24.12.2025

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Archäologie

Zu Hause bei den alten Römern

Deutschlands größtes archäologisches Freilichtmuseum – Bei Xanten am Niederrhein finden sich Reste einer antiken Römersiedlung

Helga Schnehagen
08.11.2025

Die Originale der berühmtesten Botschafter der ehemaligen Römerstadt Colonia Ulpia Trajana (CUT) stehen im Neuen Museum Berlin und im Landesmuseum Bonn (wegen Umbauarbeiten erst ab März 2027 wieder zugänglich): eine Bronzeskulptur und ein Grabstein. Der Xantener Knabe hielt ein Tablett in den Händen, auf dem er als „Stummer Diener“ Speisen und Getränke servierte.

Die Inschrift des Caeliussteines besagt, dass der römische Offizier Marcus Caelius „im Krieg des Varus gefallen“ sei. Sie gehört damit zu den raren Zeugnissen über die Hermannschlacht. Der Fundort ist nicht zufällig. Am Anfang der Geschichte der CUT stehen zwei römische Militärlager, die heute Vetera I und II genannt werden. Vom Castra Vetera aus waren im Jahr 9 n. Chr. zwei Legionen unter dem Feldherrn Varus über den Rhein nach Norden gezogen und auf ihrem Rückweg von den Germanen unter Arminius aufgerieben worden. Vor Ort in Xanten zeigt das Römermuseum heute Kopien der berühmten Artefakte.

Das chronologisch aufgebaute, mit über 2500 Exponaten reich bestückte Römermuseum ist das Herzstück vom Archäologischen Park Xanten APX. Über eine halbe Million Menschen zieht es jährlich in das größte archäologische Freilichtmuseum Deutschlands, das 1977 auf dem Gelände der etwa 100 n. Chr. gegründeten einstigen Römerstadt eröffnet wurde. Heute ist der APX Teil der UNESCO-Welterbestätte Niedergermanischer Limes und erweckt sowohl für Besucher wie für Forscher die römische Antike immer wieder zu neuem Leben.

Die Größe der Stadt betrug 83 Hektar. Neben Köln und Trier lag in Xanten damit die drittgrößte römische Stadt auf deutschem Boden. Ihre Blütezeit währte allerdings nur kurz, noch nicht einmal

200 Jahre. Dafür hatte sie das Glück, nie überbaut worden zu sein. In der steinarmen Gegend am Niederrhein trug man ihre Mauern schlichtweg ab, um sie unter anderem im Xantener Dom zu verbauen. Damit verschwand die stolze Colonia unter Wiesen und Feldern.

Durch Luftaufnahmen kamen ihre unterirdisch liegenden Mauern wieder ans Tageslicht. Sie zeigen den genauen Verlauf der Straßen und die Lage wichtiger Gebäude. Inzwischen wurden zahlreiche Bauwerke ganz oder teilweise mit wissenschaftlicher Präzision und originalen Baumaterialien über den antiken Grundmauern rekonstruiert: die Stadtmauer samt Toren, das Amphitheater, der Hafentempel, die Herberge und die Handwerkerhäuser, die Großen Thermen mit dem integrierten Römermuseum. Und in der Werft entstehen Nachbauten römischer Schiffe.

Ansonsten ist aus der Stadt ein Park mit gepflegten Grünflächen geworden. Und ihre Hauptstraßen sind heute von Alleen gesäumte Sandwege. Seit dem Frühjahr 2025 fährt erstmals eine Art Linienbus durch das weitläufige Gelände. Der elektrische APXpress startet am Haupteingang und hält an allen relevanten Stätten (die Tageskarte kostet einen beziehungsweise zwei Euro, Behinderte frei).

Eine besonders spannende Station ist die Herberge mit ihrer eigenen dazu gehörigen Badeanlage – ein antikes Wellness-Hotel. Hier konnte man eine Schlafkammer mieten oder gleich ein ganzes Appartement mit Wohnzimmer und Küche. Während handwerklich Interessierte im APX detailliert die Bautechniken der Römer studieren können, kommen Freunde des „Schöner Wohnens“ beim Blick in die Herbergsräume auf ihre Kosten.

Kahle Wände gab es nur im Keller. Römische Gebäude waren in der Regel mit Wandputz, Malereien oder hochwertigen Verkleidungen aus dekorativen Steinen ausgestattet. Auch im APX kamen bei Ausgrabungen unzählige Bruchstücke von bemaltem Wandputz zutage. Vielleicht gab es damals sogar schon Musterbücher, aus denen der Kunde zwischen schlichten Rahmen und gemalten Marmorquadern, Säulen und Gesimsen, mythologischen Szenen und ganzen Landschaftsdarstellungen auswählen konnte.

Eine der größten und detailreichsten Malereien, die in der CUT gefunden wurde, stammt aus einem Privathaus. Die sorgfältig restaurierte sogenannte Adler-Giganten-Wand befindet sich heute im Römermuseum. Sie zeigt, dass die Wandmalereien in der CUT wesentlich schlichter waren als etwa in Pompeji.

Dennoch haben die Räume der Herberge durchaus Chic. Besonders das Wohnzimmer wirkt überraschend modern, selbst wenn die Einrichtung eher spärlich ist. Die Römer hatten als Mobiliar je nach Bedarf Hocker, Stühle, Tische, Schränke und Liegen. Die Vorbilder der rekonstruierten Möbel stammen aus Privathäusern.

Dass Wasser im Allgemeinen und Thermen im Besonderen bei den Römern eine herausragende Rolle spielten, ist bekannt. Die über ihren erhaltenen Fundamenten bis zur vollen Funktionsfähigkeit nachgebauten Herbergsthermen aber sind eine kleine Sensation. Im Rahmen der experimentellen Rekonstruktionen im APX wurden sie 16 Jahre lang im Probebetrieb benutzt. Nun sind an einigen Stellen Risse aufgetreten, durch die aus dem Hypokaustum Rauchgas in die Räume dringt. Vielleicht hatten schon die Römer ähnliche Probleme. Nach sorgfältiger Analyse sollen die Thermen in den nächsten Jahren saniert werden.

Der APX ist auch deshalb so beliebt, weil er eine geglückte Mischung aus Forschung und Bildung, Erholung und Vergnügen ist. Neben den Römerbauten gibt es einen großen Abenteuerspielplatz, einen Wasserspielplatz, Hüpfkissen sowie Bänke und Tische im Schatten zum Ausruhen. Das Angebot an Speisen und Getränken in der Kaffeemühle ist dagegen recht übersichtlich.

Dafür ist der Veranstaltungskalender gut gefüllt. Bis in den Herbst laden besonders die Römischen Wochenenden Groß und Klein ein, den Alltag in einer römischen Stadt zu erleben. Dabei bieten zum Beispiel der Schumacher und der Knochenschnitzer, eine Weberei und eine Schmiede die Möglichkeit, selbst etwas auszuprobieren.

Monatliche Vorträge im Römermuseum präsentieren darüber hinaus archäologische Neuigkeiten. Außergewöhnliche Fragen beantworten die monatlichen Sonntagsführungen. Oder wissen Sie, wie die Römer ihre Freizeit verbrachten?

www.apx.lvr.de 


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