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Zerbrechliche Fügungen

Auf Umwegen ist Borowski-Glas an der deutsch-polnischen Schnittstelle angekommen

Chris W. Wagner
16.05.2022

Bunte Geschöpfe, Vögel mit überdimensionalen Schnäbeln, Fische oder Chamäleons – die phantasievollen Skulpturen aus Glas sind weltbekannt. Namhafte Galerien, Sammlungen und Museen, darunter das „Corning Museum of Glass“ in New York, das wichtigste Glasmuseum der Welt, zeigen Borowski-Glaskunst.

Die mundgeblasenen Glasskulpturen finden Abnehmer in aller Welt. „Dieser Tage hatte ich einen Kunden aus dem Iran“, sagt Katarzyna Borowski, die in der Thomaswaldauer [Tomaszów Bole-sławiecki] Glasmanufaktur Borowski-Studio bei Bunzlau für Kundenbetreuung und die Produktion verantwortlich ist. Die Germanistin aus Hirschberg [Jelenia Góra]ist mit dem Gründer des Borowski-Studios und Leiter der Glasmanufaktur Paweł Borowski verheiratet. Wenn es auch Borowski-Galerien in vielen deutschen Großstädten wie Düsseldorf oder Hamburg gibt, so wollte Katarzyna Borowski immer nach Görlitz.

Diesen Wunsch erfüllte ihre langjährige Freundin, die Laubanerin [Lubań Śląski] Katja Wasilewski. Am Muttertag öffnete sie in der Görlitzer Neißstraße 28 ihre Borowski-Galerie. „Es ist wie eine Fügung“, sagt Wasilewski, denn sie fand im denkmalgeschützten Haus in der Görlitzer Altstadt ein Haus, das sich perfekt für eine Galerie eignet. „Das Haus verfügt auch über eine Küche, und so können wir neben Borowski-Kunst sogar warme Küche anbieten“, sagt die resolute Frau und ruft nach Iman, dem persischen Koch. Er teilt sich die Küche mit einer Polin, die ihm das Piroggenkochen beibringt. „Jedes Mal, wenn Iman die Füllung auf seine Art verfeinern wollte, bekam er auf die Pfoten“, lacht Katja, die letztendlich beschlossen hat, zweimal pro Woche Persische Küche anzubieten. So bevölkerten am Eröffnungstag Besucher bei Ghormeh Sabzi, einen iranischen Kräutereintopf mit Rindfleisch, oder dem veganen Kookoo Sabzi das Renaissancehaus mit seinem perfekt erhaltenen Holzgebälk und vor allem natürlich Borowski-Glas.

Den Grundstein der Borowski-Glaskunst legte der 1944 in Frankreich geborene Stanisław Borowski. Als Sohn eines Bergwerksarbeiters, der in Frankreich Arbeit fand, musste er sein zeichnerisches und plastisches Talent vor dem Vater verbergen.

Nachdem die Borowksis 1948 zurück ins Karpatenvorland gingen, machte Stanisław eine Lehre als Mechaniker. Mit 20 Jahren fand er Arbeit in der Glashütte Krosno im Karpatenvorland, wo er als Glasschleifer tätig war. Dort lernte er die verschiedenen Glasgestaltungstechniken kennen. Doch sein Talent konnte er erst in seiner eigenen Werkstatt, in der Garage seiner Tante, entfalten.

Seine künstlerische Ausrichtung entdeckte Borowski 1977 in Coburg beim ersten „Wettbewerb für Modernes Glas in Europa“. Dort knüpfte er Kontakte zu deutschen Glaskünstlern und Galerien. Drei Jahre später sandte er seine Entwürfe dem weltweit größten Glasmuseum, dem New Yorker Corning Glasmuseum. Während die Welt der Glaskunst auf Borowski aufmerksam wurde, verschärfte sich die politische Lagen in Polen. Systemkritiker unter den Künstlern hatten es schwer, und so nutzte Borowski 1981 die Reisegenehmigung zum Glassymposium ins niederbayrische Frauenau, um in der Bundesrepublik zu bleiben. 1987 zog die Familie Borowski nach Hennef. Dort richtete der Vater mit seinen beiden älteren Söhnen Paweł und Wiktor das „Glasstudio Borowski“ ein.

1992 wechselten die Borowskis erneut ihr Lebenszentrum, diesmal ins niederschlesische Thomaswaldau, wo Stanisław, Paweł und der jüngste Stani Jan eine Glasmanufaktur gründeten. Wiktor Borowski blieb in Deutschland und kümmert sich als Manager von Königswinter aus um das Familienunternehmen. „Es war wichtig, dass die neue Manufaktur nahe zur deutschen Grenze gelegen war. Bunzlau war auch für eine Zeit lang Station für Stanisław auf dem Weg von Frankreich nach Krosno. Er kannte die Gegend, und so fand er in Thomaswaldau ein passendes Gebäude für seine Glashütte“, so Katarzyna Borowski. Jetzt sind 26 Mitarbeiter in der Glashütte beschäftigt. Schwiegervater Stanisław (76) betreut engagiert Besucher. Katarzyna freut sich nun, Görlitz als einen Ort zu begreifen, an dem man sich an den Werken der Borowskis erfreuen und bei einem Gläschen Wein und persischer Küche nicht nur über die Glaswelt diskutieren kann.


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