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Wirtschaft

Wohnungskrise wird Standortnachteil

Experten warnen: Rasant gestiegene Preise bei Neuvermietungen verschärfen Berlins Fachkräftemangel

Hermann Müller
21.03.2024

Berlins Senat sieht die deutsche Hauptstadt bis zum Jahr 2040 auf vier Millionen Einwohner anwachsen. Allerdings ist die Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt geeignet, diese Prognose über den Haufen zu werfen. Zuzügler müssen nämlich sehr tief in die Tasche greifen, wenn sie in Berlin auf Wohnungssuche gehen. Ein Fachblatt der Immobilienbranche sprach sogar davon, dass für Neubürger das Wohnen an der Spree zum Luxus geworden ist.

Wie aus dem neuen Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin (IBB) hervorgeht, sind die sogenannten Angebotsmieten im vergangenen Jahr tatsächlich kräftig angestiegen. In der Innenstadt wurden demnach im Durchschnitt 18 Euro je Quadratmeter verlangt. Der Berliner Gesamtdurchschnitt lag im vergangenen Jahr bei 14 Euro je Quadratmeter. Gegenüber dem Jahr 2022 war dies ein Anstieg um 21 Prozent.

Bei Verträgen für Neubauwohnungen kletterten die Mieten sogar auf durchschnittlich 19,85 Euro pro Quadratmeter. Die Miethöhe bei neuen Verträgen lag in der Hauptstadt damit fast doppelt so hoch wie die ortsübliche Vergleichsmiete gemäß dem Berliner Mietspiegel: Für Bestandsmieten werden in Berlin durchschnittlich nur 7,16 Euro pro Quadratmeter fällig. Diese starke Spreizung zwischen den Bestandsmieten und den Angebotsmieten ist aus Sicht der IBB beispiellos im Vergleich mit anderen Großstädten. Nach Einschätzung von IBB-Chef Hinrich Holm hat Berlin damit mittlerweile zwei Wohnungsmärkte: „Einen mit moderaten Preisen bei bestehenden Mietverträgen und einen mit hohen Mieten im Angebot.“

Fast 20 Euro pro Quadratmeter
Die extreme Kluft zwischen Bestandsmieten und den geforderten Preisen bei Neuvermietung hat weitreichende Folgen: Zum einen können die hohen Preise Interessenten von vornherein vor einem Umzug nach Berlin abschrecken. Wer beispielsweise aus beruflichen Gründen in die Hauptstadt muss, tut gut daran, sich gleich nach einer Wohnung im Berliner Umland umzusehen. Dort ziehen zwar mittlerweile auch die Mieten an, der Preisunterschied zur Metropole selbst ist dennoch deutlich. Tendenziell ist auch eine Entwicklung zu befürchten, vor der die Unternehmensentwicklung PwC schon 2020 gewarnt hatte: Die angespannte Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt verschärft den Fachkräftemangel in der Stadt.

Anfang März wies der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) noch auf eine andere Auswirkung der vergleichsweise moderaten Bestandsmieten hin. Nach Angaben des Verbandes sind bei seinen Mitgliedsunternehmen (dies sind kommunale, landeseigene, genossenschaftliche, private und kirchliche Wohnungsunternehmen) die Bestandsmieten in Berlin vergangenes Jahr nur um knapp 1,4 Prozent auf durchschnittlich 6,59 Euro pro Quadratmeter (netto kalt) gestiegen.

Aus Mietersicht ist dabei zwar zu berücksichtigen, dass sich vor allem durch die Heizkosten die Warmmieten oft drastisch erhöht haben. Doch die vergleichsweise günstigen Nettokaltmieten für Bestandsverträge schränken auf der anderen Seite die Möglichkeiten für Neubau oder Modernisierungen durch die Wohnungsunternehmen ein. Diese sehen sich ihrerseits nämlich mit drastisch gestiegenen Baupreisen und Finanzierungskosten konfrontiert, wofür ihnen Kapital fehle, wenn die Bestandsmieten in ihren Gebäuden derart moderat ausfallen.

Boom bei möblierten Objekten
Aus Sicht des Berliner Mietervereins lässt sich die Lage bei den BBU-Unternehmen aber nicht auf die allgemeine Wohnungswirtschaft übertragen. Der Verein wies darauf hin, dass die Mieten bei den privaten Wohnungskonzernen deutlich über denen der landeseignen und genossenschaftlichen Vermieter lägen, die im BBU organisiert sind. Ulrike Hamann, Chefin des Berliner Mietervereins, warnt: „Die Angebotsmieten sind in Berlin dermaßen gestiegen, dass Wohnungssuchende verzweifelt viel zu hohe Preise akzeptieren und weiter unter Druck geraten.“ Für ihren Wohnungsmarktbericht wertete die Investitionsbank Berlin auch die Zahl von Inseraten aus. Dabei stellte sich heraus, dass die Zahl der Angebote für Mietwohnungen auf den einschlägigen Vermittlungsportalen im Internet auf nur noch 24.000 Inserate im gesamten Jahr 2023 gesunken ist. Dies waren rund 2000 Annoncen weniger als im Vorjahr.

Dafür bieten Vermieter immer häufiger möblierte Wohnungen auf Zeit an. Beobachter sehen in diesem Marktbereich mittlerweile sogar eine Goldgräberstimmung. Für die möblierten Wohnungen verlangen Vermieter im Berliner Durchschnitt 24,44 Euro je Quadratmeter. Wohnen auf Zeit ist damit in der Hauptstadt besonders teuer.

Deutlich gestiegen ist 2023 auch die Zahl von Inseraten für Eigentumswohnungen in Berlin. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl solcher Angebote um 1969 auf insgesamt 25.598. Damit sind vergangenes Jahr in Berlin erstmals über Internetinserate mehr Eigentumswohnungen als Mietwohnungen angeboten worden.


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