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Zweifel in Moskauer Machtelite wachsen

Manuela Rosenthal-Kappi
06.04.2022

Obwohl russische Regierungsvertreter nicht müde werden zu betonen, dass die „militärische Spezialoperation“ nach Plan verlaufe, mehren sich auch in Russland Zweifel sowohl am Erfolg als auch an der Rechtmäßigkeit des Ukrainekriegs. Darauf lassen vielfache Artikel selbst in regierungstreuen Medien schließen, auch wenn die Pressefreiheit inzwischen stark eingeschränkt ist. Die „Prawda“ weist beispielsweise auf eine wachsende Panik in der Bevölkerung hin und spricht davon, dass die Ukraine im Medienkrieg den Sieg davontrage. Während linientreue Blätter versuchen, Gerüchte über eine Niederlage zu entkräften, schreiben andere von einem Schock, den die Istanbuler Verhandlungen bei den Russen ausgelöst hätten. Die „Literaturnaja Gasjeta“ reagierte auf die drastischen Zensurmaßnahmen der Regierung mit einer Warnung vor einem „um sich greifenden Spionagewahn“. Alle warteten auf Erklärungen des Präsidenten, heißt es.

Warten auf Erklärungen Putins

Über ausländische Geheimdienste wird das Versagen der russischen Armee bekannt. Medien veröffentlichen abgehörte Telefonate russischer Soldaten, die davon zeugen sollen, dass die Moral der Truppe weitgehend gebrochen sei. Soldaten klagen gegenüber ihren Angehörigen über die Inkompetenz der Führung in Moskau, äußern Fragen über den Sinn und Zweck der „Operation“.

Ob solche Berichte der Wahrheit entsprechen, können am besten die Vertreterinnen der Soldatenmütter beurteilen, einer St. Petersburger Antikriegs-Organisation. Über die Familien der Soldaten erfahren sie, wenn deren Söhne gefallen sind oder verwundet wurden. Bei „Radio Swoboda“ berichteten sie bereits vor zwei Wochen, wie junge Wehrpflichtige, die erst die Hälfte ihres Pflichtdienstes absolviert hatten, mit Tricks zu Zeitsoldaten gemacht wurden und als solche in die Ukraine einmarschieren mussten. Das Nachrichtenportal „Medusa“ berichtet von Quellen aus dem Kreml, die davon sprechen, dass die Abgeordneten schon vor dem Abzug der russischen Truppen nicht mehr an eine Einnahme Kiews glaubten. Inzwischen mehren sich kritische Lagebeurteilungen von Politikern und Experten.

Oleg Matwejtschew, Finanzprofessor und eigentlich ein scharfer Kreml-Ideologe, sagte beispielsweise: „Wir hatten die Aufgabe gestellt, die Ukraine zu demilitarisieren und zu denazifizieren, jedoch nicht, sie zu zerstören und eine große Zahl von Menschen zu töten.“ Er sieht in den Verhandlungen und den ukrainischen Vorschlägen Vorteile für Russland, wenn garantiert sei, dass es keinen NATO-Beitritt der Ukraine gäbe, die Anerkennung des Krim-Anschlusses sowie die Unabhängigkeit der Separatistenrepubliken Donbass und Lugansk gewährleistet seien.

Experten wie der Politikwissenschaftler Kirill Rogow vom Gajdar Institut für Wirtschaftspolitik in Moskau beklagen, dass der Kreml sich als unfähig erwiesen habe, gleichzeitig an mehreren Fronten zu agieren. Zwei Strategien, nämlich der Blitz- und der Belagerungskrieg, seien schon gescheitert. Vier Mitarbeiter des Sicherheitsrats hat Putin entlassen, nachdem die Wissenschaftler sich auf einer Sitzung am 9. März zur Selbstisolierung Russlands und seiner Zukunft geäußert sowie für eine diplomatische Lösung geworben hatten.

Ein Klima der Angst

Die russische Bevölkerung lebt zunehmend in einem Klima der Angst. Niemand traut sich mehr, offen seine Meinung zu sagen. Dennoch sickern immer wieder Informationen durch. Junge Menschen leiden unter der Inflation, dem Verlust des Arbeitsplatzes und Perspektivlosigkeit. Trauer und Schock über den Krieg führen zu Zukunftsangst. Die Folge ist, dass viele gut ausgebildete Menschen aus Russland fliehen.

Die Verfolgung von Andersdenkenden gerät mehr und mehr zur Farce. Für den 24. März war in Moskau ein „Sitzprotest“ angekündigt worden. Heftiger Schneefall und Kälte sorgten jedoch dafür, dass sich nur wenige beteiligten. Dennoch rückte die Spezialeinheit OMON aus und nahm neben den wenigen Akteuren auch unbeteiligte Spaziergänger fest.

Auch wenn den meisten Russen der Mut fehlt, offen gegen den Krieg aufzutreten, dürften sie den Forderungen der Kriegsgegner, „die wirkliche Zahl der militärischen Verluste in der Ukraine“ zu nennen, „die Kriegshandlungen einzustellen“ sowie „Gefangene und Tote austauschen“, insgeheim gutheißen.


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Kommentare

sitra achra am 19.04.22, 13:56 Uhr

@Chris Benthe

Wenn ich Ihre politischen Sottisen lese, wünsche ich mir ausdrücklich, dass die mit uns verbündeten USA auch weitere 100 Jahre unser Schutzschild sein mögen.
Denn Naivität mit Dummheit gepaart haben leider auch fast 80 Jahre nach dem Krieg immer noch massenhaft Einfluss in diesem Land.
Meiner Meinung nach müssen sich die russischen Faschisten ganz und gar aus dem vom Budapester Memorandum garantierten Staatsgebiet der Ukraine zurückziehen und erhebliche Reparationsleistungen für ihr Zerstörungswerk zahlen, evtl. in Naturalien (Gas, Uran, Bodenschätze aller Art).
Putin und alle anderen Kriegsverbrecher müssen vor ein internationales Strafgericht gestellt werden.
Außerdem erfüllt für mich Ihre Behauptung, die Ukrainer hätten "Massaker" an der russischstämmigen Bevölkerung begangen, den Tatbestand der Volksverhetzung. Aus welchen Hassforen beziehen sie Ärmster solche Lügen?
Das Gegenteil ist wahr; bevor die russischen Invasoren kamen, gab es keine völkerrechtlich beanstandbaren Aktionen der ukrainischen Regierung. Für Aggressionen im Donbass haben ausschließlich fanatische russische Nationalisten gesorgt, die eine "Heim-ins-Reich-Stimmung" anheizten,-das mit allen bedauerlichen Folgen- ,die das, wahrscheinlich von Moskau gesteuert, nach sich zog.
Es ist ein Glück, dass wir in einem Land leben, in dem man sich relativ objektiv über politische Geschehnisse informieren kann. Wir haben es nicht nötig, Scharlatanen und ihren dreisten Lügen hinterherzulaufen.

Chris Benthe am 08.04.22, 06:58 Uhr

Es muss jetzt intensiv verhandelt werden. Aber nicht nur Putin muss zurückrudern. Die Arroganz des Komikers Selenskyj ist unerträglich. Die Massaker an Russischstämmigen in Donbas und Lugansk der letzten Jahre müssen aufgeklärt werden. Die Neutralität der Ukraine und die Anerkennung der russischen Krim sind unverhandelbar. Das müssen der Kasper in Kiew und seine US-hörige Bande endlich mal begreifen.
Was die Westeuropäer endlich begreifen müssen: die NATO unter Federführung der USA haben diesen Krieg mitinszeniert. Die menschelnde, moralisierende Heuchelei der transatlantischen Mittäter ist unerträglich. Die Sanktionen müssen aufgegeben werden, der Westen begeht damit gerade Selbstmord und spielt China damit in die Hände. Entweder Europa verabschiedet sich aus dem Konzert der globalen Mitstreiter, oder es findet sich neu unter Zurückweisung amerikanischer Einmischung, die nach 104 Jahren endlich beendet werden muss. Die EU und die NATO sind am Ende, es braucht eine Neuordnung Europas unter Einbeziehung West-Russlands mit einer stark gerüsteten Nord-Süd-Neutralitätszone. Die USA sollten sich auf den pazifischen Raum beschränken, dort hätten sie genug zu tun. Auf Wiedersehen, USA.

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