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Entlang der Dievenow und der Oderinsel Wollin: Vom Tiefen Zug bis zum Camminer Bodden
Die 35 Kilometer lange Dievenow [Dziwna], der östliche Mündungsarm der Oder, trennte früher die vorpommersche Insel Wollin vom hinterpommerschen Festland. Während das mittlere Seegatt der Oder, die Swine, drei Viertel des Oderwassers in die Ostsee transportiert, sind es bei der Dievenow nur 12 Prozent. Wenige Kilometer südlich der Stadt Wollin [Wolin], bei der Halbinsel Roof [Rów], verlässt die Dievenow das Stettiner Haff. An dieser Stelle trägt sie den Namen „Der tiefe Zug“ [Głęboki Nurt]. Wirklich tief ist sie aber auch hier nicht. Mit seiner Wassertiefe von zwei bis drei Metern ist der Strom jedoch ein beliebtes Segelrevier.
Sagenhaftes Vineta
In der auf den Trümmern der sagenhaften Stadt Vineta erbauten kleinen Landstadt Wollin ist bei jedem Schritt ihre Geschichte zu spüren. Hier hatte der König von Dänemark und Norwegen, Harald Blauzahn, im Jahre 950 die Jomsburg gegründet, auf der er im Jahre 987 gestorben ist. Die königliche Jomsburg war offensichtlich mit der sagenumwobenen Stadt Vineta identisch. Der Greifswalder Historiker Adolf Hofmeister hatte im Jahre 1931 die heute in der pommerschen Historiografie allgemein akzeptierte These formuliert, dass Vineta, Jumne, Julin und Jomsburg mit der Frühstadt, die sich an der Stelle des heutigen Wollin befand, identisch sei. Martin Wehrmann, der Altmeister der pommerschen Geschichte, hatte diese Überzeugung geteilt. Heute lässt ein Freilichtmuseum auf der Plageinsel in der Dievenow die frühe Geschichte Wollins wieder lebendig werden.
In Wollin – seinerzeit eine der bedeutendsten Städte Pommerns – hatte Otto von Bamberg im Jahre 1124 mit der Christianisierung der „abstörrischen“ Pommern begonnen. Vor der Nikolaikirche erinnern heute ein von einem Bischofsstab überragter Stein und eine Gedenktafel an ihn. Bei seiner ersten Visite wurde der Bischof „unter Todesgefahr“ [Burkhardt] aus der Stadt vertrieben. Er bekehrte zunächst die Stettiner und kam nach Monaten mit militärischer Verstärkung nach Wollin zurück, um auch hier das Kreuz aufzurichten. Allerdings musste er vier Jahre später noch einmal anreisen, um sein Werk zu vollenden, denn der alte Glaube der Ostseeslawen – insbesondere mit den Gottheiten Triglav und Swantewit verbunden – war bei den Pommern tief verwurzelt.
Sehr viel bescheidener als der Gedenkstein für Otto fällt die nahe der Wolliner Nikolaikirche angebrachte hölzerne Gedenktafel für Bugenhagen aus. Der pommersche Reformator und Weggefährte Martin Luthers, auch „Doctor Pomeranus“ genannt, erblickte hier das Licht der Welt und wurde in der Nikolaikirche getauft.
Chronistenpflicht ist es, zu vermerken, dass die frühere Wolliner Synagoge in der Wallstraße während der „Reichspogromnacht“ nicht zerstört wurde. Vermutlich blieb sie verschont, weil sie zu diesem Zeitpunkt bereits verkauft und in private Hände übergegangen war. Heute dient das Gebäude als Wohnhaus.
Etwas weiter nördlich bildet die Dievenow zwei Ausbuchtungen, die Maade [Zatoka Cicha] und den Camminer Bodden [Zalew Kamieński]. Von beiden Gewässern wird die Insel Gristow [Wyspa Chrząszczewska] umspült.
Der bis zu fünf Kilometer breite Camminer Bodden ist eine Lagune der Dievenow. An seinem Ostufer, im ehemaligen Hinterpommern, liegt die frühere Residenz der Pommernherzöge Cammin. Sie ist für Historiker kaum weniger interessant als die Stadt Wollin. Ihre größte Sehenswürdigkeit ist der Camminer Dom (heute die Kathedrale St. Johannes). Das Gotteshaus verfügt über die schönste Orgel Pommerns. Die imposante Barockorgel hat mehr als 3300 Pfeifen. Unterhalb der Orgel befindet sich ein Bild Croÿs, des Stifters der Orgel. Croÿ war der Neffe des letzten Herzogs von Pommern, Bogislaw XIV. und der letzte evangelische Bischof von Cammin. In den Jahren 1634–1635 war Ernst Bogislaw Rektor der Greifswalder Alma Mater. Später vererbte er der Greifswalder Universität den Bildteppich (Croÿ-Teppich) sowie den goldenen Siegelring Bogislaw des XIV. von Pommern und eine goldene Kette. Der Siegelring und die Kette fungieren seit dem 19. Jahrhundert als Amtsinsignien des Rektors der Universität. Seit 2005 sind die drei genannten Objekte dauerhaft im Pommerschen Landesmuseum Greifswald ausgestellt.
Der prächtige Wandteppich war für das Herzogsschloss in Wolgast bestimmt. Die Tapisserie wurde von Peter Heymans in Stettin nach Vorlagen von Lucas Cranach der Ältere und Albrecht Dürer im Auftrage des Herzogs Philipp des I. von Pommern-Wolgast um 1554 angefertigt. Der Teppich zählt seit 2014 zu den national bedeutsamen Kulturgütern der Bundesrepublik Deutschland sowie des Landes Mecklenburg-Vorpommern.
Sehenswert sind in Cammin auch das spätgotische Rathaus auf dem Marktplatz sowie das Wolliner Tor mit dem Museum der Stadt. Zudem bietet die Stadt den Seglern eine sehr attraktive Marina.
Am westlichen Ufer des Camminer Boddens befindet sich der Hafen von Heidebrink [Międzywodzie]. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es hier Dampfschiffverbindungen nach Stettin und Cammin. In Sichtweite des Hafens liegen die Inseln Gristow und Cammin. Die Attraktion der Insel Gristow ist „der große Stein“. Er liegt im Norden des Eilands im flachen Wasser und hat einen Umfang von 20 Metern. Es heißt, dass er der Namensgeber für die Stadt Cammin war.
Vom Binnenhafen Heidebrinks kann man zu Fuß in einer halben Stunde den Ostseestrand des Ortes erreichen. Das Ostseebad Heidebrink – wegen seines schönen acht Kilometer langen Ostseestrandes heute auch „polnische Côte d' Azur“ genannt – liegt auf dem Trendel [Miedzywodzkie], deutsch: „zwischen zwei Wassern“). Der Trendel ist eine etwa zwei Kilometer breite Nehrung, die sich über mehr als drei Kilometer der Mündung der Dievenow entgegenstreckt. In den Kureinrichtungen Heidebrinks werden vor allem Beschwerden der oberen Luftwege behandelt. Naturliebhaber kommen hier auch auf ihre Kosten.