Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Im Osten wusste man schon frühzeitig das Wenige, was die Böden hergaben, zu gewinnen und clever zu nutzen
Aufgrund seiner geologischen Verhältnisse als Folge der letzten Eiszeit war Ostpreußen vergleichsweise arm an Bodenschätzen – allerdings mit fünf wesentlichen Ausnahmen. So gab es zwischen der Weichsel und der Memel Unmengen von Sand und Kies, die von der Bauwirtschaft genutzt wurden. Des Weiteren lieferten Moorlandschaften wie das Große Moosbruch am Südostufer des Kurischen Haffs, die sich über den feinkörnigen, wenig wasserdurchlässigen Sedimenten der Region gebildet hatten, reichlich Torf. Nicht selten waren die Torfschichten bis zu zehn Meter dick. Im Kreis Heydekrug nahmen Moore sogar ein Drittel der Landfläche ein, weshalb hier auch die Torfstreufabrik Aktiengesellschaft präsent war. Diese belieferte den deutschen Markt mit allerlei Erzeugnissen aus Torf wie Wärmeschutzplatten, Leichtbauziegeln, Feueranzündern, Tintenwischern, Bierdeckeln und Verbandmoos.
Mit Hacke und Spaten gewinnen
Als dritter Bodenschatz fand sich in Ostpreußen an sehr vielen Stellen ein ausgesprochen hochwertiger Ton. Aus diesem wurden durch Vermischung mit Sand und Schluff Backsteine gefertigt, deren universelle Verwendung die mittelalterliche und neuzeitliche Architektur des Landes prägte, in der Naturstein eher Mangelware war. Der Bau des Königsberger Doms sowie der Marienburg und anderer großer Anlagen des Deutschen Ordens wäre ohne die reichlichen Vorkommen an dem einfach zu gewinnenden Baumaterial deutlich komplizierter gewesen. Das gilt gleichermaßen für die spätere Errichtung des Hauptbahnhofes und der Ostmesse in Königsberg. Parallel dazu ermöglichte der Ton die Herstellung von feinem Geschirr, wie es unter anderem aus der Majolika-Manufaktur von Cadinen kam.
Ebenso existierten in Ostpreußen Eisenerzvorkommen. Deren Abbau erforderte jedoch keine Bergwerke, weil es sich um sogenanntes Raseneisenerz handelte, das in feuchten, sumpfigen Gebieten durch die Ausfällung, Oxidation und Verfestigung von gelöstem Eisen im Grundwasser entsteht. Der Rohstoff liegt immer dicht unter der Erdoberfläche und kann deshalb leicht mit Hacke und Spaten gewonnen werden. In Ostpreußen kam dieses Eisen vor allen in den masurischen Kreisen Ortelsburg und Johannisburg vor. Der Deutsche Orden sorgte dafür, dass das Raseneisenerz in primitiven Schmelzöfen, Eisenhütten und Hammerwerken verarbeitet wurde. Solche Einrichtungen entstanden unter anderem bei Willenberg und entlang des Flusses Omulef. Etliche Ortschaften trugen hier deshalb auch Namen, die mit „ofen“ endeten, wie Baldenofen oder Malgaofen.
Zentnerweise eingeschmolzen
Im 18. Jahrhundert waren in Masuren noch sechs Eisenhütten in Betrieb. Dann entstand 1805 das Königliche Eisenhüttenwerk Wondollek, welches die ganze Provinz mit Eisenerzeugnissen belieferte und einen Hochofen von stattlichen elf Metern Höhe besaß. Der schluckte in den ersten 44 Wochen 30.000 Zentner Raseneisenerz mit einem Metallreingehalt von rund 33 Prozent.
Späterhin verbrauchte das Werk zwischen 650 und 4000 Tonnen Roherz, das Scharen von Eisensteingräbern anlieferten. Der Betrieb des Hochofens erforderte zudem riesige Mengen an Holzkohle, für die jährlich bis zu 6000 Festmeter Holz gefällt werden mussten. Die Eisenherstellung in dieser Region endete erst im Jahr 1880 aufgrund von Unwirtschaftlichkeit.
Und zu guter Letzt war da natürlich noch das „Gold Ostpreußens“, wie der Bernstein auch genannt wurde, dessen Vorkommen sich zu rund 90 Prozent auf den Raum um Palmnicken an der Westküste des Samlandes konzentrieren. Das dekorative verhärtete fossile Harz aus einer Zeit vor etwa 50 Millionen Jahren, welches zur europaweit begehrten Handelsware avancierte, wurde zunächst auf nichtbergmännische Weise gewonnen. Also beispielsweise durch Auflesen am Strand, Netzfischerei vor der Küste oder den Einsatz von Tauchern zum Absuchen des Meeresgrundes. Dann entstand im Jahr 1781 eine erste Bernsteingrube bei Groß Hubnicken nördlich von Palmnicken, die jedoch schon 1806 wieder schloss. Den Durchbruch erbrachte hier erst die Gründung des Unternehmens Stantien & Becker im Jahr 1858.
Noch 350 Jahre Bernstein
Dieses setzte ab 1862 bereits schwere Bagger für die industrielle Förderung der sogenannten Blauen Erde ein, welche den meisten Bernstein enthält. Dem folgte 1870 die Einrichtung eines Tagebaus an der samländischen Küste bei Wernicken und Palmnicken. Fünf Jahre später legten Stantien & Becker eine Bernsteingrube für den Untertageabbau namens „Henriette“ an, wonach 1883 die Grube „Anna“ folgte. Beide Bergwerke erwiesen sich als überaus ergiebig. Zwischen 1892 und 1896 lieferte allein die „Anna“ 500 Tonnen Bernstein pro Jahr.
1923 traten dann aber wieder übliche Tagebaue an die Stelle der Gruben. Deren Ertrag lag in der Folgezeit regelmäßig bei 400 bis 500 Tonnen jährlich. Auf ähnliche Mengen kommen heute russische Unternehmen, wobei die Besatzer nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die jährliche Förderung zunächst bis auf über 800 Tonnen hochschraubten. Experten schätzen, dass die Bernsteinvorräte im Samland beim jetzigen Abbautempo noch rund 350 Jahre reichen werden. Dann wären die „Tränen der Sonne“, wie die alten Griechen und Römer das wertvolle Harz nannten, in Ostpreußen allerdings komplett verbraucht.