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Wie Königsberg vor 100 Jahren Immanuel Kants Geburtstag beging

Die Geburtstagsveranstaltungen waren die größten Feierlichkeiten seit der Königskrönung Wilhelms I. im Jahre 1861. Das Jubiläum hauchte den Kant-Studien neues Leben ein

Bernhard Knapstein
21.04.2024

Das 19. Jahrhundert war mit Blick auf die Philosophie Immanuel Kants, dem größten Sohn Königsbergs, eine wahre Durststrecke. An der Königsberger Universität wurde nur wenig zu Kant geforscht, die Zeit des deutschen Idealismus, die mit dem Erscheinen der „Kritik der reinen Vernunft“ 1781 begann und mit dem Tod Georg Wilhelm Friedrich Hegels 1831 endete, war vorüber. Und so gab es auch nur eine Handvoll Dissertationen zu Kant an der Albertina während dieser Zeit. Vielleicht, weil es das Jahrhundert der Hegelianer war.

Die Kantforschung nahm – ungeachtet der antimaterialistischen Neukantianer unter Otto Liebmann und Friedrich Lange – zu Beginn des 20. Jahrhunderts wieder langsam Fahrt auf. Doch erst die gewaltigen Umbrüche im Staatswesen, der Philosophie, der Wirtschaft, der Kunst und der Bildung nach dem Ende des Ersten Weltkriegs brachten Kant und der Metaphysik wieder eine hohe Aufmerksamkeit, machten Kant letztlich wieder populär. Die Kant-Feierlichkeiten zu seinem 200. Geburtstag im April 1924 waren die wichtigsten Festlichkeiten in der Pregelmetropole seit der Krönung Wilhelms I. zum preußischen König im Oktober 1861.

Einweihung des neuen Kantgrabes
Für die Kant-Feier wurden eigens Ausweise gefertigt, die den Zutritt zu den einzelnen Veranstaltungen ermöglichten. Die Feierlichkeiten zogen zahlreiche Persönlichkeiten in die Stadt. Der stellvertretende Reichskanzler Karl Jarres und Preußens Ministerpräsident Otto Braun nahmen an den Ereignissen teil.

Den Auftakt machte eine Festversammlung im Friedrichskollegium, organisiert von der Königsberger Kantgesellschaft am 19. April. Am Folgetag zog sich eine Festversammlung in der Palästra Albertina über fünfeinhalb Stunden hin, auf der mehrere Professoren aus dem ganzen Reich ihre Vorträge rund um Kant hielten. Ein weiterer Höhepunkt war die Einweihung des neu gestalteten Kantgrabs am Königsberger Dom.

Die 1880 errichtete Grabeskapelle war so baufällig geworden, dass sie 1898 abgerissen worden war. Erst mit dem Entwurf des Architekten Friedrich Lahrs erhielt die historische Grabstätte wieder ein würdiges, wenn auch modernes Erscheinungsbild. Der von Hugo Stinnes finanzierte Kenotaph im Stile des Bauhauses gilt bis heute als gelungen. Die feierliche Einweihung fand im Dom statt.

Am 22. April sprach der Preußische Wissenschaftsminister und weitere Honoratioren im Rahmen eines Festakts im Stadttheater. Am selben Tage richtete die Gesellschaft der Freunde Kants das berühmte, nur ein Jahr nach Kants Tod 1804 erstmals zelebrierte Bohnenmahl im Stadttheater aus. An diesem 22. April 1924 wurden Hühnersuppe, Ostseelachs mit holländischer Tunke, Hammelrücken mit Edelgemüse, Stadthalleneis, die berüchtigte „Bohnentorte“, Käse und Kaffee kredenzt. In jedem Jahr entschied eine in der Torte versteckte Bohne darüber, wer im kommenden Jahr die Festansprache halten sollte.

Die Feierlichkeiten endeten am 23. April mit einem rauschenden Festkommers der Königsberger Studentenschaft in der Stadthalle. Die Verbindungen zeigten dieser Tage in der Stadt mit ihrer Couleur und Fahnen Dauerpräsenz.

Damit die Kant-Feierlichkeiten nicht nur ausgewählten Akademikerkreisen vorbehalten blieb, lieferte die „Königsberger Allgemeine Zeitung“ eine Sonderbeilage zum 200. Geburtstag des Philosophen. Universitätsrektor Alfred Uckeley schrieb den Aufmacher dafür, indem er den Sinn der Kant-Feier erläuterte. Die neue Inselsituation Ostpreußens und das Gefühl der Bedrohung durch Polen und Frankreich gaben hierbei den Ton vor, wie das ausgeprägte Pathos belegt. Uckeley forderte in seinen Ausführungen ein „großes deutsches Kulturfest“ für deutsche Werte und deutschen Idealismus.

Kant-Gedächtnistag an den Schulen
Zudem werden gleich mehrere Kant-Münzen geprägt, die den Philosophen in Erinnerung rufen. Kant wurde im heutigen Sinne noch einmal populär. Es wurde nach Kant-Reliquien geforscht, und die Stadtverwaltung benannte die Prinzessinstraße, in der bis zum Abriss das Kant-Haus stand, in Kantstraße um.

Die Feierlichkeiten fanden nicht nur in Königsberg statt. Reichsweit wurde der 200. Geburtstag begangen. Das preußische Kultusministerium verfügte, dass alle höheren Lehranstalten sowie Bildungsanstalten für Lehrer noch vor dem Ende des Schuljahres „in angemessener Weise“ einen Kant-Gedächtnistag durchführten. Ziel sei es, in den oberen Klassen über die Lektüre aus dem Werk des Philosophen „einen tieferen Einblick in das Denken des großen Philosophen zu geben“.


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