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Erinnerungen an Daheim – Ostertraditionen wurden nach 1945 in beide Richtungen adaptiert
Schlesien östlich der Neiße ist ein kultureller Schmelztiegel. Nach 1945 kamen Menschen aus Zentralpolen und dem sogenannten Ostpolen und so auch aus den Karpaten in das durch die Vertreibung der Deutschen fast menschenleere Land. Sie brachten ihre Bräuche mit. In den als „wiedergewonne Gebieten“ bezeichneten Regionen lehnten sie anfänglich alles ab, was die Deutschen hinterließen. Die wenigen Einheimischen, die nicht vertrieben wurden, durften ihre Bräuche nicht mehr offiziell ausleben. Lediglich in Oberschlesien, wo auf dem Lande die Einheimischen in der Mehrheit waren, überdauerten alte Bräuche.
Mit der politischen Wende wurde Manches übernommen. So legt der Osterhase die Ostereier auch in polnische Nester, während man umgekehrt in manchen alteingesessenen Familien am Ostersonnabend mit gefüllten Körbchen zur Lebensmittelweihe in die Kirche geht. Eines haben Deutsche und Polen ohnehin gemeinsam: das bunt geschmückte Osterei.
Am Sonnabend vor Palmsonntag werden Volkskünstler aus Nieder- und Oberschlesien ins Ethnographische Museum zu Breslau eingeladen. Dort bringen sie ihre Meisterwerke an den Mann. Auch dieses Jahr wurden an mehreren Ständen schlesische Ostereier in der Kratztechnik präsentiert. Diese werden hauptsächlich in Oberschlesien hergestellt. „Je feiner und zarter das geritzte Muster, desto schöner das Ei. In den 60er Jahren hat man die Ostereiermuster auch in Porzellan geritzt“, sagt Porzellanmalerin Alina Wypchło aus Fürsten-Ellguth [Ligota Książęca] bei Namslau [Namysłów]. Es sei ein gutes Beispiel einer gelungenen Adaption historischer, schlesischer Bräuche in die neue polnische Tradition, sagt sie.
Deutschen und Polen gemeinsam: das bunt geschmückte Osterei
Domicela Rybacka präsentiert polnische Ostereier in Wachstechnik. Weil ihr aus der Nähe von Konin in Großpolen stammender Vater Milizionär war, musste ihre Familie alle zwei Jahre umziehen. Die einzige Konstante in ihrem „Nomadenleben“ war für sie das Ostereierverzieren. „Mit sechs Jahren habe ich zusammen mit meiner Mama, die von jenseits des Bugs stammte, mein erstes Ei verziert. Meine Technik ist einfach, aber es ist meine Leidenschaft, die ich so lange ausüben möchte, so lang mein Augenlicht ausreicht“. Die 76-Jährige träumt davon, ihre Sammlung einer Schule oder einem Kulturhaus spenden zu können, „damit das alles nach meinem Tode nicht im Container landet“.
Halina Jakubowska arbeitet ebenfalls in Batikwachstechnik. Sie ist in Münsterberg in Schlesien geboren und kam durch die Heirat nach Tillowitz [Tułowice], wo sie die Kunst des ostpolnischen Ostereischmückens von ihrer Nachbarin lernte. Diese kam aus Wolhynien nach Schlesien. „Ein Osterei war für uns wie eine Osterkarte, man verschenkte es als Gastgeschenk oder an liebe Menschen. Kinder bekamen ein grünes Ei, weil man so viel Hoffnung in Kinder setzt. Ein blaues bekamen flatterhafte Jungen und Mädchen, die es mit der Treue nicht so ernst meinten, ein schwarzes war für ehrwürdige Menschen, Amtsträger bestimmt“, erzählt sie. „Aber nur eines war rot, und das ging an den Auserwählten“, berichtet Jakubowska. Wenn ein Mädchen einem Jungen eine Abfuhr erteilte, steckte sie ihm ein rohes Ei in die Hosentasche und klatschte drauf: „Ein Ei hast du, mich aber nicht!“, so die Tillowitzerin. Ihre Schwiegermutter nahm nach dem Osterfrühstück die Schalen der am Ostersonnabend geweihten Eier und verstreute sie im Garten, damit die Ernte gut wurde, erinnert sie sich.
Eierschalen für die gute Ernte
„Meine Eltern hatten nur eine Stunde Zeit um zu packen. Dann mussten sie ihre geliebte Heimat verlassen“, sagt die Lemkin Maria Kieleczawa. Ihre Eltern kamen durch die sogenannte Aktion Weichsel nach Schlesien – hierbei handelte es sich um eine poleninterne Zwangsumsiedlung, bei der 1947 ethnische Ukrainer, Bojken und Lemken aus dem Südosten der Volksrepublik ihrer Heimat beraubt wurden. Sie alle galten als potentielle aufständische Ukrainer. Sie sollten weit abseits der Ukraine sich nicht mit Ukrainern verbrüdern können, wo sie als „Ruthenen“, quasi als Ukrainer, betrachtet wurden.
„Sie haben ihre Traditionen mitgebracht. Ich trage heute eine 100-jährige Tracht meiner Großmutter“, sagt Kieleczawa stolz. Die Traditionen der Lemken hat sie in einem Buch zusammengefasst. Kieleczawa lebt in Breslau, zu ihr kommen viele, die ihre Heimat verloren haben. Deutsche, die wie wir alles da lassen mussten, und Ukrainer, die sich über meine Arbeit freuen, denn diese erinnert sie an ihr Daheim.“