Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Vor 500 Jahren wurde der Deutschordensstaat in das Herzogtum Preußen umgewandelt. Über die Gründung einer späteren Großmacht aus einer Niederlage heraus – und die Frage, welche Relevanz dieser Umstand für die Gegenwart hat
Unter den vielen Jahrestagen der preußischen Geschichte sind die Ereignisse des Jahres 1525 nur noch wenigen Landsleuten bewusst. Während etwa 2001 anlässlich des 300. Jahrestags der Gründung des Königreichs Preußen oder 2012 zum 300. Geburtstag Friedrichs des Großen oder im vergangenen Jahr zum 300. Geburtstag Immanuel Kants jeweils zahlreiche private und öffentliche Veranstaltungen stattfanden sowie unzählige Publikationen erschienen, scheint die vor 500 Jahren stattgefundene Umwandlung des Deutschordensstaates in ein weltliches Herzogtum für das öffentliche Deutschland kein Thema zu sein.
Dieser Umstand ist nicht nur unverständlich, sondern auch bedauerlich. Denn die Ereignisse des Jahres 1525 waren nicht nur für die Region, in der sie stattfanden – für die sich später der Name Ostpreußen herausbildete – sowie für die damalige Zeit bedeutsam, sondern sie hatten und haben Folgen, die unser gesellschaftliches Leben bis heute prägen.
Das Ende eines langen Streits
Am 8. April jenes Jahres schlossen der polnische König Sigismund I. und der Hochmeister des Deutschordensstaates, Albrecht von Brandenburg-Ansbach, in Krakau einen Vertrag, mit dem sie den zuvor seit rund dreihundert Jahren bestehenden Konflikt zwischen beiden Parteien beilegten. Im Jahre 1226 hatte der Staufer-Kaiser Friedrich II. in der Goldenen Bulle von Rimini den Deutschen Orden mit dem Kampf gegen die östlich der unteren Weichsel beheimateten heidnischen Pruzzen beauftragt und dem Orden die absolute Landeshoheit über das zu erobernde Gebiet zugesichert. 1230 hatte der Hochmeister des Ordens, Hermann von Salza, mit dem polnischen Herzog Konrad von Masowien zudem den Vertrag von Kruschwitz geschlossen, der dem Orden ebenfalls die Herrschaft über alles Land übertrug, das dieser in prußischen Landen erobern würde. Nur ein Jahr später – 1231 – landeten die ersten Ordensritter bereits an der Weichsel, gründeten die Stadt Thorn und begannen ein einzigartiges Siedlungsprogramm, bei dem in den folgenden hundert Jahren rund 100 Städte und etwa 1500 Dörfer gegründet wurden.
Da der Vertrag von Kruschwitz – dessen Original als nicht überliefert gilt – in polnischer Sicht nicht als Schenkung, sondern als Übertragung eines Lehens verstanden wurde, kam es schon bald zu einem Zerwürfnis zwischen den Vertragspartnern, dessen Höhepunkt die Schlacht bei Tannenberg im Jahre 1410 zwischen dem Deutschen Orden sowie einer gemeinsamen Streitmacht des Königreichs Polen und des Großfürstentums Litauen war. Die Schlacht endete mit einer verheerenden Niederlage des Ordens und dem Ersten Thorner Frieden 1411.
Dieser läutete den langen Niedergang des Ordens ein, vermochte jedoch nicht, den Konflikt dauerhaft beizulegen. Gleiches gilt auch für den Zweiten Thorner Frieden von 1466, der das Gebiet des Ordensstaates in zwei Landesteile teilte – das fortan zur polnischen Krone gehörende Preußen königlichen Anteils und den Reststaat des Ordens.
Zu einem Hauptstreitpunkt in den Beziehungen zwischen dem Ordensstaat und dem Königreich Polen war die Frage der Huldigung – also des Treueids gegenüber dem polnischen König – geworden, die der Vertrag von Thorn den Hochmeistern des Ordens auferlegte. Fünf Hochmeister hatten diesen seit 1466 widerstrebend geleistet. Doch als der Orden 1498 mit Friedrich von Sachsen erstmals einen Reichsfürsten zum Hochmeister berief, verweigerte dieser die Huldigung mit der Begründung, dass er als Untertan des Kaisers keinem fremden König die Gefolgschaft schwören könne.
Diese Argumentation übernahm auch Albrecht von Brandenburg-Ansbach, als er 1511 zum Hochmeister des Ordensstaates berufen wurde. Anders als seine Vorgänger versuchte Albrecht, die Huldigung nicht nur zu verschleppen, sondern sie aktiv anzufechten. Im Reiterkrieg von 1519 bis 1521 versuchte er gar mit militärischen Mitteln, den Ordensstaat aus der Vormundschaft der polnischen Krone zu befreien. Doch als dieser Versuch scheiterte, blieb Albrecht nichts anderes übrig, als am 8. April 1525 im Vertrag von Krakau kleinbeizugeben und letztendlich doch den Huldigungseid gegenüber dem polnischen König Sigismund zu schwören.
Zugleich wurde der bislang geistliche
Ordensstaat, der nicht zum Heiligen Römischen Reich gehörte, in das weltliche Herzogtum Preußen umgewandelt und der bisherige Hochmeister Albrecht zum Landesherrn ernannt, der neben dem Titel des Herzogs von Preußen auch den Status eines Senators von Polen erhielt.
Der erste protestantische Staat
Aus polnischer Sicht gehörte mit dem Vertrag und der Huldigung von Krakau das alte Siedlungsgebiet der Prußen rund 300 Jahre nach dem Vertrag von Kruschwitz endlich zu Polen. Die deutsche Lesart ist indes eine andere. Dies beginnt bereits damit, dass sowohl Kaiser Karl V. als auch Papst Honorius III. den Vertrag von Krakau und damit die Umwandlung des geistlichen Ordensstaates in ein weltliches Herzogtum nicht anerkannten und der Kaiser gar die Reichsacht über Albrecht verhängen ließ, die freilich ohne Konsequenzen für diesen blieb.
Auch sonst war aus deutscher Sicht der Status Preußens so, dass das Herzogtum zwar den König von Polen als Lehnsherrn anerkannte, jedoch im Alltag weitgehend unabhängig blieb. Ein Beleg dafür, dass diese Lesart nicht falsch ist, ist der Umstand, dass Preußen auch nach der Huldigung eine eigenständige Verwaltungsstruktur hatte, mit den vier herzoglichen Oberräten – Landhofmeister, Oberburggraf, Obermarschall und Kanzler – an der Spitze.
Für eine weitgehende Eigenständigkeit Preußens spricht nicht zuletzt das zweite große Ereignis des Jahres 1525. Am 6. Juli erließ Herzog Albrecht, der Jahre zuvor Martin Luther begegnet war und sich für dessen revolutionäre theologische Ideen begeisterte, in Königsberg das Mandat der Reformation und machte damit das Herzogtum Preußen zum ersten protestantischen Staat der Welt. Auch wenn gemeinhin Mitteldeutschland als Heimat Luthers zurecht als Ursprungsland der Reformation gilt, so ist es doch unbestreitbar, dass derjenige Ort, an dem aus den theoretischen Lehren des Reformators konkretes staatliches Handeln wurde, das Herzogtum Preußen war. Alle sonstigen Staaten, die heute als Wegbereiter der Reformation gelten – wie zum Beispiel Hessen unter Landgraf Philipp (1526) oder Braunschweig-Lüneburg unter Herzog Ernst dem Bekenner (1527) oder auch das Königreich Schweden (1527) – folgten alle erst nach Preußen.
Um so bedauerlicher ist es, dass weder die Evangelische Kirche in Deutschland noch die Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz dieses Ereignisses gedenken. Vermutlich sagt dieser Befund mehr über den Zustand des Protestantismus unserer Tage aus als über das Herzogtum Preußen vor 500 Jahren.
Lehren einer Staatsgründung
Über die Ereignisse des Jahres 1525 und deren Auswirkungen ist – zumindest in früheren Zeiten – einiges geschrieben und gedeutet worden. Zu den bedeutsamsten Folgen für die deutsche und europäische Geschichte gehört, dass der auf die baltische Urbevölkerung der Region zurückgehende Landschaftsbegriff „Preußen“ hier erstmals zum Namen eines Staates wurde.
Ein weiterer Aspekt ist, dass die von Luther verkündete Erneuerung des christlichen Glaubens allein aus der heiligen Schrift heraus („sola scriptura“) im Herzogtum Preußen einen entscheidenden Impuls bekam. Dass die Begriffe „preußisch“ und „evangelisch“ oft als Einheit wahrgenommen wurden und werden, obwohl das spätere Königreich auch bedeutende katholische Landesteile hatte, liegt wesentlich an den Ereignissen des Jahres 1525.
Ein interessanter und nachdenklich stimmender Gedanke ist, dass jene Ereignisse, die heute als Schlüsselmoment preußischer Geschichte gelten, das Ergebnis einer Niederlage im Ringen mit dem polnisch-litauischen König waren. Oder drastischer gesagt: Am Anfang des preußischen Aufstiegs zur Großmacht stand eine Schmach und Demütigung. Dies erinnert zudem daran, dass die preußische Geschichte keineswegs nur in geraden Bahnen lief, sondern immer auch Umwege gehen musste. Andererseits zeigt dieses Beispiel jedoch auch, dass Preußen selbst nach schweren Niederlagen immer wieder auferstanden ist.
Nicht zuletzt belegt der Umstand, dass das 1525 gegründete Herzogtum das erste Land der Reformation war, dass Preußen keineswegs – wie es heute oft dargestellt wird und 1947 von den Alliierten zur Begründung ihres Preußen-Verbots angeführt wurde – ein Hort autoritärer Reaktion war, sondern ganz im Gegenteil in den meisten Augenblicken seiner Geschichte an der Spitze der Entwicklungen der jeweiligen Zeit stand.
Als Beleg gerade für diese letzte These sei daran erinnert, dass ungefähr zur gleichen Zeit, in der Albrecht den ersten reformatorischen Staat der Welt schuf, in Frauenburg – und somit zwar nicht im Herzogtum Preußen, aber doch in alten preußischen Landen – der aus Thorn stammende Domherr und Astronom Nikolaus Kopernikus an seiner Arbeit „De revolutionibus orbium coelestium“ (zu Deutsch: „Über die Umlaufbahnen der Himmelssphären“) saß, mit der er den Nachweis lieferte, dass sich die Erde um die Sonne dreht. Nicht an einer der großen Universitäten des Altertums oder der Neuzeit, nicht in Athen oder Rom, Bologna oder Oxford wurde unser heutiges Bild von der Stellung der Welt im Universum begründet, sondern in einem kleinen Burgturm in einem kleinen Städtchen am Frischen Haff.
Ein Ausblick
Der preußische Staat, der im 18. Jahrhundert zum Königreich wurde und zur europäischen Großmacht aufstieg sowie im 19. Jahrhundert das zweite Kaiserreich begründete, ging bekanntermaßen in der deutschen Katastrophe des 20. Jahrhunderts unter. Dass mit der Vertreibung der Ost- und Westpreußen, Pommern, Schlesier und Ost-Brandenburger sowie den „Bodenreform“ genannten Enteignungen in Kurbrandenburg und der Altmark auch die in Jahrhunderten herausgebildete soziale Struktur des alten Preußen zerstört worden war, ließ dessen Wiederkehr lange undenkbar erscheinen.
Und doch sind seit dem Ende des Kalten Krieges zahllose Restaurations- und Wiederaufbauprojekte zu verzeichnen, von denen beispielhaft das Berliner Schloss als Humboldtforum, das Potsdamer Stadtschloss als Sitz des Brandenburger Landtages, die Franckeschen Stiftungen in Halle, der immer weiter gehende Auf- und Ausbau der Marienburg, der Königsberger Dom, aber auch die Rettung der längst dem Verfall gewidmeten Innenstadt von Görlitz zu nennen sind. Das aktuell bedeutendste Projekt in dieser Hinsicht ist der Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche.
Das Erstaunliche an diesen Projekten ist einerseits, dass sie zumeist von privaten Initiativen ausgegangen sind. Der zweite erstaunliche Fakt ist, dass die Wiederkehr Preußens längst nicht mehr nur auf die Bundesrepublik beschränkt ist, sondern gerade auch östlich von Oder und Neiße eine vielfältige Renaissance zu beobachten ist. Diese Renaissance zeigt sich nicht nur in Form historischer Sachbücher oder des Wiederaufbaus bedeutender Bauten der Geschichte, sondern hat längst zu einem jeweils eigenen regionalen Bewusstsein geführt.
Natürlich ist dies alles weit von den Verhältnissen entfernt, die einmal Preußen waren. Aber es ist doch erheblich mehr als noch vor wenigen Jahren. Und so sollte die Gründung des Herzogtums Preußen aus einer Niederlage heraus die Freunde Preußens nicht nur mit Demut auf die sonst so große Geschichte des Staates blicken lassen, sondern auch mit der Zuversicht, dass es für Preußen selbst nach großen Katastrophen immer wieder aufwärts ging.
In diesem Sinne könnte es sein, dass das Beste der preußischen Geschichte noch vor uns liegt. Wer weiß das schon?