11.10.2025

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Erregt über ihren Tod hinaus die Gemüter: Demonstrantin gegen die Eiserne Lady an deren Denkmal in Grantham
Bilder (2): picture alliance/empics/Joe Giddens; WikimediaErregt über ihren Tod hinaus die Gemüter: Demonstrantin gegen die Eiserne Lady an deren Denkmal in Grantham

Margaret Thatcher

Wie eine Krämerstochter Britannien umkrempelte

Die vor 100 Jahren geborene Premierministerin war eine Rekordpolitikerin. Die Deutschen mochte sie nicht

Claudia Hansen
11.10.2025

Am 13. Oktober 1925, vor hundert Jahren, wurde in der unbedeutenden Kleinstadt Grantham in Lincolnshire Margaret Hilda Roberts geboren, die Tochter eines Krämers, methodistischen Predigers und Kommunalpolitikers. Schon als Kind galt sie als intelligent, fleißig und ehrgeizig. Margaret Thatcher, wie sie nach ihrer Eheschließung mit Denis Thatcher hieß, hat eine erstaunliche Karriere gemacht. Sie hat sich in der Männerwelt der Conservative Party durchgesetzt, hat 1979 gegen die Labour Party einen ersten triumphalen Wahlsieg errungen, der sie den Regierungssitz Downing Street 10 erobern ließ – als erste Frau in der britischen Geschichte. Dreimal gewann Thatcher nationale Wahlen. Sie regierte elfeinhalb Jahre, von 1979 bis 1990. Damit war sie der am längsten amtierende Regierungschef des Vereinigten Königreichs im 20. Jahrhundert, deutlich länger als Winston Churchill – der auf insgesamt neun Jahre kam.

Historiker haben Thatcher als „konservative Revolutionärin“ bezeichnet, weil sie die vorangegangene „sozialistische“ Wirtschaftspolitik seit dem Zweiten Weltkrieg zurückrollte. Sie beendete die exzessive Macht der Gewerkschaften, privatisierte verstaatlichte Großunternehmen, schloss verlustmachende Kohleminen und Stahlwerke, deregulierte den Finanzsektor in der City of London. Bei den Linken war die konservative Reformerin Thatcher so verhasst, dass linke Gegner bei ihrem Tod 2013 auf den Straßen tanzten und das Lied „Ding dong, die Hexe ist tot“ aus dem Musikfilm „Der Zauberer von Oz“ spielten.

Ihre Anfänge waren bescheiden. Zwar gehörte die Familie zur Mittelschicht, doch die Wohnung in Grantham war klein und besaß nur eine Außentoilette. Mit viel Fleiß gelang es Margaret, ein Stipendium für ein Chemiestudium in Oxford zu gewinnen. Dort interessierte sich die junge Frau vornehmlich für Politik und engagierte sich in der Oxford University Conservative Association. Frauen wurden damals noch vielfach benachteiligt, sie durfte beispielsweise nicht Mitglied der Oxford Union werden.

Erste weibliche Amtsinhaberin
Thatcher war eine selbstbewusste Frau, von der linken Frauenbewegung, die besonders nach 1968 hervortrat, hielt sie sich aber fern. Sie sei eine moderne Hausfrau, die Familie und Karriere vereinbare, sagte sie. „In unserer Ehe habe ich die Hosen an, und ich wasche und bügele sie auch“, erklärte sie. Ihren weiblichen Charme setzte sie durchaus gezielt ein. Der französische Staatspräsident Fran­cois Mitterrand war später einmal so angetan von der britischen „Iron Lady“ (Eisernen Lady), dass er über sie gesagt haben soll, Thatcher habe „die Augen von Caligula und den Mund von Marylin Monroe“.

Nach drei vergeblichen Anläufen als Tory-Kandidatin für einen Unterhaussitz war sie 1958 erstmals im Wahlkreis Finchley im Londoner Norden gewählt worden. Die junge talentierte Abgeordnete und glänzende Rednerin stieg bald auf. In der Regierung Heath war sie 1970 bis 1974 Bildungsministerin. Weil sie die kostenlose Schulmilch strich – um andere Kürzungen im Bildungswesen zu vermeiden –, bekam sie den Spitznamen „Thatcher, Milk Snatcher“ (Milchdieb).

Großbritanniens wirtschaftliche Lage verschlechterte sich in den 70er Jahren dramatisch. Nach dem „Winter des Missvergnügens“ 1978/1979, als radikale Gewerkschaften in den Ausstand traten und die Labour-Regierung machtlos erschien, gelang Thatcher im Mai 1979 ein triumphaler Wahlsieg. Der Versuch, die Wirtschaft zu stabilisieren, war schwieriger als gedacht. Die Inflation blieb hoch, die Arbeitslosigkeit stieg. Nur der Krieg um die Falklandinseln (Malvinen) nach dem Angriff der argentinischen Generäle, den Britanniens Kriegsmarine gewann, hat Thatcher aus dem Popularitätstief gerettet. Sie ging ein großes Risiko ein und gewann. Thatcher stand nun als mutige, strahlende Siegerin da und erlangte die Wiederwahl 1983.

Länger im Amt als Churchill
Thatchers Härte zeigte sich auch im Kampf gegen den marxistischen Bergarbeiter-Gewerkschaftsführer Arthur Scargill, der den Klassenkampf gegen die Konservativen predigte. Tausende Kohlekumpel streikten ein Jahr lang, um Kraftwerke und Industrie lahmzulegen, doch mussten sie erfolglos aufgeben. Trotz aller Proteste schloss die Thatcher-Regierung Dutzende unrentable Zechen. Sie privatisierte viele Großunternehmen wie British Steel, British Petroleum, Rolls-Royce oder British Airways. Ihre Kritiker sagen, dass Thatcher an der Deindustrialisierung Großbritanniens schuld sei. Dagegen förderte Thatcher den Dienstleistungssektor. Die Deregulierung der Banken- und Börsenbranche in der City of London mit dem „Big Bang“ 1986 löste einen Finanzboom aus.

In den späten 80er Jahren häuften sich die Konflikte mit Kabinettskollegen. Thatcher wurde zunehmend als herrisch, rechthaberisch und starrsinnig wahrgenommen. Viel Streit gab es um Europa. Thatcher hatte einst den Briten-Rabatt bei den EU-Beiträgen herausgeschlagen. Zunehmend wurde sie eurokritischer, die späteren Brexit-Anhänger beriefen sich auf ihre Warnung vor einem Superstaat. Der Konflikt mit ihrem langjährigen Mitstreiter Geoffrey Howe um das Europäische Währungssystem und sein Rücktritt als Außenminister erschütterte die Thatcher-Regierung 1990. Seine Rücktrittsrede trug letztendlich zu ihrem Sturz im November 1990 bei.

Thatcher hat ihr Land tief geprägt. Sie trug – in enger Partnerschaft mit Ronald Reagan – auch zum Sieg des Westens im Kalten Krieg bei. Mit Deutschland konnte sie wenig anfangen. Vergeblich hat sie sich gegen die Vereinigung gestemmt. Ihre Abneigung gegen die Deutschen steigerte sich bis zur Feindschaft. Sogar beim Wimbledon-Finale 1990 konnte sie ihr Ressentiment nicht verhehlen. Sie sei geradezu „besessen von ihrer Abneigung gegen die Deutschen“ gewesen, urteilte ihr Ex-Minister Douglas Hurd – und wollte deshalb unbedingt, dass Boris Becker verlor, was er auch tat. Die letzten Jahre nach ihrem Sturz, den sie als Verrat durch ehemalige Verbündete wertete, lebte Thatcher zunehmend zurückgezogen und teils vereinsamt bis zu ihrem Tod nach einem Schlaganfall im April 2013.

Noch heute ist Thatcher Hassfigur vieler britischer Linker. Eine Bronzestatue von ihr konnte man aus Angst vor Angriffen nicht auf dem Parlamentsplatz in London aufstellen. In Grantham, wo die Statue schließlich landete, warfen Gegner Eier auf sie. Auf der anderen Seite ist Thatcher bis heute die Säulenheilige der Konservativen Partei. Beim Parteitag in Manchester diese Woche haben sie ihrer Eisernen Lady gedacht. Selbst viele Kritiker gestehen zu, dass Thatcher in einer schwierigen Zeit bemerkenswerte Erfolge errungen hat.


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