Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Die Elektrifizierung Ostpreußens begann bereits vor knapp 140 Jahren mit einem kleinen Wasserkraftwerk
Die Geschichte der Elektrifizierung Ostpreußens begann bereits im Jahr 1886. Vorreiter war dabei die Stadt Darkehmen am Fluss Angerapp. Hier entstand ein erstes kleines Wasserkraftwerk mit 0,5 Megawatt Leistung, welches Strom für die Straßenbeleuchtung lieferte.
Nur vier Jahre später zog Königsberg nach. Das dortige Wasserkraftwerk im Mühlengrund, dessen Bau über eine Million Mark gekostet hatte, versorgte gleich mehrere Stadtteile mit Energie. Durch die Indienststellung der elektrischen Straßenbahn zum 31. Mai 1895 und die Gründung immer neuer energiehungriger Industrieunternehmen war es in der Folgezeit nötig, zusätzliche Kraftwerke in Betrieb zu nehmen. Diese befanden sich im später eingemeindeten Vorort Hufen, in den beiden westlichen Stadtteilen Kossen und Rathshof sowie an der östlichen Stadtgrenze bei Liep. In ihnen wurde allerdings Kohle verstromt.
Weitere Wasserkraftwerke zur Versorgung lokaler Abnehmer entstanden ab 1900 in Tilsit, Insterburg und Allenstein sowie bei Lasdehnen nahe der Grenze zu Litauen an der Scheschuppe, einem Nebenfluss der Memel. Dazu kamen die zwei Wasserkraftwerke an der Pissa bei Gumbinnen und im Dorf Gerwischkehmen neun Kilometer nordwestlich des ersten Standorts.
Russlands Bevölkerung staunte über den Fortschritt Ostpreußens
Die hier erzeugte Energie reichte aus, um den gesamten Nordosten von Ostpreußen mit Strom zu versorgen, was für die damalige Zeit durchaus aufsehenerregend war. Insbesondere zeigten sich Besucher aus Litauen und Russland immer wieder höchst erstaunt über das hohe Maß an zivilisatorischem Fortschritt selbst in den umliegenden Dörfern.
Die im Nachgang zum Ersten Weltkrieg erfolgte territoriale Abtrennung Ostpreußens vom übrigen Deutschen Reich sowie der dennoch erfolgte wirtschaftliche Aufschwung sorgten dann ab Anfang der 1920er Jahre für mehrere große Zäsuren in der Energieversorgung der Provinz. Zum Ersten wurde nun ein Verbundnetz geschaffen, das die einzelnen lokalen Stromnetze in Ostpreußen miteinander verband. Zum Zweiten verteuerte sich der Transport der Kohle aus Schlesien für den Betrieb der Kraftwerke, welche keine Wasserkraft nutzten, derart stark, dass die Errichtung von Kohlekraftwerken ins Hintertreffen geriet. Und zum Dritten entstand 1921 die Aktiengesellschaft Ostpreußenwerk (OWAG), deren Aufgabe darin lag, den wachsenden 170.000 Kubikmeter an Dammmaterial – damit war das Wasserkraftwerk Friedland 1924 der damals größte Tieflandstaudamm Deutschlands Strombedarf zu decken, wobei die OWAG ihrerseits ab März 1923 unter dem Dach der Vereinigten Industrie-Unternehmungen AG (VIAG) agierte. Dieses Staatsunternehmen managte nun die industriellen Beteiligungen des Deutschen Reiches.
Wichtigstes Projekt der OWAG war dabei die Errichtung zweier neuer Wasserkraftwerke am Fluss Alle, der durch die Masuren und das Ermland fließt und bei Wehlau in den Pregel mündet. Ermöglicht wurden der Bau und die Verlegung der nötigen Stromleitungen durch eine großzügige Zuwendung der Reichsregierung in Höhe von 200 Millionen Mark, welche aus den vorausschauenden Bemühungen des bis März 1920 amtierenden ostpreußischen Oberpräsidenten August Winnig resultierte.
Das Wasserkraftwerk Friedland entstand zwischen 1921 und 1924 an einer Flussschleife der Alle und besaß einen Schüttdamm von 17,6 Metern Höhe und 810 Metern Länge. Das Gesamtvolumen des Dammmaterials lag bei 170.000 Kubikmetern. Damit war das Bauwerk, welches zur Bildung eines Stausees von 30 Kilometern Länge und 500 Metern Breite führte, der seinerzeit größte Tieflandstaudamm in ganz Deutschland. In dem daneben befindlichen Maschinenhaus liefen vier Turbinengeneratoren aus den Schichau-Werken in Elbing, die bis zu 30 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugen und 31 Landkreise der Provinz versorgen konnten. Dazu kam eine zweite Staustufe 20 Kilometer flussabwärts in Groß-Wohnsdorf. Der dort entstandene See hatte ebenfalls eine beachtliche Länge von 20 Kilometern und fasste bis zu 4,7 Millionen Kubikmeter Wasser.
Zum Zeitpunkt des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges waren in Ostpreußen trotz des flachhügeligen Reliefs der Landschaft insgesamt 19 Wasserkraftwerke in Betrieb. Außerdem befand sich in Friedland zusätzlich noch eine große Verteilerzentrale für die Überlandleitungen quer durch die Provinz. Wie die übrige Infrastruktur in Ostpreußen auch, erlitten die Wasserkraftwerke während der sowjetischen Invasion von 1945 diverse Schäden, wobei die Besatzungsmacht jedoch alles daransetzte, die Stromversorgung baldmöglichst wieder herzustellen, um sie für sich zu nutzen. Dies zeigt nicht zuletzt das Beispiel Friedland.
Hier wurde der Staudamm vor dem Rückzug der Wehrmacht vermint, entging dann aber aufgrund einer Kommandoaktion der Roten Armee der Sprengung. Danach fungierte die Anlage im Süden viele Jahre als Prawdinsker Wasserkraftwerk Nummer 3, bis sie schließlich 1975 wegen Turbinen- und Generatorenverschleißes stillgelegt werden musste. Ein Beweis ostpreußischer Bau- und Ingenieur-Qualität.