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Erst kriminell, dann gläubig, radikal-islamisch und zu guter Letzt humaner Menschenrechtler. Vor 100 Jahren, am 19. Mai 1925, kam Amerikas extremistischste Ikone in Omaha im Bundesstaat Nebraska zur Welt
Malcolm Little war eine der prägendsten und zugleich umstrittensten Figuren der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung des 20. Jahrhunderts. Hieß er mit Nachnamen übersetzt auch „klein“, hinterließ er in seinem Leben umso größere Fußspuren mit bleibenden Eindrücken. Die Gründe hierfür sind sicherlich in seiner ersten Lebensphase zu finden. Denn sein Leben war geprägt von tiefgreifenden Wandlungen: vom kriminellen Jugendlichen zum charismatischen Prediger der Nation of Islam, vom radikalen Separatisten zum Verfechter universeller Menschenrechte. Seine Geschichte ist nicht nur eine persönliche Reise, sondern spiegelt irgendwie auch die Kämpfe und die Hoffnungen einer ganzen Generation wider – insbesondere der schwarzen.
Frühe Jahre: Verlust, Armut und Identitätssuche
Malcolms Kindheit war von Instabilität und Tragödien geprägt. Sein Vater, ein Baptistenprediger und Unterstützer von Marcus Garveys „Back to Africa“-Bewegung, wurde 1931 unter mysteriösen Umständen getötet – offiziell durch einen Straßenbahnunfall, doch die Familie vermutete Mord durch weiße Rassisten. Ein Gerücht, das sich bis heute trotz intensivster Nachforschungen nicht bestätigt hat, aber dennoch hartnäckig hält.
Nach dem Tod des Vaters zerbrach die Familie an dem Schicksal: Die Mutter erlitt einen Nervenzusammenbruch und wurde in eine psychiatrische Klinik eingewiesen; die Kinder wurden in Pflegefamilien untergebracht. Malcolm wuchs in einer weißen Pflegefamilie auf und erlebte früh die Grenzen des amerikanischen Traums für Schwarze. Trotz schulischer Exzellenz wurde ihm geraten, lieber keine akademische Laufbahn anzustreben. „Neger sind zum Arbeiten und nicht zum Denken geboren!“, soll ihm sein Lehrer beim Überreichen des Highschool-Abschlusszeugnisses gesagt haben. Sein Rat: Malcolm solle lieber einen handwerklichen Beruf ergreifen. Für den Musterschüler indes eine bittere Lektion über die rassistischen Schranken seiner Zeit.
Abstieg und Transformation
In den 1940er Jahren geriet Malcolm in Boston und Harlem zunehmend auf die schiefe Bahn. Er bewegte sich in kriminellen Kreisen, wurde wegen Einbruchs verhaftet und zu zehn Jahren Haft verurteilt. Doch im Gefängnis erlebte er eine tiefgreifende Wandlung: Durch die Briefe seiner Geschwister lernte er die Lehren der Nation of Islam kennen, die ihn tief beeindruckten. Er schloss sich der Bewegung an, legte seinen Namen Little ab, den er jetzt als „Sklavennamen“ brandmarkte, und nannte sich fortan Malcolm X – wobei das „X“ den verlorenen afrikanischen Familiennamen symbolisieren sollte.
Aufstieg zum Sprecher
Nach seiner Haftentlassung im Jahre 1952 wurde Malcolm X schnell zu einem der prominentesten Sprecher der Nation of Islam. Er gründete neue Tempel, hielt leidenschaftliche Reden und gewann zahlreich Anhänger. Seine beeindruckende Rhetorik war dabei scharf und nahezu kompromisslos. Das Hauptziel seiner Wut, seiner Feindschaft und seiner dabei überschäumenden Polemik war natürlich die weiße Gesellschaft, die er als unterdrückerisch anprangerte. Voller Inbrunst forderte er seine „schwarzen Brüder und Schwestern“ auf, endlich Stolz und Selbstbewusstsein zu entwickeln. Im Gegensatz zur gewaltlosen Strategie von Martin Luther King Jr. propagierte Malcolm X das Recht auf Selbstverteidigung und betonte die Notwendigkeit der Selbstbestimmung der Schwarzen – auch unter Anwendung von Gewalt.
Spirituelle Erneuerung
Trotz seines Erfolgs innerhalb der Nation of Islam wuchs Malcolms Unzufriedenheit mit der Organisation. Er kritisierte die autoritäre Führung und die moralischen Verfehlungen von Elijah Muhammad. Niemand konnte es ihm recht machen, aber am wenigsten er sich selbst. Im Jahre 1964 trennte er sich daher von der Bewegung und gründete die Muslim Mosque Inc. sowie die Organization of Afro-American Unity (OAAU). Im selben Jahr unternahm er eine Pilgerreise nach Mekka, die sein Weltbild grundlegend verändern sollte. Für ihn stellte sich das Scheinbild dar, als ob er angeblich eine intakte, friedliche Gemeinschaft von Muslimen aller Hautfarben erleben würde. Dieser Irrglaube bestärkte den verblendeten US-Amerikaner nun in seiner Gewissheit an die Möglichkeit einer rassismusfreien Gesellschaft. Fortan nannte er sich El-Hajj Malik El-Shabazz und setzte sich für eine internationale Solidarität im Kampf gegen Unterdrückung ein.
Zweifelhaftes Vermächtnis
Nach seiner Rückkehr in die USA engagierte sich Malcolm X verstärkt für die Menschenrechte und suchte den Dialog mit anderen Bürgerrechtsführern. Seine plötzlich wieder eher moderateren Positionen führten jedoch zu Spannungen mit ehemaligen Weggefährten. Am 21. Februar 1965 wurde er während einer Rede in New York erschossen. Drei Mitglieder der Nation of Islam wurden verurteilt, doch die genauen Hintergründe des Attentats bleiben bis heute umstritten.
Malcolm X hinterließ ein komplexes Erbe: Er war einerseits ein Symbol für schwarzen Stolz und Selbstbestimmung der amerikanischen Schwarzen, zudem ein Kritiker der weißen Vorherrschaft und ein Verfechter universeller Menschenrechte. Bei genauem Hinsehen kommt man jedoch nur schwer an der Tatsache vorbei, dass dieser schwarze Eiferer eine tragische Figur seiner Zeit war, der im Grunde für sich und seine Ethnie genau das wollte, was er bei der weißen Gesellschaft vehement beklagte, anprangerte und verurteilte: Macht, Einfluss und Wohlstand.
Die Wege scheinen ihm dabei weniger wichtig als das Ziel gewesen zu sein. Somit wurde das Leben des Malcolm X zu einer Geschichte von Transformation, Mut und unermüdlichem Einsatz für scheinbare Gerechtigkeit. Trotz seiner Egozentrik und seiner zweifelhaften Wege und Entwicklungen aber bleibt er dennoch eine der einflussreichsten Figuren im Kampf gegen Rassismus und soziale Ungleichheit – insbesondere in den USA.