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Warum in die Ferne schweifen?

Zwischen Barth und Stralsund – Auf dem europäischen Fernradweg E9 an Pommerns Küste unterwegs

Peer Schmidt-Walther
16.03.2024

Der morgendliche Blick zum Himmel bestätigt es. Genau das richtige Wetter für eine vorfrühlingshafte Radtour. Nichts wie los! Passend zum strahlenden Himmel zwei fröhliche Gesichter wie zur Begrüßung am Bahnhof der Vineta-Stadt Barth. Die Frage der Mädels, ob der angekommene Zug gleich nach Velgast abgehe, kann bejaht werden. „Wir haben einen Kurzurlaub in Zingst gemacht“, erfährt der Radler, „und fahren jetzt begeistert nach Hamburg zurück.“ Schließlich herrscht noch vorsaisonale Ruhe im Land hinter den Bodden-Deichen.

Das steckt auch Einheimische an. Auf in die Barther Altstadt, die dem Bahn-/Radfahrer zu Füßen liegt! Ihre lange und wechselvolle Geschichte reicht, so liest man an einer Info-Tafel, bis 1255 zurück. Damals wurde die Siedlung nach lübischem Stadtrecht gegründet. Es geht beschaulich zu in den sauberen Straßen, deren wohlgefällig restaurierte Häuser von St. Marien überragt werden.

Auf dem malerischen Alten Markt wird man als Passant noch mit „Moin!“ gegrüßt, und ein Fleischer lockt mit Wiener Würstchen, Kartoffelsalat und Salz-Dill-Gurken aus eigener Produktion. Die am Verkaufswagen Schlange stehenden Hausfrauen sprechen eine beredte Sprache: Hier kann man getrost gute Qualität erwarten – und für wenig Geld. Die Marschverpflegung ist gesichert.

Stralsunder Begegnung am Grabow
Der moderne Raddampfer „Baltic Star“ im Hafen wartet auf bessere Zeiten bis zum Saisonstart am 15. März. Bis dahin herrscht winterliche Ruhe. Der europäische Fernradweg E9 „Ostseeküsten-Radweg“ führt nach Osten aus der Stadt heraus. Dank guter Beschilderung stellt das kein Problem dar. Eine 50.000er-Wanderkarte sollte dennoch im Gepäck sein oder natürlich ein „Navi“. Im Frühjahr und Sommer führt die Route dann nach Westen – hinüber auf den Darß. Oder man fährt vom Hafen aus mit einer der Fähren, die durch den Bodden hinüber nach Zingst pendeln. Da hätte man dann sozusagen mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Rad und Schiff samt Streckenverkürzung mit mehr Zeit für die Halbinsel, die man bis zur wüstenartigen Hohen Düne im Osten erkunden kann.

Doch zurück zum E9-Ostabzweig. In Glöwitz passiert man den „Klönkaten“. Einst ein beliebter Treffpunkt für „Lebenskünstler“, wie man von einem Spaziergänger erfährt, heute nur noch eine traurige reetgedeckte Ruine. Den Glöwitzer Berg geht's nur im ersten Gang hinauf, nach den Strampelmühen aber vom 20 Meter hohen Ützberg in Sausefahrt wieder zu Tal. Mit einer Riesenbelohnung: dem weiten Blick über den still und glänzend daliegenden Grabow.

Ruhendes Baggergerät am neu entstehenden Hafen Dabitz, aber ein einsamer Pkw. Der gehört einem Stralsunder Ehepaar, das sich über den „goldenen Freitag“ freut und gerade von einem langen Sonnen-Spaziergang auf dem Deich zurückkommt. „Wunderschön, diese Landschaft, dazu das Traumwetter“, schwärmen die beiden, „das muss man einfach ausnutzen! Drinnen sitzen können wir noch lange genug.“ Nach einem gegenseitigen Handy-Foto folgt eine freundschaftliche Verabschiedung. In dieser Einsamkeit rückt der Mensch wieder zusammen. Im Sommer dürfte hier schon mehr los sein.

Festmenü mit Weitblick
Auf der Brücke über die Uhlenbäk sitzt ein vermummter Angler, der auf das kühle Nass unter sich starrt. „Hüüt ward dat wohl nix mehr“, schüttelt er den Pudelmützen-Kopf und überlegt, ob er weiterhin ein Loch in den Bach starren oder nach Hause radeln soll. „Gestern“, meint er auf Hochdeutsch weiter, „da hättest du mal hier sein sollen, da war alles voll.“ Wie sich herausstellt, waren es Küstenwächter, die auf Deichbeschau unterwegs waren wegen des Hochwassers. Seine Reste sieht man noch als flache Tümpel, die stellenweise bis an den Rand des Radwegs lecken.

Mittagspause mit Bank und Tisch am Bodden-Wehr Groß-Kordshagen. Bei leckerem Festmenü aus Barth gibt es einen 180-Grad-Wasser-Darß-Blick inklusive. Dazu das Himmels-Konzert von Tausenden Gänsen, die unter großem Geschnatter eine Wiese bei Zühlendorf ansteuern.

Parow von Abendsonne vergoldet
In Bisdorf fällt das restaurierte Herrenhaus auf, vor Kinnbackenhagen das strubbelige Große Holz, ein vom Wind zersauster Wald am Schilfgürtel. Ferienhäuser kommen am Rand von Kinnbackenhagen in Sicht. „Zu viele“, meint ein Alt-Anwohner, „das bringt ganz schön Unruhe in unser bisher beschauliches Dorf.“ Bisdorf ruht anscheinend in seinem Einfamilienhaus-Schlaf, während man in Hohendorf das ehemals gräfliche Schloss derer von Kloth-Trautvetter in neuem Glanz sieht.

Weit schweift der Blick vom oberen Ortsteil auf dem Weg nach Klausdorf bis nach Hiddensee hinüber, dessen Dornbusch samt Leuchtturm-Wahrzeichen zum Greifen nahe scheint. Prohn wird von der Sonne vergoldet, bis hinter der Marinetechnikschule (MTS) Parow die Backstein-Türme der Hansestadt Stralsund in Sicht kommen. Der Tacho zeigt 45 Kilometer Fahrtstrecke an. Da bleibt noch genügend Zeit, um die UNESCO-Welterbe-Stadt zu erkunden.

Fazit dieses aktiven Traumtags: Warum in die Ferne schweifen?


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Kommentare

walter meiher am 16.03.24, 18:19 Uhr

Zwischen Barth und Stralsund – Auf dem europäischen Fernradweg E9 an Pommerns Küste unterwegs

Ja, in Deutschland gibt es schöne Wege.

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