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Beim diesjährigen Kulturseminar der LO stellten die Referenten eine Vielzahl ostpreußischer Themen und Traditionen vor
Wenn in Helmstedt die Kirschbäume in voller Blüte stehen, dann ist es wie jedes Jahr Zeit für den Kulturmarathon der Landsmannschaft Ostpreußen (LO). An den Start gingen 50 Teilnehmer, angeführt von acht Instruktoren. Doch die Wochenendveranstaltung hatte im Gegensatz zu einer Sportveranstaltung keine Verlierer, sondern nur Gewinner. Die Rede ist hier von dem Seminar der LO zum Thema „Ostpreußen: Land – Geschichte – Kultur“, das vom 19. bis 21. April in der Politischen Bildungsstätte Helmstedt stattfand.
Viele der Angereisten waren nicht zum ersten Mal in Helmstedt, sie nutzten den späten Freitagnachmittag für Gespräche oder um sich von der teilweise langen Anreise zu erholen. Nach dem Abendessen begann das Seminar mit der Begrüßung durch den Bundesgeschäftsführer der LO und Seminarleiter, Sebastian Husen, und der obligatorischen Vorstellungsrunde der Teilnehmer.
Den Auftakt machte Jörn Pekrul, vielen der Zuhörer als Wanderer durch Königsberg bekannt. Das Thema seines Vortrages „Königsberg – Zwischen Ober- und Unterwelt“. Und so ging es auch in seinem Bildervortrag direkt in die Pregelstadt. Als Wanderer durch Königsberg war er jedoch nicht als Hans Guck-in-die-Luft unterwegs, sondern er richtete seinen Blick auf die zahlreichen Kanaldeckel, Kanalgitter und Hydranten, die sich aus deutscher Zeit erhalten haben.
Bericht vom „Wanderer aus Königsberg“
Die Geschichten von den Plätzen, Häusern und Menschen entlang der gusseisernen Zeugen und die größtenteils künstlerischen Aufnahmen zogen die Zuhörer in ihren Bann. Das umfangreiche Bildmaterial und die locker, aber kenntnisreich vorgetragenen Erläuterungen des Referenten belegten, dass Königsberg, bis 1945 die östlichste Großstadt Deutschlands, eine moderne Metropole war, die keinen Vergleich mit im Westen gelegenen Städten zu scheuen brauchte. Hierfür stehen beispielsweise die nach dem Ersten Weltkrieg entstandenen Bauten wie das im Stil der Neuen Sachlichkeit errichte Staatsarchiv am Hansaring, der Flughafen Devau, einer der ganz frühen Verkehrsflughäfen der Welt, oder die Deutsche Ostmesse mit dem von Hanns Hopp entworfenen Haus der Technik.
Der Vortragsreigen startete am nächsten Morgen mit dem Deutschen Orden oder wie er vollständig heißt „Orden der Brüder vom Deutschen Hospital Sankt Mariens in Jerusalem“. Jürgen Sarnowsky, emeritierter Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Hamburg, stellte den Orden in der Erinnerungskultur des Preußenlandes im 19. und 20. Jahrhundert vor.
In der Romantik war die Erinnerung an den Orden ein Impuls für den Wiederaufbau der Marienburg. Die Burg spielte unter Kaiser Wilhelm II. eine wichtige Rolle in der nationalen Symbolik als ein Sinnbild deutscher Kultur und Macht im Osten. Eine andere Wahrnehmung bildete sich unter den Polen heraus. Prägend war hier der Roman Krzyżacy (wörtlich: „Kreuzträger“, im Sprachgebrauch: „Kreuzritter“) des polnischen Nobelpreisträgers Henryk Sienkiewicz. Als der Roman 1900 erschien, existierte durch die Teilung Polens bedingt seit über 100 Jahren kein polnischer Staat.
Die Beschreibung der Niederlage des Ordens in der Schlacht von Tannenberg 1410 befeuerte den polnischen Nationalstolz, deren Bild der Ordensritter und der Deutschen allgemein durch dieses Werk stark negativ beeinflusst wurde. In dieses Narrativ fügt sich lückenlos die Entscheidung des Allensteiner Stadtrats vom 7. Dezember 2023, ein Denkmal für die Preußische Huldigung von 1525 zu errichten. Der Referent konnte das vielschichtige Thema bestens vermitteln, zahlreiche Fragen beantwortete Professor Sarnowski bereitwillig im Anschluss an seinen Vortrag.
Der folgende Referent hatte einen Bezug zu Ostpreußen und schilderte diesen in knappen Worten: Mutter aus Sensburg, Vater aus Lyck. Siegmund Fröhlich stellte sein neues Buchprojekt vor. Der Titel lautet „Mit Gott, Schwert und Feuer – Preußen im Kampf mit dem Deutschen Orden“. Die Erzählung spielt Mitte des 14. Jahrhunderts im Gebiet des prußischen Stammes der Sudauer.
Der Chronist Peter von Dusburg schrieb über die Ureinwohner des Preußenlandes: „Weil sie also Gott nicht kannten, deshalb verehrten sie in ihrem Irrtum jegliche Kreatur als göttlich, nämlich Sonne, Mond und Sterne, Donner, Vögel auch vierfüßige Tiere, ja sogar die Kröte. Sie hatten auch Wälder, Felder und Gewässer, die sie so heilig hielten, dass in ihnen weder Holz zu hauen noch Äcker zu bestellen oder zu fischen wagten.“
Kämpfe zwischen Prußen und Kreuzrittern
In diese Welt einer Naturreligion drangen die Ordensritter im Zuge der Christianisierung ein. Der Autor versucht in seiner historischen Erzählung sowohl die Sichtweise eines Burghauptmanns, der eine prußische Burg verteidigt, als auch eines vom Hochmeister des Deutschen Ordens entsandten Ordensritters darzustellen. Die anschließende Lesung kam gut bei dem Publikum an, sie machte deutlich, wie der Autor die knappen historischen Quellen über das Leben der Urbevölkerung Ostpreußens in sein Werk hat einfließen lassen. Den Ausgang der Geschichte um die Bewohner der prußischen Burg im Lycker See werden wir aber erst zur Buchpremiere in zwei Monaten erfahren.
Es folgte keine sanfte Überleitung zum nächsten Referenten, sondern ein klarer Schnitt. Wie soll man schon von den Prußen auf eine Sprechwerkstatt kommen. Die Mission von Lienhard Hinz hieß „Was die erste Lerche singt – Sprechwerkstatt mit Gedichten von Agnes Miegel“. Der Sprecherzieher übte mit den Zuhörern den Klang der Vokale bei richtiger Mundöffnung, die stimmhaften Konsonanten und eine Reihe von Explosivlauten. In Gruppen wurden dann verschiedene Gedichte der Königsberger Dichterin erarbeitet. Den Abschluss bildete eine Tonaufnahme einzelner Gedichte, eingebettet in eine informative und unterhaltsame Moderation von Hinz. Eine Anleitung für die Achtsamkeit bei der Aussprache der unterschiedlichen Gedichte Miegels bildeten eine wohlklingende Einheit und motivierten die Teilnehmer, sich geistig wie körperlich aktiv zu betätigen.
Sprechübungen zu Agnes Miegels Gedichten
Eine bewährte Einheit und ein gutes Team bildeten die nächsten Referenten: Gabriela Blank, Beauftragte des Bezirks Mittelfranken für die Regionalpartnerschaft mit der Woiwodschaft Pommern, und Wolfgang Freyberg, ehemals langjähriger Direktor des Kulturzentrums Ostpreußen in Ellingen. Beide haben bereits in zahlreichen Zeitzeugenprojekten für das Kulturzentrum zusammengearbeitet.
Von Freyberg stammte die Idee eines gemeinsamen Vortrages über die Gründung der Deutschen Vereine in Ermland und Masuren nach 1989 und ihre Aktivitäten bis heute. Das geschichtliche Fundament legte Freyberg vor das eigentliche Thema. Er schilderte die Verhältnisse im südlichen Ostpreußen nach der Kapitulation der Wehrmacht, die Anfänge der polnischen Besiedlung und die Gliederung des Landes in Verwaltungsbezirke sowie das konfliktreiche Zusammenleben zwischen Deutschen und Polen.
Gründung der AGDM
Bis die Rechte der nationalen Minderheiten in Bezug auf den Gebrauch der Muttersprache und andere Regelungen 1991 aufkamen, galten die Deutschen in Polen als Menschen zweiter Klasse. Ab diesem Zeitpunkt, aber oft auch schon früher, bildeten sich deutsche Vereine. So wurde zum Beispiel die Allensteiner Gesellschaft Deutscher Minderheit (AGDM) am 4. Januar 1991 beim Gericht in Allenstein eingetragen. Den Anfang machte eine kleine Gruppe von Landsleuten, die sich in der Privatwohnung des ersten Vorsitzenden Walter Angrik traf. Von den Anfängen konnte Gabriela Blank aus erster Hand berichten, denn sie gehört seit 1993 der AGDM an. Die spätere Journalistin und Moderatorin der Allensteiner Welle bereicherte den Vortrag durch Tonaufnahmen von Zeitzeugen. Heute ist die AGDM mit dem Sitz im Kopernikushaus eine bewährte und geachtete Institution in der Stadt an der Alle.
Tradition wird groß geschrieben bei den Kulturseminaren der Landsmannschaft Ostpreußen – und so durfte auch nicht der Ostpreußenfilm im Bierkeller fehlen. Die Wahl fiel auf den von Karl Höffkes produzierten Film „Ostpreußenreise 1942“.
Auch wenn der Abend etwas länger als üblich war, fanden sich am Sonntag alle pünktlich zu den letzten zwei Vorträgen ein. Der Würzburger Pädagoge Christian Roedig ist Herausgeber und Autor von Schulbüchern, Geschichtswerken und didaktischen Handreichungen. Seine Leidenschaft gilt aber dem Theater und den Theaterschaffenden, davon zeugen einige Bücher und sein Vortragsthema: „Theater im fernen Norden – Memels Schauspielhaus zwischen Preußen, Deutschem Reich und litauischer Republik.“
Ostpreußen im Theater und Film
Roedig stellte eine Theatergeschichte vor, wie sie wechselhafter kaum sein kann. Das 1860 eröffnete Schauspielhaus in Memel überstand die unterschiedlichsten politischen Verhältnisse: bis 1918 unter dem preußischen König und deutschen Kaiser, ab 1920 unter der französischen Besatzungsmacht und von 1923 bis 1939 in der Republik Litauen sowie ab 1939 unter den Nationalsozialisten. Der Referent ging auf die Spielpläne ein und stellte Schauspieler und Autoren vor, die eng mit dem Hause verbunden waren, darunter Paul Wegener, Alfred Brust, Annelise Tiefenbach und Hermann Sudermann. Letzterer besuchte oft die Theaterpremieren, an denen es in dem Schauspielhaus nicht gemangelt hat. Alleine in der Spielzeit 1928/29 gab es innerhalb von sechs Monaten 42 Inszenierungen. Mit teilweise derben und für unsere Zeit befremdend wirkenden Zitaten aus längst vergessenen Stücken hatte der Referent die Lacher auf seiner Seite.
Tierisch ging es weiter mit Christoph Hinkelmann. Der Diplom-Biologe war von 1993 bis 2022 als wissenschaftlicher Mitarbeiter für die naturkundliche Abteilung am Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg verantwortlich. Er referierte über die Wildtierfotografie in Ostpreußen vor 1945. Die technische Ausrüstung bestimmte zu Anfang der Fotografie die Motivauswahl. Es waren meist Vögel, denen der Fotograf in seinem Versteck stundenlang auflauerte, Makro- oder Teleobjektive gab es noch nicht.
Tierfotografie mit einer speziellen Glasplattentechnik
So bediente sich Walter von Sanden einer Mentor-Spiegelreflexkamera mit Glasplattentechnik, als er als erster eine Birkenmaus fotografierte. Er erforschte die Tier- und Pflanzenwelt Ostpreußens und dokumentierte diese Erkenntnisse in zahlreichen Fotografien und ab 1933 in seinen auflagenstarken Büchern.
Der wohl bekannteste unter den vorgestellten Naturfotografen war Heinz Sielmann. Bei ihm begann alles nach dem Abitur, als er eine Filmkamera geschenkt bekam. 1938 drehte Sielmann in Ostpreußen seinen ersten Tierfilm „Vögel über Haff und Wiesen“ (noch als Stummfilm), der ihm große Anerkennung in der Fachwelt und beim Publikum einbrachte. Nach 1945 führten ihn die unzähligen Filmreisen unter anderem nach Belgisch-Kongo, auf die Galápagos-Inseln oder nach Papua-Neuguinea. Für sein Lebenswerk erhielt Sielmann zahlreiche Filmpreise, das Bundesverdienstkreuz, den deutschen Umweltpreis und 1988 den Kulturpreis der LO für Wissenschaft.
Mit dem gemeinsamen Singen des Ostpreußenliedes endete das lehrreiche und kurzweilige Seminarwochenende, das aus Mitteln der Stiftung Zukunft für Ostpreußen gefördert wurde.