Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Wikinger, Kuren und verarmte Adlige verbreiteten als blutrünstige Seeräuber Angst und Schrecken auf der Ostsee
Im frühen Mittelalter gab es bereits einen regen Schiffsverkehr auf der Ostsee. Und dieser lockte auch Piraten an. Quellen hierüber existieren allerdings nur sehr wenige. Dennoch steht fest, dass sich vor der Küste des heutigen Ostpreußen zunächst die Wikinger und etwas später die Kuren als Seeräuber betätigten. Die berüchtigten rauen Nordmänner operierten dabei insbesondere von Gotland aus und errichteten parallel dazu in Truso am Frischen Haff sowie unweit des späteren ostpreußischen Dorfes Wiskiauten im Samland Stützpunkte, in denen sie zeitweise auch Handel trieben.
Nach dem Verschwinden der kriegerischen Horden aus dem Norden avancierten die Kuren ab dem 10. Jahrhundert zu den „Wikingern unter den Balten“ und machten die Ostsee unsicher. Angesichts ihrer Raubzüge beteten die Menschen entlang der Küste und die Händler auf hoher See: „Oh allmächtiger Gott, bewahre uns vor den Kuren!“
Dagegen berichtet der Chronist Adam von Bremen um 1075 über die Pußen, also die Ureinwohner Ostpreußens, dass sie „sehr menschenfreundliche Leute“ seien, „die von Seenot und Raubschiffern bedrohten Seefahrern entgegeneilen, um ihnen zu helfen“.
Einen weiteren Aufschwung erlebte die Piraterie vor der ostpreußischen Küste mit dem Vormarsch des Deutschen Ordens und der Besiedlung des Prußenlandes durch Kolonisten. Denn die Folge davon war eine erhebliche Intensivierung des Schiffsverkehrs im Verlauf des 13. Jahrhunderts, was die Piraterie erst so richtig lohnenswert machte. Im 14. Jahrhundert kamen dann außerdem noch mancherlei politische Querelen zwischen den Hansestädten sowie Norwegen, Dänemark und Schweden hinzu, die vor allem ab 1376 zu einer enormen Ausweitung des Seeräuberunwesens führten.
An der Spitze der Freibeuter standen dabei nicht selten verarmte Adlige aus Mecklenburg, darunter beispielsweise Arnd Stuke von der Burg Kützin oder Bosse von dem Kalende. Diese versammelten jede Menge gesellschaftlichen Abschaum um sich herum, wie der entsetzte Vermerk eines Franziskanermönchs namens Detmar deutlich macht: „Es ist nicht zu beschreiben, was an bösem Volke zusammenlief aus allen Ländern von Bauern und Bürgern, von Amtsknechten und anderem losen Volk, die alle nicht arbeiten wollten und den fleißigen Menschen alles nehmen werden.“ Dazu gesellten sich obendrein religiös Verfolgte wie Waldenser aus Brandenburg und Pommern. Spätestens im Jahr 1390 gab es kein sicheres Fleckchen in der gesamten Ostsee mehr, was den Handelsverkehr mit den ostpreußischen Häfen nahezu zum Erliegen brachte, wobei die Kaperschiffe nun meist von der Insel Bornholm kamen.
Deutscher Orden und die Hanse
Die Kaufleute wehrten sich, indem sie gefasste Seeräuber auf ausgesucht grausame Weise exekutierten – so zum Beispiel durch das langsame Herausziehen der Gedärme bei lebendigem Leibe. Trotzdem vermochten sie nicht zu verhindern, dass 1393/94 ein regelrechter Seekrieg in der Ostsee ausbrach, der mit einer unglaublichen Brutalität tobte.
Damals begann zugleich die „Verbrecherkarriere“ des berühmt-berüchtigten Piraten Klaus Störtebeker, der später jedoch vornehmlich in der Nordsee operierte.
Da das Herrschaftsgebiet des Deutschen Ordens in Ostpreußen am schwersten vom Niedergang des Handels durch die Seeräuberei betroffen war, suchte der Orden den Schulterschluss mit der Hanse. Allerdings versäumten es die ostpreußischen Hafenstädte, ihren Beitrag zur Aufstellung einer ständigen Schutzflotte von bewaffneten Koggen zu leisten. Deshalb konnten sich die Piraten 1395 auf Gotland festsetzen und ihre Feldzüge gegen die Hanse, Dänemark und den Deutschen Orden weiter intensiveren. Darüber hinaus fielen sie den Ordensrittern 1397 bei deren Kampf um Livland in den Rücken. Damit war das Maß für den Hochmeister Konrad von Jungingen voll.
Von der Ostsee in die Nordsee
Herimlich zog er Anfang 1398 84 Schiffe mit etwa 4000 Bewaffneten und 400 Pferden an Bord an der Weichselmündung zusammen. Die Wehrflotte segelte dann nach Gotland, wo sie am 21. März eintraf. Angesichts der militärischen Übermacht der Ordensleute waren die Piraten, die sich der Unterstützung des mecklenburgischen Herzogs Johann IV. erfreuten, zu Verhandlungen bereit. An deren Ende räumten der Herzog und die Mehrzahl der Seeräuber die Insel. Der verbleibende Rest an Piraten wurde kurzerhand erschlagen. Außerdem ließ Konrads Oberbefehlshaber, Johann von Pfirt, drei Burgen der Piraten schleifen. Anschließend stationierte der Deutsche Orden Truppen auf der Insel, damit sie nicht wieder in falsche Hände geriet, bevor er Gotland 1408 an Dänemark verkaufte.
Nach der erfolgreichen Aktion der Ordensritter blieben die Schiffe der Kaufleute aus Königsberg, Memel und anderswo weitgehend verschont, weil sich der Schwerpunkt der Seeräuberei fortan in die Nordsee verlagerte, wo die Hanse die sogenannten Vitalienbrüder oder Likedeeler um Störtebeker ebenfalls immer erfolgreicher bekämpfte und zu Beginn des 15. Jahrhunderts nach und nach eliminieren konnte.
Mit der Entdeckung der Neuen Welt ab 1492 ging die Piraterie in der Ostsee und somit auch vor Ostpreußen immer weiter zurück. Ungeachtet dessen kreuzten hier aber selbst im 17. Jahrhundert noch mehrere Konvoischiffe mit bis zu
54 Kanonen zum Schutz der Handelsschifffahrt vor Freibeutern. Endgültig befriedet war die Region dann erst im
18. Jahrhundert, sodass auch die Versicherungsprämien im Seehandel fielen.