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Special Olympics

Weltmeisterlich mit Behinderung

Erstmals in Deutschland – Die weltweit größte inklusive Sportveranstaltung findet vom 17. bis 25. Juni in Berlin statt

Silvia Friedrich
19.06.2023

Niemand anderes als der Neffe des ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy, Timothy Shriver, wird bei der Eröffnungsfeier der Special Olympics am 17. Juni im Berliner Olympiastadion das Grußwort sprechen und mit den Athletensprechern gemeinsam die Fahnen hissen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Schirmherr der Spiele, eröffnet danach im Beisein namhafter Künstler, Schauspieler, Musiker und Sportler wie Eiskunstläuferin Katharina Witt die Special Olympic World Games, bei denen es sich, anders als bei den Paralympics, bei denen es um Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung geht, um die weltweit größte inklusive Sportveranstaltung für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung geht, die alle zwei Jahre stattfindet. Gleichzeitig ist es das größte internationale Sportturnier Deutschlands seit den Olympischen Sommerspielen 1972 in München.

Vom 17. bis zum 25. Juni werden in Berlin und Umgebung 7000 Athleten aus aller Welt, genauer aus 190 Ländern, in 26 Sportarten um Siege und 130 Medaillen ringen. Bevor es losgeht, wurde am 7. Juni traditionell die „Special Olympics Flame of Hope“, die Flamme der Hoffnung, in Athen in Griechenland entzündet und danach durch 216 deutsche Städte getragen, die sich als Gastgeberstädte, sogenannte „Host Towns“ für die Spiele bewarben. Die Athleten haben so die Möglichkeit in den Städten, Gemeinden und Kommunen, das Land, die Menschen und Regionen besser kennenzulernen. Symbolisch soll das durch die Gemeinden getragene Feuer für das kommende Ereignis begeistern, ehe die Flamme am Eröffnungstag im Berliner Olympiastadion eintrifft.

Als im November 2018 der Veranstalter Special Olympic International (SOI) die Weltspiele wegen der gut ausgebauten, vorteilhaften Veranstaltungsinfrastruktur Berlins und überzeugender Vorstellung der Weltspiele an die deutschen Ausrichter Special Olympics Deutschland (SOD) vergab und der Ausrichtervertrag 2020 im Schloss Bellevue im Beisein des Bundespräsidenten Steinmeier unterzeichnet wurde, setzte dieser mit seiner Bereitschaft, als Schirmherr zu fungieren, ein sichtbares Zeichen für die Förderung von Inklusion, um als Zukunftstraum eine inklusive Gesellschaft durch die verbindende Kraft des Sports zu schaffen und Menschen mit geistiger Behinderung einen gleichberechtigten Zugang zu Sport, Bildung, Kultur und Gesundheitsversorgung zu ermöglichen.

Teure Inklusionsveranstaltung
Der Organisator der Spiele, das lokale Organisationskomitee der Special Olympic Games Berlin 2023 (LOC), hat einiges zu tun. Nicht nur die 7000 Athleten und ihre 3000 Trainer und Betreuer müssen untergebracht werden, sondern auch die 20.000 freiwilligen Helfer und 9000 mitreisenden Familienmitglieder. Auch in sogenannten „Unified-Teams“ werden Menschen mit und ohne geistige Behinderung gemeinsam Sport treiben und an Wettbewerben der Weltspiele teilnehmen.

Was aber ist nun genau mit Inklusion gemeint? Abgeleitet vom lateinischen Begriff „includere“, also „einschließen“, ergibt sich daraus der Sinn und die Hoffnung, dass kein Mensch aufgrund seines Alters, seiner Religion, Hautfarbe oder Behinderung ausgeschlossen oder diskriminiert werden darf, um gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können.

Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, gerade im sportlichen Bereich Menschen mit und ohne geistige Beeinträchtigungen zusammenzubringen. Somit werden die Spiele von Bund und Land Berlin mit je 48 Millionen Euro gefördert. Die Gesamtkosten der Spiele belaufen sich auf circa 130 Millionen Euro, die durch Ticketverkauf, Sponsoren, Land und Bund abgedeckt werden sollen.

Bereits seit dem 10. Juni wird von den Veranstaltern bereits zu einem Kulturprogramm in der Stadt eingeladen und im Humboldt-Forum (siehe unten) eröffnet. Ein buntes Programm mit Theater, Musik, Familiensportfest, Konzertabend, der Fête de la Musique und vielem mehr erfreut Besucher und Teilnehmer an Lokalitäten, wie dem Brandenburger Tor, dem Neptunbrunnen und dem Sommergarten der Messe Berlin.

Kennedy-Clan als Initiator
An acht verschiedenen Orten Berlins und außerhalb in Bad Saarow finden 26 Wettkämpfe statt mit Fußball, Handball, Basketball und anderen bekannten und weniger bekannten Sportarten, wie Futsal (Hallenfußball) sowie zwei Demonstrationssportarten (Hockey und Rudern), die nur vorübergehend ausgewählt wurden, um die Resonanz beim Publikum zu testen. Gastgeber Deutschland stellt mit 355 Athleten, 59 Unified Partnern, die von 133 Trainern, Ärzten und Fotografen begleitet werden, mit 574 Personen die größte Delegation der Spiele.

Empfangen und begleitet werden alle Sportler von einem herzförmigen Maskottchen namens „Unity“, also Einigkeit, dessen Betitelung von nationalen und internationalen Athleten und Unterstützern der Special Olympics Bewegung mittels eines digitalen Workshops ermittelt wurde. Inklusion, Liebe und Zusammensein soll es vermitteln.

Die heute so bedeutenden Spiele haben einen traurigen Hintergrund. Die missglückte Hirnoperation der Kennedy-Tochter Rosemary in den 1940er Jahren führte zu einer heftigen Verschlimmerung ihrer Gesundheit. Rosemary kam in eine Heilanstalt, während die jüngere Schwester Eunice unter dem strikten Besuchsverbot des Vaters litt, der die kranke Tochter, wie damals fast überall üblich, einfach abgeschoben hatte.

Aus dem vermutlich schlechten Gewissen heraus rief Eunice die Initiative ins Leben, Menschen mit geistigen Behinderungen zu unterstützen. So richtete sie anfangs im Garten ihrer Farm „Timberlawn“ ein Freizeitcamp für die „vergessenen Kinder“ ein, mit denen auch ihr kleiner Sohn Timothy spielen durfte und sollte, was diesem in der Rückbesinnung sehr gefiel. Ihm war es nicht bewusst, dass es sich um besondere Kinder handelt, er wollte nur mit ihnen spielen. Bald wurde daraus mehr, und Eunice holte auch ihre Schwester Rosemary wieder in die Familie zurück.

Gewinnen – oder das Beste geben
In ihrer Antrittsrede zur Eröffnung der ersten Special Olympics im Sommer 1968, an denen 1000 Athleten aus den USA und Kanada teilnahmen, zitierte Eunice Kennedy-Shriver die Gladiatoren im alten Rom, welche die Arena mit den Worten betraten: „Lass' mich gewinnen. Aber, wenn ich nicht gewinnen kann, lass' mich bei dem Versuch mutig sein.“ Aus diesem Satz entstand der noch heute gültige offizielle Eid „Ich will gewinnen! Doch, wenn ich nicht gewinnen kann, so will ich mutig mein Bestes geben!“

Vorsitzender der Special-Olympics-Bewegung ist heute genau der Mann, der bereits als kleiner Junge im Garten seiner Eltern mit den Kindern spielte, die von geistigen Beeinträchtigungen gezeichnet waren und zu damaliger Zeit wenig Chancen bekamen, sich gleichberechtigt am gemeinschaftlichen Leben zu beteiligen: Timothy Shriver.

Wenn am 25. Juni am Brandenburger Tor die Weltspiele ihr feierliches Ende finden, wird das Motto der Spiele „Zusammen Unschlagbar“ sicherlich mit prallem Leben erfüllt worden sein.

www.berlin2023.org

 

„Wir sind dabei“: Kulturprogramm im Humboldt-Forum
Anlässlich der Special Olympics bietet das Humboldt-Forum bis 10. Juli inklusive Kulturangebote: von einer Pop-up-Ausstellung in der Treppenhalle über das RambaZamba-Theater im Humboldt-Labor, Hör- und Tastführungen, Führungen in Einfacher Sprache bis hin zu einer gemeinsamen Mal-Aktion im Schlüterhof. Alle barrierefreien Führungen und Veranstaltungen sind im Zeitraum der Special Olympics kostenlos.

Pop-up-Ausstellung in der Treppenhalle: Special Olympics Portrait Project
Luca Siermann fotografiert seit 2004 Athleten bei den Special Olympics. Die fotografische Auseinandersetzung mit Menschen, ob als Studioporträt oder Reportagebild, ist in den vergangenen Jahren ein fester Bestandteil seiner Arbeit geworden. Getragen von einem strengen gestalterischen Rahmen – weiße Hintergründe, Querformat und Schwarz-Weiß-Fotografie – schafft er eindringliche, sehr persönliche Por­träts der Sportler.

Ungehindert – Tandemführung in Einfacher Sprache: Ethnologisches Museum und Museum für Asiatische Kunst, am 19. Juni
Neugierig sein ist gewünscht: In der Sammlung des Ethnologischen Museums gibt es ganz große, aber auch winzig kleine Figuren aus verschiedenen Regionen Afrikas. Musikinstrumente in den buntesten Farben und außergewöhnliche Materialien, Masken und Kostüme aus Ozeanien können angeschaut werden. In der Führung werden Geschichten erzählt und wird Musik gehört. Einige riesige Bauten wie ein Boot aus Fidschi und ein Haus aus Ozeanien können sogar betreten werden.

Mal-Aktion unter freiem Himmel im Schlüterhof am 24. Juni
Die Ausstellung „Berlin Global“ im Humboldt-Forum lädt ein: Mit Pinseln, Paletten und Farbe auf zur Leinwand! Im Hof des Humboldt Forums warten großformatige Leinwände auf alle Besucher mit ihren Gestaltungsideen. Gemeinsam mit den Künstlern der Kunstwerkstatt Kreuzberg können sie einen Nachmittag lang kreativ werden.

„Schwärmen“. RambaZamba-Theater im Humboldt-Labor: 5. bis 7. Juli
Das RambaZamba-Theater Berlin gilt als das wichtigste integrative Theater Deutschlands. In der Aufführung „Schwärmen“ inszeniert das inklusive Ensemble des Theaters ein Stück über Gefühle im Angesicht der drohenden Klimakatastrophe. Die jugendlichen Ensemblemitglieder haben „Schwärmen“ selbst entwickelt. In den Mittelpunkt ihrer Suche nach einem Umgang mit ihren Klimaemotionen stellen sie dabei ein häufig verachtetes Tier: die aasfressende Hyäne. Vor dem Hintergrund des Klimawandels stellen die jugendlichen Schauspieler die Frage, ob dieses Geschöpf mit seiner Kraft, Weiblichkeit und Ausdauer Sinnbild für das Einläuten einer neuen Weltenära sein kann.
Das vollständige Kulturprogramm unter: www.humboldtforum.org


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