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Vor dem Gasthaus Emil Ludwig in Tharau: Die Postkutsche ist soeben angekommen
Bildarchiv OstpreußenVor dem Gasthaus Emil Ludwig in Tharau: Die Postkutsche ist soeben angekommen

Reisen in Ostpreussen

Von unbefestigten Pisten zur „Reichsstraße Nr. 1“

Wolfgang Kaufmann
12.01.2021

Wer vor dem Ende des 18. Jahrhunderts von Berlin nach Königsberg, der Königlichen Haupt- und Residenzstadt in Preußen, reisen wollte, musste mit drei hinderlichen Faktoren rechnen: Unzuverlässigkeit, Unregelmäßigkeit und Langsamkeit. Verantwortlich hierfür waren unbefestigte sandige Pisten mit tief eingeschnittenen Fahrspuren, die sich bei Nässe in grundlosen Morast verwandelten. Es kam ständig zu Achsbrüchen, umstürzenden Kutschen oder Blessuren bei den Reisenden. Manchmal sollen sogar Zugpferde im Schlamm erstickt sein.
Aber die brandenburgisch-preußischen Herrscher hatten zunächst keinerlei Interesse an einer Verbesserung der Wege. Schließlich sorgte deren miserabler Zustand dafür, dass auch einmarschierende Feinde nur im Schneckentempo vorankamen – diese Lehre aus früheren Kriegen bewog selbst den sonst so innovationsfreudigen Friedrich den Großen dazu, in Passivität zu verharren. Und sein Großvater Friedrich I. hatte sogar noch die Ansicht vertreten, durch die schlechten Wege würden mehr Fuhrleute unterwegs liegenbleiben, was den Umsatz in den Gasthäusern des Landes erhöhe und zusätzliche Steuergelder in die Staatskasse spüle. Außerdem scheuten die Herrscher auch die Kosten. Für den Bau von befestigten Straßen musste man seinerzeit immerhin 40.000 Taler pro Meile (7,5 Kilometer) aufwenden.
Die Modernisierung des Wegenetzes zu Lande begann erst unter Friedrich Wilhelm II. Zum Ende des 18. Jahrhunderts wuchsen die Anforderungen an die Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur. Insbesondere musste die Geschwindigkeit der Kutschen der Fahrpostlinien, welche seit 1670 verkehrten und auch Passagiere mitnahmen, endlich spürbar erhöht werden. Deshalb entstanden ab 1788 auf Initiative des preußischen Staatsministers Alexander Friedrich Georg Graf von der Schulenburg-Blumberg durchdacht konstruierte „Kunststraßen“.
Die beiden ersten führten von Magdeburg nach Halle an der Saale und weiter bis zur Landesgrenze von Sachsen sowie von Berlin nach Potsdam. Bis zum Ausbruch des Ersten Koalitionskrieges gegen Frankreich im Jahre 1792 konnten 212 Kilometer „Kunststraße“ fertiggestellt werden. Dann sorgten die fortwährenden militärischen Konflikte für eine Stagnation des Bauprogramms.

„Kunststraßen“ für sicheres Reisen
Dessen Wiederaufnahme erfolgte erst 1814 im Rahmen der Stein-Hardenberg- schen Reformen, die zu einer rapiden Modernisierung Preußens führten. Gemäß der „Anweisung für den Bau und den Erhalt von Kunststraßen“ entstanden solche jetzt auch zwischen Berlin und Magdeburg sowie Berlin und Königsberg. Letztere, genannt „Reichsstraße Nr. 1“, wurde 1828 für den Verkehr freigegeben. Von 1815 bis 1845 investierte der preußische Staat insgesamt 35 Millionen Taler in den Bau von Chausseen. Dadurch reiste es sich nun deutlich leichter durch das Königreich, zumal mit der von dem brandenburgischen Generalquartiermeister Philip de Chiese erfundenen Berline auch ein geeignetes Gefährt für die Kunststraßen zur Verfügung stand. Der voll gefederte Wagen erfreute sich in Preußen bald höchster Beliebtheit. Postkutschen dieser Bauart für den gleichzeitigen Passagiertransport verkehrten unter anderem auf der 565 Kilometer langen Strecke Berlin-Königsberg. Die Fahrzeit betrug indes trotzdem noch zehn bis elf Tage. Und billig war das Reisen ebenfalls nicht: So kostete schon die relativ kurze Fahrt von Berlin nach Magdeburg vier Taler, also fast den gesamten Monatslohn eines Dorfschullehrers.
Weitere Verbesserungen beim Reisen ergaben sich durch die Einführung der „Geschwind-Postkutsche“ beziehungsweise Diligence im Jahre 1821. Das Gefährt konnte bis zu 15 Fahrgäste transportieren und legte dabei um die zehn Kilometer pro Stunde zurück. Damit fuhr es doppelt so schnell wie die Berline und fünf Mal schneller als die Gespanne vor 1700. Distanzen von bis zu 100 Kilometern waren nun an einem einzigen Tag zu bewältigen, weswegen die „Zeitschrift für Reisen und Reisende“ schwärmte: „Man fliegt fast vorwärts!“ Dazu kamen die enorme Pünktlichkeit und die Möglichkeit, bis zu zwei Zentner Gepäck pro Person in einem Beiwagen mitzunehmen.
Allerdings erhielt die Diligence nur wenige Jahrzehnte später Konkurrenz durch die Eisenbahn, welche ab dem 12. Oktober 1857 auch durchgängig zwischen Berlin und Königsberg verkehrte. Manche der Züge bewältigten die Strecke zwischen den beiden Städten bald in weniger als sieben Stunden. Deshalb verwundert es kaum, dass damit das „romantische Zeitalter“ des Reisens durch Preußen endete.


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