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Wie Gerichte zunehmend das Gleichgewicht der Gewaltenteilung und damit die Republik selbst gefährden
Mit der Nominierung der Verfassungsjuristin Frauke Brosius-Gersdorf zur Richterin am Bundesverfassungsgericht hat die SPD den innerkoalitionellen Eklat regelrecht herbeigezwungen. Noch schwerer wiegt, dass hiermit der Versuch unternommen wurde, eine ideologisch geprägte Juristin an die Spitze der höchsten deutschen Gerichtsbarkeit zu hieven – eine Juristin, die weder praktische Erfahrung als Richterin hat noch sich der undogmatischen, rein dem Grundgesetz verpflichteten Linie des Verfassungsgerichts verpflichtet sieht. Brosius-Gersdorf, sowie die ebenfalls ins Rennen geschickte Professorin Ann-Katrin Kaufhold, stehen exemplarisch für einen Wandel, der vielen Beobachtern Sorgen bereitet: die Verwischung der Grenze zwischen Rechtsprechung und politischem Aktivismus. Besonders Brosius-Gersdorfs Auffassung, dass das Grundrecht auf Menschenwürde erst mit der Geburt beginne, widerspricht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts diametral – die bereits dem ungeborenen Leben eine würdebasierte Schutzposition zuschreibt (vgl. BVerfGE 39, 1 ff.).
Dass die SPD bereit war, diesen Bruch mit der verfassungsrechtlichen Kontinuität in Kauf zu nehmen und die Union vor eine unvermeidliche Zerreißprobe zu stellen, belegt nicht nur ein hohes Maß an ideologischer Radikalität, sondern auch ein verstörendes Verständnis vom Auftrag der Justiz. Die sozialdemokratische Justizpolitik scheint sich nicht mehr mit unabhängiger Kontrolle zu begnügen, sondern will die Rechtsprechung gezielt im Sinne einer gesellschaftlichen Transformation verbiegen. Hierbei hatte der sozialistische Flügel der Partei dominiert.
Die aktuell gefährliche Tendenz zur gesellschaftstransformatorischen Justiz betrifft aber nicht allein die Besetzung des Bundesverfassungsgerichts. Zahlreiche aktuelle Urteile belegen, dass die Linke den Marsch durch die Institutionen erfolgreich auf allen Ebenen durchgesetzt hat und nun eine parteilich gefärbte Sichtweise auf gesellschaftspolitische Fragen den Eingang in die deutsche Gerichtsbarkeit findet.
Pandemie war ein Tiefpunkt der deutschen Rechtsprechung
So hat das Amtsgericht Bamberg (Az.: 27 Cs 1108 Js 11315/24) den Journalisten David Bendels wegen einer satirischen Fotomontage von Bundesinnenministerin Nancy Faeser zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Die Beurteilung der Montage als „Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens“ missachtet grundlegende Prinzipien der Meinungsfreiheit. Selbst Vertreter der politischen Linken wie Ricarda Lang äußerten Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Urteils. Das Landgericht Düsseldorf hat einen 77-jährigen Rentner wegen eines migrationskritischen Facebook-Kommentars zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Aussage, obgleich zugespitzt, bewegte sich nach Ansicht vieler Verfassungsrechtler im Rahmen des Sagbaren. Die politische Dimension des Urteils ist unübersehbar.
Und auch das Bundesverfassungsgericht hat unter seinem Präsidenten Stephan Harbarth die mehr als 450 eingelegten Verfassungsbeschwerden gegen die Corona-Schutzgesetze abgewiesen (1 BVR 781/21 und anderer) und damit die auf Freiheitsrechten und Menschenwürde basierende Stabilität des Rechtsstaats höchstrichterlich gefährdet – ein Tiefpunkt in der jüngeren Rechtsprechung. Trotz massiver Grundrechtseingriffe während der Pandemie – insbesondere in Bezug auf Versammlungsfreiheit, Religions- und Berufsausübung sowie bezogen auf Sterbebegleitung in der Isolation – sah das Gericht keinen Anlass zur verfassungsrechtlichen Korrektur. Kritiker werfen dem Merkel-Zögling Harbarth vor, seine CDU-Vergangenheit als Bundestagsabgeordneter nicht hinreichend von seiner Rolle als Verfassungsrichter getrennt zu haben.
Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, warnte bereits in mehreren Beiträgen vor einer „Instrumentalisierung der Justiz für politische Zwecke“. Die richterliche Unabhängigkeit sei kein akademischer Wert, sondern ein Grundpfeiler freiheitlicher Ordnung. Auch Rupert Scholz, ehemaliger Bundesverteidigungsminister und Staatsrechtler, kritisierte, dass die Justiz zunehmend „gesetzgeberische Kompetenzen an sich zieht“ und sich dadurch in eine politisch gestaltungsorientierte Institution verwandle. Dies bringe die Gewaltenteilung aus dem Gleichgewicht. Selbst der vormalige Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle mahnte, das Bundesverfassungsgericht müsse seine „stabilisierende Distanz“ zur Legislative wahren. In einer Zeit, in der Exekutive und Legislative zu unkritischer Selbstverständigung tendieren, komme der Judikative eine besondere Verantwortung zu.
Mahnung zur Unabhängigkeit
Die Personalien Brosius-Gersdorf und Kaufhold sind daher nicht nur eine Frage parteipolitischer Besetzung, sondern eine Grundsatzfrage: Darf das höchste deutsche Gericht in Zukunft von Juristen geprägt werden, die offen dessen eigene Rechtsprechung in Zweifel ziehen und ihre Berufung aus gesellschaftspolitischer Agenda statt aus rechtswissenschaftlicher Exzellenz beziehen?
Wird die Entwicklung der Justiz zu einem politischen – im Gegensatz zu einem rechtsstaatlichen – Hebel nicht gestoppt, droht eine Aushöhlung rechtsstaatlicher Prinzipien durch politische Zweckrationalität. Die Justiz würde zum Akteur gesellschaftlicher Umgestaltung, nicht mehr zur bewahrenden Instanz demokratischer Kontrolle. Ein solches zunehmend realistisches Szenario wäre nicht weniger als ein Umbau des Rechtsstaates selbst. Die Vorlage dazu bot die DDR-Justiz. Ganz im leninistischen Duktus beschwor etwa DDR-Jurist Michael Benjamin, die Aufgabe des sozialistischen Gerichts sei die Überwindung der Überreste der Gewaltenteilung zur Förderung des sozialistischen Einheitsstaats. Im Gegensatz dazu mahnt Hans-Jürgen Papier, die Unabhängigkeit der Justiz sei das Fundament der freiheitlichen Ordnung. Wer daran rühre, riskiere mehr als nur die Integrität einzelner Verfahren.
Es liegt am Souverän, aber auch an der Justiz selbst, einer politischen Vereinnahmung entschieden entgegenzutreten. Die Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, nicht an politische Überzeugung, ist der letzte Anker der freiheitlichen Demokratie. Dem muss sich auch Bundeskanzler und CDU-Parteichef Friedrich Merz entgegenstemmen, will er die Union nicht endgültig ihrer letzten Grundpfeiler berauben.