wer in diesem Bundesstaat die Mehrheit besaß: Rund 57 Prozent der Einwohner waren Schwarze.

Polizei als Horde brutaler Schläger
Der Widerstand formierte sich bereits wenige Tage nach dem Tod von Jackson. Man wollte die Unterdrückung und das Verweigern der Grundrechte zulasten der Schwarzen nicht mehr länger erdulden. Kurzerhand wurde man am 7. März aktiv. Ein friedlicher, unbewaffneter Protestmarsch setzte sich in Selma Richtung Alabamas Hauptstadt Montgomery in Bewegung. Doch weit kamen die versammelten etwa 600 Bürgerrechtler nicht. Kurz hinter der Edmund-Pattus-Brücke, die ironischerweise nach einem KKK-Mitglied benannt ist und wenige Kilometer hinter der Stadtgrenze Selmas als Highway 80 über den Alabama River führt, war Schluss.

Denn dort wartete John Cloud, der Bürgermeister von Selma. Er fordert die Menge zum Umkehren auf und erinnerte sie daran, dass die Versammlung nicht genehmigt sei. Als die Demonstranten nicht sofort umdrehten, schlug Sheriff Jim Clark, der eine Eskalation der Situation kaum erwarten konnte, mit seinen Kollegen zu. Clark, ein hasserfüllter Rassist, Mitglied der Demokratischen Partei (bis zu seinem Tod 2007) und absoluter Verfechter der Rassentrennung, ließ ohne Vorwarnungen brutal auf die in Panik geratenden Demonstranten einprügeln. Sogar unter Strom stehende Viehtreiber kamen zum Einsatz ebenso wie Tränengas. Frauen, Jugendliche, wehrlose auf dem Boden liegende Männer – immer wieder traten und schlugen die Beamten rücksichts- und hemmungslos zu. Nicht umsonst ging dieser für die USA traurige Tag als „Bloody Sunday (blutiger Sonntag) in die Geschichte ein.

Doch auch nach diesem furchtbaren Geschehnis will man sich nicht unterkriegen lassen, will Rechtlosigkeit nicht mehr länger hinnehmen. Und so versuchen es die Protestler nur zwei Tage später, am 9. März, erneut. Gleiche Route, gleiches Ziel – man will nach Montgomery vor das dortige Rathaus ziehen. Einen Unterschied gibt es allerdings beim zweiten Anlauf doch. Diesmal ist der berühmte Friedensnobelpreisträger und Bürgerrechtler Martin Luther King mit von der Partie und läuft in der erste Reihe.

Doch auch vor seiner Anwesenheit knicken die Offiziellen von Selma, allen voran Sheriff Clark und seine blutrünstige Beamtenmeute, nicht ein. Die Demonstration wird gestoppt, eingekesselt, und bevor die Situation erneut eskaliert, drehen die Protestler um. Dabei werden laut Gebete aufgesagt und gesungen.

Vom Richter genehmigter Marsch
Doch immer noch ist Aufgeben keine Option. Und auch King sowie andere namhafte schwarze Bürgerrechtler bleiben treu an der Seite der sich formierten Bewegung. Am 21. März soll es dann im dritten Anlauf endlich klappen. Wieder startet der Marsch von Selma nach Montgomery. Tausende sind auf der Straße. Diesmal aber nicht nur Schwarze, auch Weiße mischen sich unter die Demonstranten. Priester, Funktionäre und ebenso anständige weiße Bürger aus allen Teilen der USA. Noch etwas ist diesmal anders: Ein Richter hat den Marsch offiziell genehmigt und in Washington ist man hellhörig geworden und hat Armee und Nationalgarde zum Schutz der Demonstranten nach Alabama geschickt. Und diesmal kommen sie alle an – heil, unversehrt. Am 24. März wird das Ziel nach 86 Kilometern erreicht. 25.000 Menschen stehen nun vor dem State Capitol Building von Montgomery und hören ihr Idol, Martin Luther King Jr., sagen: „... die Welt weiß heute, dass wir hier sind und vor den Mächtigen in Alabama stehen. Und niemand wird uns dazu bringen umzukehren!“

Fünf Monate später unterzeichnete Präsident Johnson ein neues Wahlrechtsgesetz – den Civil Voting Act. Es war ein Erfolg , der dem Durchhalten der Bürger von Selma zu verdanken ist. Es war ein erster Schritt, wenngleich der Weg noch weit war. Denn im Zusammenhang mit den Märschen starben zwei weitere Menschen. Der Geistliche James Reeb wurde nach dem zweiten Marsch von KKK-Mitgliedern ermordet. Später werden die Täter von einer komplett weißen Jury freigesprochen. Am 25. März ermorden Mitglieder des Klans zudem Viola Fauver Liuzzo. Sie hatte Teilnehmer des dritten Marsches von Montgomery nach Selma zurückgefahren. Ihre Mörder wurden wegen „Verletzung ihrer Bürgerrechte“ zu jeweils zehn Jahren Haft verurteilt.


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