24.11.2025

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Schon mehr als 10.000 Menschen waren oben: Bergsteiger auf dem Mount Everest
Bild: picture alliance/dpa/Narendra Shahi ThakuriSchon mehr als 10.000 Menschen waren oben: Bergsteiger auf dem Mount Everest

Bergtourismus

Was die Menschen in Scharen auf den Gipfel der Welt treibt

Der Pfad zur Spitze des Mount Everest ist mittlerweile gesäumt von massenhaft Kot, Müll und sogar Leichen, die in der Kälte nicht verwesen – Blick auf einen außer Kontrolle geratenen Ansturm

Wolfgang Kaufmann
24.11.2025

Der Mount Everest an der Grenze zwischen Nepal und Tibet ist mit seinen 8848 Metern der höchste Berg der Welt, der auf Nepalesisch „Sagarmatha“ und auf Tibetisch „Tschomolangma“ heißt. Der Weg auf dessen Gipfel führt dabei nicht nur über Eis und Fels, sondern auch über Leichen, Müll und Unmengen von Kot.

Bis jetzt kamen rund 340 Menschen an dem Himalaja-Riesen ums Leben. Viele davon starben in der sogenannten Todeszone über 8000 Metern, wo der Sauerstoffmangel leicht zu lebensgefährlichen Lungen- oder Hirnödemen führen kann. In etwa 200 Fällen war es unmöglich, die Verstorbenen ins Tal zu transportieren, weswegen der Mount Everest als „höchster Friedhof der Welt“ mit einer regelrechten „Leichengasse“ oben am Gipfelgrat gilt. Manche der durch die extreme Kälte von bis zu minus 50 Grad Celsius konservierten Toten bilden nun eine Art Wegweiser, so wie der Inder Tsewang Paljor, an dessen markanten grünen Bergstiefeln sich jahrelang alle potentiellen Bezwinger des Daches der Welt orientierten, sofern sie von Süden kamen.

Ebenso ist es kompliziert, den Müll und die Ausscheidungen der Bergsteiger in die mehrere tausend Meter tiefer liegenden Täler auf der nepalesischen oder chinesischen Seite zu bringen. Die derzeitige Unratmenge am Mount Everest beläuft sich auf rund 140 Tonnen, obwohl in den vergangenen Jahren immer wieder große Säuberungsaktionen stattfanden. Daher soll nun zumindest die Masse an Fäkalien dadurch reduziert werden, dass man die Bergsteiger verpflichtet, ihren Kot in Beuteln nach unten zu tragen.

Die Motive haben sich verändert
Ansonsten müssten eigentlich auch die immer höher werdenden Kosten für den Gang auf den Berggiganten abschreckend wirken. Allein für die Genehmigung der Besteigung werden derzeit 14.400 US-Dollar pro Person fällig. Dazu kommen die Ausgaben für die als Bergführer und Träger fungierenden Sherpas sowie die Ausrüstung. In der Summe macht das schnell 70.000 Dollar oder mehr aus.

Dennoch sinkt die Zahl der Gipfelanwärter nicht – im Gegenteil. Bislang standen schon mehr als 10.000 Menschen auf der Spitze des höchsten Berges der Welt. Dabei wurden es besonders in den jüngsten Jahren immer mehr. 2023 verzeichnete man 1063 Besteigungen und 2024 immerhin weit über 800. Und im bisherigen Verlauf des Jahres 2025 gelangten bereits 786 Bergsteiger auf den Gipfel, obwohl zu Beginn der Herbstsaison ein schwerer Schneesturm in der Region tobte, der die Evakuierung von rund eintausend Menschen aus dem Mount-Everest-Gebiet nötig machte. Der beste Tag war dabei der 18. Mai, an dem 135 Personen den höchsten Punkt der Erde erreichten. Das ist allerdings kein Rekord, denn am 23. Mai 2019 bezwangen sogar 354 Bergsteiger den Gipfel. Deshalb gibt es an manchen Tagen riesige Staus auf den letzten Metern zum Ziel, welche zu unnötig langen Aufenthalten in der Todeszone führen. Das alles wirft die Frage auf, warum Menschen sich so etwas antun.

Eine sehr lakonische Antwort hierauf gab der britische Alpinist George Mallory, der 1924 auf 8150 Metern Höhe starb, nachdem er möglicherweise als Erster bereits bis zum Gipfel vorgedrungen war. Es ziehe ihn auf den Berg, weil dieser eben da sei. Dagegen meinte Mallorys Landsmann und Zeitgenosse Alexander Kellas: Nachdem Großbritannien „beide Pole verpasst“ habe, werde es „ganz sicher nicht die Chance verstreichen lassen“, die höchste Erhebung der Erde zu erobern, zumal die auch noch den Namen des früheren Leiters der britisch-indischen Landvermessung trage.

Heute sind es weniger nationalistische als individuelle Motive, welche die Everest-Bezwinger antreiben. Manche suchen die mentale und physische Herausforderung, die mit dem Gang an die Grenzen des menschlich Machbaren einhergeht – vor allem, wenn der Gipfel ohne künstlichen Sauerstoff erreicht wird. Andere betrachten den Himalaja-Riesen als Symbol des Abenteuerlichen oder Außergewöhnlichen schlechthin. Nichts auf der Welt sei vergleichbar mit einem Blick vom höchsten Punkt, den man aus eigener Kraft erreichen könne.

Und dann wären da noch diejenigen, welche sich einen Kindheitstraum erfüllen oder ihre Bergsteigerkarriere mit dem ultimativen Gipfel überhaupt krönen wollen. Ebenso geht es um das Erleben der außergewöhnlichen Natur, wie sie nur die höchsten Berge der Welt bieten.

Gleichzeitig zieht der Gigant im Himalaja profilierungssüchtige Persönlichkeiten an, deren Ego ins Uferlose wächst, wenn sie verkünden können: „Ich war auf dem Everest!“ Einige Börsenmakler in New York haben das sogar auf ihre Visitenkarten drucken lassen. Und wenn die „einfache“ Besteigung des Gipfels nicht ausreicht, dann müssen Rekorde her, von denen ständig neue erzielt werden.

Rekordjäger und Angeber
Besondere Beachtung finden weltweit derzeit außerordentlich schnelle Aufstiege, wobei der Bestwert der Gipfelstürmer momentan bei unglaublichen acht Stunden und zehn Minuten für die rund 3500 Höhenmeter vom Basislager bis zur Spitze des Berges liegt. Desgleichen versuchen immer jüngere oder ältere Personen, als Bezwinger des Mount Everest in die Statistiken einzugehen. Die bislang jüngsten Personen auf dem Gipfel waren die beiden 13-jährigen Jordan Romero aus den USA und Malavat Purna aus Indien. Auf der anderen Seite der Skala führt unangefochten der Japaner Yuichiro Miura, der den Everest mit 80 Jahren erklomm.

Ansonsten gibt es auch noch ein sehr profanes Motiv, dem Mount Everest aufs Haupt zu steigen, und das ist die Sicherung des eigenen Lebensunterhaltes. Das gilt vor allem für die Angehörigen des Volkes der Sherpas, zu denen der Bergführer Kami Rita gehört, welcher den Gipfel der Welt am 27. Mai dieses Jahres zum nunmehr schon 31. Mal betrat, was ihn über sämtliche andere Rekordhalter vom Everest hinaushebt.

Sherpas wie er sind besser an die Höhe angepasst als alle übrigen Menschen auf der Erde, denn sie besitzen das EPAS1-Gen, welches dem Körper hilft, den knappen Sauerstoff in der Höhenluft effizienter zu nutzen. Dieses Gen ist ein Geschenk des mysteriösen Denisova-Menschen, eines Vetters des Homo sapiens und Neandertalers, der einst im Gebiet vom Altai bis zum Himalaja lebte und vor rund 20.000 Jahren ausstarb.


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