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Demokratieverfall

Wirbel um die Wahl des Radebeuler Kulturamtschefs

Weil Jörg Bernig als „neurechts“ gilt, versuchen „Kunst- und Kulturschaffende“, seine Wahl rückgängig zu machen

Erik Lommatzsch
03.06.2020

Gesetzeskonforme Wahlen haben in Deutschland nicht mehr unbedingt zur Folge, dass der Kandidat mit den meisten Stimmen in demokratischer Manier als Sieger akzeptiert wird und ohne abermalige Diskussion das Amt antreten kann. Wie im Fall des thüringischen Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) oder des inzwischen aus der SPD ausgetretenen Zweiten Bürgermeisters von Höchstadt, Günter Schulz, darf eine Wahl nicht mit entscheidenden Stimmen der AfD zustande kommen. Beim jüngsten Vorgang dieser Art kommt hinzu, dass der Kandidat als „Vertreter der neuen Rechten“ gilt.

Am 20. Mai wurde der Schriftsteller Jörg Bernig im sächsischen Radebeul vom Stadtrat in nichtöffentlicher Sitzung zum Leiter des Kulturamts gewählt. Um diese Position hatte er sich beworben, er war nicht von einer Partei nominiert worden. Stimmen erhielt er wohl vor allem aus den Reihen der CDU und der AfD. Bernig lebt seit 1995 in Radebeul, zuletzt veröffentlichte er den Essay-Band „An der Allerweltsecke“ mit Eindrücken aus dem östlichen Mitteleuropa und vom Balkan. Er ist Träger zahlreicher Auszeichnungen und unter anderem Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste sowie der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.

Proteste aus der Kulturszene

Gegen die – regulär abgelaufene – Wahl Bernigs, der zu den Erstunterzeichnern der „Gemeinsamen Erklärung 2018“ zählte, erhob sich lautstarker und medial geförderter Protest. „Radebeuler Kunst- und Kulturschaffende“, die ihn erkennbar nicht als einen der Ihren ansehen, äußerten in einem offenen Brief „Entsetzen und Unverständnis“. Sie sorgen sich um „fatale Folgen für die Stadt, deren Bewohner und die einzigartige Kulturlandschaft“. Der künstlerische Leiter der „Karl-May-Festtage“, Helmut Raeder, klagte, er müsste mit Bernig direkt zusammenarbeiten, dieser hätte „jedoch überhaupt keine Basis“. Schauspieler Herbert Graedkte, der auch für die SPD im Stadtrat sitzt, will aus Protest den Radebeuler Kunstpreis zurückgeben, der ihm 2006 verliehen worden war. Autor Thomas Gerlach ließ vernehmen, Bernig habe sich „von selbst in die rechte Ecke begeben“, damit wolle er nichts zu tun haben. Jazz-Musiker Günter „Baby“ Sommer, vor Jahren mit Stasi-Vorwürfen konfrontiert, befürchtet laut „Sächsischer Zeitung“ die „Einengung der freiheitlichen Ausübung von Kunst und Kultur, sollte Jörg Bernig tatsächlich Kulturamtschef werden.“

Dieselbe Zeitung war es auch, die anklagend behauptete, Bernig sei neben seiner literarischen Tätigkeit „vor allem als politischer Autor und Aktivist bekannt“. Die „Zuwanderungspolitik der Bundesregierung“ habe er als „nach Deutschland gelenkte Massenmigration“ bezeichnet. Die Schriftstellervereinigung „PEN-Zentrum Deutschland“, der auch Bernig angehört, kritisierte seine Wahl ebenso wie der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD), der sie als „ungeheuerlich“ charakterisierte. Theologe Frank Richter, gescheiterter Oberbürgermeisterkandidat in Meißen und parteilos für die Sozialdemokaten im Sächsischen Landtag, schrieb, Bernigs „Vorstellungen von Kultur lassen befürchten, dass er einer rückwärtsgewandten und nationalistischen Politik zugetan“ sei. „Entsetzt“ ist Richter, dass die CDU „offenbar kein Problem“ hatte, mit der AfD zu stimmen.

Unterstützt wurde Bernig hingegen vom Dresdner Schriftsteller Uwe Tellkamp, bekannt durch den Roman „Der Turm“, sowie vom Chefdirigenten der Sächsischen Staatskapelle, Christian Thielemann. Letzterer hat dies dann allerdings später widerrufen.

Die Reihen derjenigen, welche eine ganz persönliche Auffassung von Demokratie haben, verstärkt inzwischen auch der parteilose Radebeuler Oberbürgermeister Bert Wendsche. Er machte von seinem Vetorecht Gebrauch. Die Wahl wird wiederholt, allerdings mit denselben Kandidaten.


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Kommentare

reiner becker am 07.06.20, 18:00 Uhr

die schwätzer reden von mehr demokratie

k.d. mueller am 06.06.20, 13:49 Uhr

Mir gefallen so einige der Figuren, die uns zur Zeit regieren, auch nicht.
Ich möchte auch da so lange Neuwahlen, bis ich zufrieden bin.

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