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Ran an die Werkbank: Azubis werden in allen Bereichen des Handwerks dringend gesucht, die Karriere-Perspektiven sind bestens
Bild: mauritius images/Westend61Ran an die Werkbank: Azubis werden in allen Bereichen des Handwerks dringend gesucht, die Karriere-Perspektiven sind bestens

Handwerk

Volle Auftragsbücher trotz längster Wirtschaftsflaute

Während in anderen Branchen Jobabbau und Arbeitsplatzverlagerung ins Ausland drohen, sucht das Handwerk händeringend Nachwuchs und Fachkräfte

Hermann Müller
25.03.2025

Deutschland befindet sich in der längsten Wirtschaftskrise seit 1949. Bereits mit der Coronakrise 2020 hat die Wirtschaft den langfristigen Wachstumstrend verlassen, so die Diagnose des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW). Trotz der jahrelangen Flaute suchen überall Handwerksbetriebe nach Arbeitskräften.

Nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) waren Ende Dezember des vergangenen Jahres bundesweit im Bereich Handwerk 125.500 offene Stellen bei den Arbeitsagenturen gemeldet. Der ZDH geht sogar von einem Bedarf im Bereich von deutlich über 200.000 Fachkräften aus, da nicht alle Handwerksbetriebe auch alle offenen Stellen an die Bundesagentur melden. Obendrein blieben vergangenes Jahr 19.000 Lehrstellen mangels geeigneter Bewerber unbesetzt.

Zum Vergleich: Bundesweit werden derzeit rund eine Million Betriebe mit rund 5,6 Millionen Beschäftigten zum Handwerk gezählt. Vor dem Hintergrund einer seit vier Jahren dauernden Wirtschaftsflaute ist die aktuelle hohe Zahl von Jobangeboten und Ausbildungsmöglichkeiten eigentlich erstaunlich. Andere Branchen melden Stellenabbau und Verlagerungen ins Ausland.

Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks beklagt ein „stilles Sterben“ von Handwerksbetrieben. Neben Bürokratie und Energiekosten, etwa im Bäckerhandwerk, spielt dabei auch das Fehlen von Handwerksmeistern eine Rolle, die einen bestehenden Betrieb weiterführen wollen. Wie viele andere Bereiche der deutschen Gesellschaft wird auch das Handwerk das Ausscheiden der sogenannten Boomergeneration aus dem Arbeitsmarkt mit voller Wucht zu spüren bekommen. Der ZDH schätzt, dass bereits bis 2030 etwa 125.000 Handwerksbetriebe einen neuen Chef suchen müssen. Bis 2045 werden es nach Verbandsangaben sogar rund 450.000 Betriebe sein, für die ein Nachfolger gefunden werden muss.

KI und Digitalisierung sind keine Bedrohung für das Handwerk
Auch aus einem anderen Grund kann es für junge Menschen eine kluge Entscheidung sein, einen Handwerksberuf zu erlernen: Das Handwerk ist weit weniger als die Industrie von der Verlagerung ins Ausland betroffen. Die Produktion eines Autozulieferers lässt sich einfach in ein Billiglohnland verlagern. Ein Friseur oder ein Dachdecker wird immer die örtliche Nähe zu den Kunden benötigen.

Zudem werden Digitalisierung und Künstliche Intelligenz die Berufsaussichten im Handwerk weit weniger beeinflussen als etwa im Bereich akademischer Berufe. Eine Studie der US-Denkfabrik Brookings Institution kam schon 2019 zu dem Schluss, dass die Jobs von studierten Arbeitnehmern in Zukunft sehr viel stärker gefährdet sein werden als die von Arbeitskräften ohne akademische Ausbildung. Routinemäßige geistige Arbeiten lassen sich viel leichter durch Künstliche Intelligenz ersetzen als etwa die Reparatur einer Wasserleitung.

Dessen ungeachtet ist der Trend zu einer akademischen Ausbildung noch immer ungebrochen. Viele Eltern wollen, dass ihre Kinder Abitur machen und ein Studium absolvieren. Wie sich vor Kurzem in Berlin gezeigt hat, passiert dies zum Teil sogar auf Biegen und Brechen. Als im April 2023 die CDU-Politikerin Katharina Günther-Wünsch das Bildungsressort übernahm, stellte allein schon dieser Schritt für hauptstädtische Verhältnisse eine Revolution dar. Das Bildungsressort war nämlich seit Januar 1998, also 27 Jahre lang, immer mit SPD-Politikern besetzt gewesen.

Günther-Wünsch, die selbst Studienrätin an einer Neuköllner Schule war, hat als Schulsenatorin eine Entscheidung getroffen, die ein Teil der Eltern offenbar als Ungeheuerlichkeit empfindet: Sie hat die Zugangsvoraussetzungen für die Berliner Gymnasien verschärft. Um das Niveau der gymnasialen Ausbildung zu verbessern, hat die Bildungsverwaltung festgelegt, dass Schüler mindestens einen Durchschnitt von 2,2 aufweisen müssen. Bislang war ein Schnitt von zumindest
2,7 gefragt. Für Schüler mit schlechterem Durchschnitt hat die Senatsbildungsverwaltung die Möglichkeit geschaffen, im Rahmen eines Probeunterrichts eine Gymnasialempfehlung zu erhalten.

Fürs Gymnasium völlig ungeeignet
Das Ergebnis des Tests fiel desaströs aus: 97,4 Prozent schafften die Hürde des Probeunterrichts nicht. Von 1937 Grundschülern genügten nur 50 den Anforderungen fürs Gymnasium. Linkspartei, Grüne und die Lehrergewerkschaft GEW übten aber nicht Kritik an den Fehlentwicklungen im Schulsystem. Kritisiert wurde Schulsenatorin Günther-Wünsch. Es war von einem unverantwortlichen Experiment die Rede; viele Eltern wollen sich nun den Gymnasialzugang für ihre nicht geeigneten Kinder gerichtlich einklagen. Genau das ist das Dilemma.


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Kommentare

Gregor Scharf am 25.03.25, 18:13 Uhr

Der Notendurchschnitt spricht für sich. Zum Vergleich: Die Zulassung für die EOS (Erweiterte Oberschule in der DDR) lag bei mindestens 1,4. Alles darunter war chancenlos. Dann gab es noch die Berufsausbildung mit Abitur. Auch hier brauchte man mit einer 1,5 nicht antanzen. Leistung wurde gefordert und gefördert. Mit meiner 1,2 wartete trotzdem kein Studienplatz auf mich wegen Nichtparteizugehörigkeit und nur 18-monatigem Grundwehrdienst. Dadurch studierten dann wieder die Mitläufer und Opportunisten in großer Zahl, was langfristig den Staat ebenfalls zerrütten musste. Ideologie vor Bildung und Können - die Krankheit haben wir hier schon wieder. Wo es hinführt ist bekannt.

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