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Wolfgang Scherz schildert als Zeitzeuge die Ereignisse rund um die Zusammenführung von Deutscher Reichsbahn und Deutscher Bundesbahn
Vor 30 Jahren entstand die Deutsche Bahn AG durch die Zusammenführung der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Bundesbahn. An den Abläufen war Wolfgang Scherz, der damals noch nicht im höheren Dienst tätig war, maßgeblich beteiligt. Seine Erlebnisse hat er aufgeschrieben, die nun im Buch „Auf neuen Gleisen“ herausgekommen sind. Scherz war aufgeschlossen und vorurteilsfrei dem DDR-Staatsbetrieb gegenüber. Von 1990 bis 1994 war er als Geschäftsführer des Projekts „Zusammenführung von DR und DB“ in Berlin tätig. Der überraschende Befund des Autors ist, dass die Deutsche Bundesbahn ein defizitäres Zuschussunternehmen gewesen sei, während die Deutsche Reichsbahn Gewinne gemacht habe.
Scherz, selbst aus dem Westen stammend, meint, die Beschäftigten der Reichsbahn seien engagierter gewesen, sie trugen Dienstuniformen und der Umgangston sei „militärischer“ gewesen: „Die Reichsbahn hat dank ihrer Fachleute Fahrpläne konzipiert, die nicht nur funktionierten, sondern auch eingehalten wurden. Die Reichsbahn war dadurch ein verlässlicher Partner für die Bürger und für die Wirtschaft.“
Gegen die bei der Reichsbahn gebräuchlichen Doppelstockwagen gab es zunächst im Bereich der Bundesbahn große Widerstände. Scherz beklagt, dass in der Bundesrepublik rund 70 Prozent des Güterfernverkehrs per Lkw abgewickelt werde. Als überzeugter „Eisenbahner“ schimmert in seinem Buch gelegentlich eine feindselige Haltung zum motorisierten Individualverkehr durch.
Scherz lobt die Entscheidung der Regierungen Kohl und Modrow, „die Reichsbahn nicht in die Zuständigkeit des Finanzministers zu unterstellen“, das heißt, sie kam nicht unter die Herrschaft der Treuhand. Frühzeitig gab es eine Arbeitsgruppe, gebildet von beiden Seiten, die brauchbare Vorschläge machte, welche zunächst vonseiten der hochgestellten Entscheidungsträger der Deutschen Bundesbahn verworfen, später aber teilweise doch realisiert wurden.
Der Autor stellt seinen beiden früheren Chefs Heinz Dürr und Hartmut Mehdorn ein gutes Zeugnis aus. Insbesondere Dürr habe sehr viele Mitarbeiter an den Bahnhöfen aufgesucht und mit ihnen persönlich gesprochen, um sich selbst ein Bild zu machen.
„Auf neuen Gleisen. Die Abwicklung der Deutschen Reichsbahn“ gewährt Einblicke in das, was vor drei Jahrzehnten geschah. Gerade mit Blick auf die heutige Deutsche Bahn AG und ihre Probleme mit der Pünktlichkeit kann das Buch nachdenklich stimmen.
Wolfgang Scherz: „Auf neuen Gleisen. Die Abwicklung der Deutschen Reichsbahn“, Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2024, broschiert, 234 Seiten, 20 Euro