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Grafik: Uwe Jörg Schmickt

Stadtgeschichte

Vor 470 Jahren erhielt Tilsit das Stadtrecht

Am 2. November 1552 verlieh Herzog Albrecht das Fundationsprivileg

Uwe Jörg Schmickt
16.11.2022

Für die ehemaligen Bewohner der Stadt Tilsit gab es am 2. November einen ganz besonderen Anlass, um mit Sehnsucht und Wehmut ihrer Heimatstadt in Ostpreußen zu gedenken: das 470. Jubiläum der Stadtgründung von Tilsit.

Aus diesem Grund besuchte eine Delegation der Stadtgemeinschaft Tilsit e.V. am Jubiläumstag das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin, um dort das Original einer 1552 beglaubigten Abschrift der historischen Stadtgründungsurkunde von Tilsit zu besichtigen.

Daher möchten wir heute einmal auf die beeindruckende Geschichte der Stadtwerdung Tilsits im Laufe der Jahrhunderte zurückblicken.

Zeugnisse früher Besiedelung

Bereits über 1500 Jahre vor der Stadtgründung Tilsits existierte dort eine Besiedelung an der Memel, bezeugt durch Ausgrabungen eines kaiserzeitlichen Gräberfelds in den Jahren 1936 bis 1940. Diese frühen Funde belegen, dass sich an der Stelle eine Nekropole, das sogenannte „Tilsit-Splitter“, bereits ab 50 bis 150 n. Chr. bis zur späteren Völkerwanderungszeit befand.

Auch im Gräberfeld von Bendiglauken, auf einer Anhöhe an der Stadtgrenze zu Tilsit, wurden 1910 durch die Altertumsgesellschaft Prussia unter Leitung von Prof. Adalbert Bezzenberger entsprechende Altertumsfunde gemacht. Römische Kupfer- und Bronzemünzen, Fibeln, Lanzenspitzen, Armbänder, Perlen und weitere Schmuckgegenstände verweisen auf weitreichende wirtschaftliche Handelsbeziehungen.

Prußen als erste Anwohner

Seit frühgeschichtlicher Zeit bewohnten die westbaltischen Prußen, auf die der spätere Staatsname Preußen zurückgeht, in zwölf Stammesgebieten die Region. Die Schalauer, der nördlichste der zwölf Stämme, lebten beidseits der unteren Memel und somit auch im Tilsiter Gebiet. Mit der Unterwerfung der Prußen durch den Deutschen Orden in den Jahren 1231 bis 1283 wurden letztendlich auch die bis dahin prußisch-heidnischen Schalauer christianisiert. Nachdem 1249 der Christburger Friedensvertrag zwischen dem Deutschen Orden und den Prußen geschlossen war, bekamen einige wenige Prußen zum Teil weitreichende Freiheitsrechte zugesprochen und erhielten Landverschreibungen. Das erste Landesprivileg in der Gegend von Tilsit wurde 1281 an den Schalauer Jondele Schalwithe ausgestellt.

In den Wegeberichten des Ordens aus den Jahren 1384 bis 1393 wird angedeutet, dass sich an der Mündung des damals so bezeichneten Flüsschens Tilsot oder Tilsete in die Memel ein einfacher Lagerplatz des Ritterordens befand. Namentlich abgeleitet von der prußisch-schalauischen Bezeichnung ‚tilse' (sumpfig), wurde 1409 die Burg Tilse als eine der letzten Wehranlagen im Deutschordensstaat fertiggestellt.

Günstige Lage für Handel

Unter dem Schutz dieser neuerbauten Burg entstand im unmittelbaren Einzugsbereich ein wirtschaftlicher Aufschwung durch lebhaften Handel. Eine zunehmende Besiedelung entwickelte sich, aus der sich bis Ende des 15. Jahrhunderts ein wirtschaftliches Zentrum der Region bildete.

In den Ordensfolianten sind als erste Anwohner dieses Marktfleckens die ‚Preussen hinter der Tilse' genannt, das heißt die in dieser Region ansässigen schalauischen Prußen beiderseits der Memel. Im Schnittpunkt der Ost-West-Verbindung, ermöglicht durch den Memel-Strom sowie die Landverbindung von Süden nach Norden, lag dieser Ort sehr vorteilhaft für Handelswirtschaft und Verkehr, sodass kontinuierlich weitere Siedler, vermehrt auch deutsche Krüger, Kaufleute und Handwerker angezogen wurden.

Nun entstand eine erste Struktur der zukünftigen Stadt Tilsit: in Straßenformation eines Kreuzes, versehen mit dem Recht des Markthaltens und 1511 autorisiert durch den letzten Hochmeister deds Deutschen Ordens in Preußen Albrecht von Brandenburg-Ansbach. Insbesondere für die später Zuziehenden erwies sich die örtliche Lage jedoch als zunehmend ungünstig, da große Flächen bereits vergeben waren und sie deshalb lediglich kleinere Hofstätten und weniger Ackerland erhielten.

Stadtwerdung von Tilsit

Die junge Siedlung, inzwischen „Tilse“ benannt wie die Burg, konnte flächenmäßig nicht weiter expandieren, auch aufgrund des weitreichenden Landeigentums des Großgrundbesitzers Moritz II. von Perschkau. Dieser leistete im Tilsiter Gebiet einen wesentlichen Beitrag zur Urbarmachung und Kolonisation. Er hatte außerdem großen Einfluss in dieser Region im Zeitalter der Reformation.

1525 trat Albrecht von Brandenburg-Ansbach zur Reformation über und veränderte zudem als erster Herzog des nunmehr erblichen lutherischen Herzogtums Preußen die vormals katholisch dominierte weltliche Herrschaft des Deutschordensstaates.

Mit Beharrlichkeit und Klugheit verfolgten die Anwohner von Tilse ihr Ziel, bessere Entwicklungs- und Versorgungsmöglichkeiten für ihr aufstrebendes Gemeinwesen zu erhalten und die Stellung als Stadt zu erreichen. Ab zirka 1540 richteten sie eine große Anzahl an entsprechenden „Supplikationen“ (Bittgesuchen) an ihren Landesherrn Herzog Albrecht in Königsberg.

Verleihung des Stadtrechts

Herzog Albrecht zeigte sich wohlwollend, und in seiner Anwesenheit fand am 2. Dezember 1551 in der alten Stadtkirche zu Tilse die Wahl des Bürgermeisters, des Rates der Stadt und des Gerichts statt. Diese feierliche Erhebung zur Stadt wurde nach elf Monaten beurkundet und besiegelt.

Am 2. November 1552 verlieh Herzog Albrecht der jungen Stadt Tilse das Stadtrecht, das sogenannte Fundationsprivileg. Seit dieser Stadtgründung galt in Tilse das sogenannte „Kulmer Recht“. Gleichzeitig erhielt die junge Stadt ihr prächtiges Wappen und die Stadtgrenze wurde festgelegt, welche nun auch ein großzügiges Gebiet auf der anderen Memelseite mit umfasste.

Die Stadt Tilsit (diese Bezeichnung hat sich erst im 19. Jahrhundert etabliert) war nun bereit für die kommenden Epochen ihrer beeindruckenden Stadtgeschichte, die bis heute mit Freude, aber auch großem Leid verbunden ist.


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