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Aus alten Archiven

Wale an Pommerns Küste

Das Stranden der Säugetiere galt früher als schlechtes Omen – Doch die Knochen hat man eingesammelt

Eckhard Wendt
15.01.2024

Bis heute kommt es nicht so selten vor, dass „Walfische“ immer wieder einmal an Pommerns Küste stranden, was allgemein viel Aufmerksamkeit erregt. Die Nachrichten über erschienene Wale an der Ost- und Nordseeküste gehen bis in das 12. Jahrhundert zurück.

So strandete ein männlicher Zwergwal (Balaenoptera rostrata) im Frühjahr 1545 in der Dänischen Wiek bei Greifswald, den man dort in der Marienkirche aufbewahrte. Zuvor strandete im Jahr 1365 ein großer, allerdings nicht genau identifizierter Wal an der Insel Usedom. Einige Rippen von dem Wal verehrte der Herzog als Kuriosität der Stettiner Nikolaikirche, die vor 1657 hinter der Kanzel von St. Jakobi gefunden wurden.

Im Jahr 1825 wird der Fang eines Blauwals gemeldet. Am 8. April hörten bei ruhiger See an der Küste Rügens fünf Fischer eine stattliche Wellenbewegung. Diese „schwarze bewegliche Masse“, mit 44 Fuß, konnte mühevoll erlegt und dem Museum in Greifswald übereignet werden. In jüngster Zeit, am 14. August 1899, trieb ein toter Wal an der Westmole der neuen Dievenowmündung an. Hafenarbeiter brachten den zirka 14 Meter langen, stark verwesten Wal an Land. Herren aus Cammin kauften ihn und stellten das Skelett in einem Garten zur Besichtigung gegen Eintrittsgeld aus.

Auf Befehl des Herzogs zerteilt
Widerhall, nicht nur in der Literatur, fand der am 12./13. Mai 1620 angespülte Finnwal (Balaenoptera physalus) in der Dievenow-Mündung nördlich von Stettin. Ein berühmter Mann beschrieb ziemlich ausführlich, was sich im Jahr 1620 zugetragen hat: Es handelte sich um Daniel Cramer (1538–1637), Hofprediger, Kirchenhistoriker und Professor am Fürstlichen Gymnasium (später Marienstiftsgymnasium). Illustrator war Johann Bader, „Briefmaler“, Hersteller von Flugschriften, also jenen frühen Zeitungen, welche Marktschreier für den Preis eines halben Handwerkerlohnes verkauften.

Mit dem Nordwest-Sturm strandete ein totes Meerungeheuer bei dem Großen Krug an, etwa zwei Meilen von Wollin und eine Meile von Cammin entfernt. Es war 25-einhalb stettinische Ellen (57 Werkschuh) lang und 13 stettinische Ellen (30 Werkschuh) dick, der Kopf bis ans Auge neun und der Schwanz sieben Werkschuh breit. Die Wolliner meinten, es sei ein gestrandetes Schiff oder hatten ähnliche Phantasien, aber es war ein seltsames Vorzeichen, von dem man kaum etwas Gutes, sondern mehr Schreckliches erwartete: Ein „Walfisch“, den man für ein Wunder hielt.

Mit Winden und Stricken an Land gebracht, stank der länger tot Gewesene fürchterlich. Dennoch ist er auf Befehl des Herzogs Franz zerteilt, zerstückelt, etliche Knochen auch ins Hoflager nach Stettin gebracht und zum ewigen Gedächtnis aufgehängt worden. Von seinem „Fleisch“, etwa 30 Last, wurde Tran gesotten und die Knochen „wundershalben“ ebenfalls nach Wittenberg, Brandenburg, Stralsund geliefert. Bald darauf entbrannte zwischen Pommern und der Neumark ein Krieg mit viel Blutvergießen.

Wenn jemand vor knapp 200 Jahren den Münzhof des Königlichen Schlosses, von der Große Ritterstraße kommend, betrat, dem fielen sofort riesige Knochen auf, die an eisernen Haken und Ketten hingen. Es waren die Überreste des Wales aus dem Jahr 1620.

Aufbewahrt im Stettiner Schloss
Zuerst befanden sich die Knochen unter den gewölbten Galerien des Westflügels bis zu deren Abbruch etwa im Jahre 1840. Danach lagerten sie in den Kellergewölben des Schlosses. Aus dem Dunkel heraufgeholt, ließ der Oberpräsident von Pommern, Franz Senft von Pilsach, sie im September 1863 zur XXXVIII. Hauptversammlung der Naturforscher und Ärzte Deutschlands in Stettin auf der Münzhofseite des Mittelflügels aufhängen. Seither setzten Wind und Wetter den Knochen schlimm zu, sodass sie stückweise herunterfielen. Im Jahr 1915 hingen dort nur noch das Hinterhauptbein und der riesige rechte Unterkiefer.

Der Provinzialkonservator Hugo Lemcke hatte vor Jahren angeregt, die Knochen vor dem Verderben im Museum zu schützen, was sein Nachfolger nicht verwirkliche. Jetzt hängte man beide Großteile zusammen an gewohnter Stelle wieder auf, während die abgefallenen Stücke des Oberkiefers nahe des nördlichen Tores in einer wettergeschützten Nische unterkamen.

Bei dieser Wal-Historie sind alle mit ihrem Seelenheil gut davongekommen, wohl auch durch das Ermahnen des Hofpredigers Cramers.

Der Zweite Weltkrieg beendete dann die Knochen-Odyssee endgültig.


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