14.12.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

Der Wochenrückblick

25 Quadratmeter

Wie sich Kapitalismus und Sozialismus versöhnen, und an welchen Strohhalm sich Lauterbach klammert

Hans Heckel
21.05.2022

Dass unsere Gesellschaft gespalten ist, haben wir nun schon tausendmal gehört. Ebenso, dass praktisch jedes Thema, welches neu auf die Deutschen eindrischt, diese „Spaltung noch vertieft“. Demnach müsste diese Spaltung schon so tief sein, dass wir von „Gesellschaft“ gar nicht mehr sprechen dürften.

Aber nun: Endlich erreicht uns mal eine Botschaft der Versöhnung, und das auch noch in einem Zusammenhang, in dem wir das nie und nimmer erwartet hätten: In der Hauptstadtregion haben sich nämlich Kapitalismus und Sozialismus versöhnt. Und zwar nicht irgendein Kapitalismus, sondern der ganz harte, den wir jahrzehntelang Manchester-Kapitalismus genannt haben. Das ist jener Kapitalismus, dem es wirklich nur um Profite und sonst gar nichts geht.

Sozialisten teilen bekanntlich gerne zu. Nicht Leistung, Vermögen oder auch einfach das Glück des Einzelnen sollen darüber entscheiden, was einer hat oder sich leisten kann, sondern staatliche Stellen, besetzt mit Genossen und Bürokraten, die es besser wissen und für „soziale Gerechtigkeit“ sorgen. Den Anhängern des Kapitalismus war das stets ein Graus, die Betonung liegt auf „war“.

Maren Kern ist Chefin des Verbandes Berlin-Brandenburger Wohnungsunternehmen, kurz BBU. Sie hat das Kunststück der Versöhnung mit einem genialen Vorschlag vollbracht: Um die Wohnungsnot zu lindern, sollten wir „über die Möglichkeit zur Wohnraumbegrenzung nachdenken“, so Kern. Es gehe nämlich nicht an, dass „wir über Knappheit klagen und gleichzeitig die Wohnfläche pro Kopf vielerorts weiter steigt“.

Konkret hieße das: Wer in einer zu großen Wohnung lebt, soll entweder eine „Unterbelegungsabgabe“ zahlen, jemanden einquartiert bekommen oder in eine kleinere Bleibe umziehen. Was ist zu groß? Das müsste der Gesetzgeber entscheiden. Und was wäre angemessen klein? Darüber hat sich Christine Hannemann, Wohnforscherin an der Uni Stuttgart, schon ihre Gedanken gemacht.

Hannemann meint, dass 25 Quadratmeter pro Person völlig ausreichten. Mehr sei nicht nur unnötig, sondern auch schlecht für die geistige Gesundheit. Mit jedem Quadratmeter mehr steige nämlich die psychische Belastung: „Es wird oft unterschätzt, wie viel Arbeit Wohnen bedeutet“, zitierte der „Spiegel“ die Forscherin vergangenes Jahr in einem Beitrag, der mit dem Foto eines Wohngebäudes bebildert ist, das wohl den Idealtyp unserer zukünftigen, psychisch entlasteten Wohnstätten zeigen soll. Wir sehen einen containerartigen Viergeschosser mit neun winzigen Wohnwaben pro Etage. Es sieht aus wie die für Menschen gemachte Version einer Legehennenbatterie. Mit anderen Worten, der sozialistische Traum in Beton gegossen: alle gleich, alle klein, aber alle furchtbar glücklich, glaubt man der Professorin.

Aber wie in aller Welt kann sich die Chefin eines Unternehmensverbandes für solche Ideen erwärmen, für staatliche Zuteilung und Wohnraumbegrenzung? Sind solche Leute roten Umverteilungsphantasien nicht immer abhold gewesen? Kommt drauf an. Im Blick haben die Raum-Rationierer nämlich insbesondere die allein lebenden Alten, also die Omi, die immer noch die drei Zimmer bewohnt, die sie früher mit ihrem mittlerweile verstorbenen Ehemann geteilt hatte.

Die Omi muss raus

Solche Omis wecken nicht nur die Begehrlichkeiten linker Wohnraum-Umverteiler, sondern auch nicht selten den Groll ihrer Vermieter, weil sie immer noch mit dem günstigen Mietvertrag von 1974 in einer Wohnung hocken, aus der man per Neuvermietung deutlich mehr herausholen könnte. Und da die Omi mit ihrer mutmaßlich schmalen Rente weder die „Unterbelegungsabgabe“ stemmen noch die Einquartierung eines Wildfremden seelisch aushalten dürfte, rückt die Chance einer lukrativen Neuvermietung in greifbare Nähe, wenn die alte Krähe endlich ausziehen müsste, weil das Gesetz sie faktisch dazu zwingt.

Da haben wir die herzerwärmende Versöhnung von hartem Kapitalismus und Sozialismus, wobei beide vorgeben, sich vor allem um die „kleinen Leute“ zu sorgen. Daher reden die kapitalistischen Vermieter so einfühlsam über die vielen Wohnungssucher, für welche die Omi gefälligst Platz machen soll. Den Sozialisten und ihren professoralen Stichwortgebern geht es um unsere seelische Gesundheit, weil uns alles über 25 Quadratmeter psychisch kaputt macht. Aber ist Letzteres auch wirklich wissenschaftlich gesichert? Woher wissen die Gelehrten so was eigentlich?

Kann ich nicht sagen. So war ich denn schon in so manchen Heimen von Hochschulprofessoren zu Gast. Verblüffenderweise maßen die aber alle deutlich mehr als 25 Quadratmeter pro Insasse, ohne dass der Gastgeber einen psychisch angeknacksten Eindruck vermittelte. Wie halten die das nur aus? Es ist halt der höhere akademische Stand, der ist nicht so zart besaitet wie wir kleinen Würstchen und verkümmert selbst auf 100 Quadratmetern pro Person nicht zum Fall für die Klapsmühle. Aber um uns macht man sich dort oben eben Sorgen, anders gesagt: Alle sind gleich, aber einige sind gleicher.

Dass hinter solchen Sorgen manchmal Motive stecken, die man auf den ersten Blick kaum erkennen kann, konnten wir anhand der Corona-Politik bereits ausgiebig beobachten. Gerade erst hat die EU verkündet, dass sie das Masketragen in Flugzeugen nicht weiterempfiehlt. Unser Gesundheitsminister ist da natürlich sofort dazwischen gegangen: Auf Flügen von und nach Deutschland gelte der Bedeckungszwang selbstverständlich weiter. Für eine Freigabe ist Karl Lauterbach viel zu besorgt über ... ja, worüber eigentlich? Das ist nicht so leicht zu beantworten, wie es auf Anhieb scheint.

Der bekannte Virologe Klaus Stöhr hat ja schon vor etlichen Wochen festgestellt, dass der fortdauernde Maskenzwang nichts mehr bringe, da sich jeder, der sich theoretisch anstecken könne, sowieso anstecken werde. Stöhr warnte stattdessen davor, dass das massenhafte Masketragen sogar einen sehr negativen Effekt hervorbringen dürfte: Das natürliche Auslaufen der Pandemie werde so nämlich nur in die Länge gezogen.

Dass Lauterbach einen ganz eigenen Plan verfolgt, über den er nicht spricht, ist eine Verschwörungstheorie, die der Minister immer wieder selbst füttert, indem er einen derartigen Blödsinn nach dem anderen redet, dass ihm keiner mehr glauben mag, er glaube den Kram selber. Laut dieser Theorie ist das Hinausziehen des Pandemie-Endes der letzte Strohhalm, an den sich Lauterbach klammert.

Der Plan: Wir müssen die Pandemie um jeden Preis bis zum Herbst am Leben erhalten. Dann ergibt sich vielleicht die Chance, dass Corona, von der kälteren Witterung begünstigt, wieder aufersteht, wir die schmerzlich vermissten Restriktionen alle wieder einführen und unsere Impfkampagnen erneut lostreten können. Aber, wie gesagt, das ist eine krude Verschwörungstheorie. In Wahrheit ist der Minister nur um uns besorgt.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS