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Diabolische Zechbrüder: Bronzestatuen von Mephisto und Doktor Faust vorm Eingang von Auerbachs Keller in der Mädler-Passage
Bild: imago/zoonarDiabolische Zechbrüder: Bronzestatuen von Mephisto und Doktor Faust vorm Eingang von Auerbachs Keller in der Mädler-Passage

Gastronomie

Wilder Ritt auf dem Weinfass

Vor 500 Jahren eröffnete Heinrich Stromer in Leipzig Auerbachs Keller – Zu „Besuch“ waren auch Mephisto und Doktor Faustus

Veit-Mario Thiede
22.04.2025

Auf dem Leipziger Naschmarkt steht seit 1903 das Goethedenkmal. Die von Carl Seffner entworfene Bronzefigur zeigt Goethe als schlanken Jüngling im eleganten Rokokokostüm. Die goldene Sockelinschrift teilt uns mit: „Student in Leipzig 1765–1768.“ Von hier ist es nicht weit bis zu Auerbachs Keller. Der dank Goethes Tragödie „Faust“ in aller Welt berühmte Weinausschank wird 500 Jahre alt. In der im Lokal aushängenden Hauschronik lesen wir: „1525, Ostern: Dr. Heinrich Stromer von Auerbach läßt zum Semesterbeginn erstmals im Weinkeller seines Hauses Wein an Studenten ausschenken.“

Der aus dem oberfränkischen Auerbach stammende Stromer war Universitätsprofessor in Leipzig sowie Leibarzt des Herzogs Georg von Sachsen, des Kurfürsten Joachim von Brandenburg und des Kardinals Albrecht. Der „Dr. Auerbach“ genannte Mediziner kaufte in den frühen 1520er Jahren einen unterkellerten Hof. Dessen Bauten ließ er in den 1530er Jahren abreißen und durch den mit Stallungen und 100 Messeständen ausgestatteten Auerbachs Hof ersetzen. Vom Vorgängerbau blieb der Weinkeller erhalten, den Stromer aber erweiterte.

Als der Kofferfabrikant Anton Mädler Auerbachs Hof abreißen ließ, um auf dem Areal die Mädler-Passage zu erbauen, bewahrte er Auerbachs Keller vor der Zerstörung. Aus statischen Gründen wurden die historischen Keller zunächst abgebaut. Aber zur Eröffnung 1913 waren sie originalgetreu wiedererstanden und um weitere Räumlichkeiten ergänzt: den Großen Keller sowie den Salon Alt-Leipzig. In dem hängen nach historischen Graphiken um 1913 von namentlich nicht bekannten Kunststudenten gemalte Stadtansichten. Auf einer ist Auerbachs Hof zur Messezeit zu sehen.

Episoden aus Goethes „Faust“
Zu dem sich unter der Mädler-Passage erstreckenden Restaurant mit Wein- und Bierausschank führt eine zweiläufige Treppe. An ihr stimmen zwei von Mathieu Molitor entworfene Bronzegruppen die Besucher auf die im Keller auf sie wartenden Kunsterlebnisse ein. Molitors Figuren entstammen Goethes in Auerbachs Keller angesiedelter „Faust“-Episode. Drei bezechte Studenten gehen in ihrem von Mephisto verursachten Zauberwahn aufeinander los. Ihnen gegenüber stehen der gedankenverloren aussehende Faust und der agile Mephisto, der mit gebieterisch erhobenem Arm den auf den Studenten lastenden Zauberbann löst.

Auf das Foyer folgt zunächst der Große Keller. Dessen Bogenfelder sind mit Monumentalgemälden geschmückt, die Szenen aus „Faust, Erster Teil“ (1808 veröffentlicht) und „Zweiter Teil“ (1832 veröffentlicht) illustrieren. Hans Best zeigt die Verjüngungskur des alten Doktor Faust in der Hexenküche. Fritz Rentsch führt uns Marthes Garten vor Augen, wo sie und Mephisto zu Margarete und dem verjüngten Faust blicken, die einander scheu näherkommen. Zu den neun um 1913 gemalten Werken gesellen sich drei neu gemalte Bilder des Werner-Tübke-Schülers Volker Pohlenz. Sein Gemälde „Goethes Faust-Inspiration“ (2015) stellt den jungen Goethe und seinen Freund Behrisch in Auerbachs Keller dar – und ebenso Goethes umwölkte Vision: den Fassritt von Faust und Mephisto.

Im historischen Goethezimmer entdeckt man zwei der ältesten Gemälde des geselligen Erinnerungsortes. Die hat sich schon Goethe angesehen. Andreas Bretschneider schuf sie 1625 für Stromers Urenkel Johann Vetzer. Das eine zeigt Doktor Faustus bei der von Musikanten begleiteten Zecherei mit den Studenten. Das andere stellt dar, wie der vom Kellerwirt, Fassträgern und Studenten bestaunte Doktor Faustus auf einem Weinfass aus dem Keller reitet.

Selbst Luther kam einmal vorbei
Die historische Faustfigur (um 1480 bis um 1541) zog als Wunderheiler und Magier durchs Land. Bei einem seiner alchemistischen Experimente verlor Faust schrecklich entstellt sein Leben. Die Leute waren überzeugt, der Teufel habe ihn geholt. Bald schon sagte man dem Faust wunderliche Taten wie den Fassritt nach. Den reklamierte Vetzer für seinen Weinkeller und ließ deshalb das Bild malen.

Das griff Goethe auf, der einen der von Mephisto ver- und entzauberten Studenten sagen lässt: „Ich hab' ihn selbst hinaus zur Kellertüre – / Auf einem Fasse reiten sehn – –.“ Bei Goethe bleibt Faust in Auerbachs Keller allerdings nur eine Hintergrundfigur. Die Hauptrolle spielt der Teufel: Mephisto.

Aus dem Goethezimmer geht es in das Lutherstübchen. Stromer war Zuhörer der Leipziger theologischen Disputation von 1519 zwischen Johannes von Eck, den Karlstadt genannten Andreas Bodenstein und Martin Luther. Er lud den von der Einwohnerschaft angefeindeten Luther zu sich ein. Aber der quartierte sich lieber bei seinem Drucker Melchior Lotter ein.

Mit dem im Lutherstübchen hängenden Gemälde „Das geheime Treffen am 3. Dezember 1521“ will uns Pohlenz etwas weismachen, das nicht stattgefunden hat. Der Reformator und Stromer sitzen im Lutherstübchen und teilen sich ein Glas Weißwein. Luther reiste im Dezember 1521 von der Wartburg heimlich für einige Tage nach Wittenberg. Zwar machte er in Leipzig Station. Allerdings begab er sich nicht zu Stromer, sondern in Hans Wagners Gasthaus „Zu den drey Schwanen“. Erst 1539 nahm Luther während der Einführung der Reformation in Leipzig Quartier in Auerbachs Hof.

In den tonnengewölbten Fasskeller ist das auf 1530 datierte Hauszeichen von Auerbachs Hof versetzt. Es zeigt Bacchus. Erster Blickfang aber ist der von Max Stolz 1913 geschnitzte Hängeleuchter: Faust reitet in Begleitung nackter Hexen auf dem von Wolken getragenen Weinfass. Sie fliegen zur Walpurgisnacht. Mephisto bildet das Schlusslicht.

An den Wänden befinden sich die von Moritz Retzsch entworfenen und durch Heinrich Bey 1867 ausgeführten Bilder zu Goethes „Faust“. Sie sehen von der Hexenküche, über die Liebesszene bis hin zu Margaretes Weigerung, sich von Faust aus dem Kerker befreien zu lassen, einnehmend gespenstisch aus. Die Stirnwand bietet den End- und Höhepunkt des Rundgangs. Auf ihr sieht man den von Mephisto verzauberten Tisch, aus dessen Rand die Studenten ihren Wunsch-Wein zapfen. Unter dem Gemälde schiebt sich ein Weinfass aus der Holzvertäfelung. Die Teilnehmer einer Fasskeller-Zeremonie dürfen auf ihm reiten.

www.auerbachs-keller-leipzig.de 


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Kommentare

Bernhard Moos am 25.04.25, 16:45 Uhr

Liebe Redaktion,
Heinrich Stromer stammt aus Auerbach in der Oberpfalz. Das Adjektiv "oberfränkischen" im 1. Satz des 2. Absatzes doch bitte durch "oberpfälzischen" ersetzen. Die Stadt Auerbach grenzt zwar sowohl an Mittel- als auch an Oberfranken, gehört aber eindeutig zur Oberpfalz.
Besten Dank

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