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Kirchenmusik

500 Jahre evangelische Liedersammlung

Zur Jahreswende 1523/1524, druckte Jobst Gutknecht in Nürnberg das sogenannte Achtliederbuch. Es gilt als Ausgangspunkt für die Entstehung des Evangelischen Gesangbuchs

Bodo Bost
31.12.2023

Die Reformation Martin Luthers war auch mit einem musikalischen Aufbruch verbunden. Luther war nicht nur Theologe und Reformator, sondern auch Musiker und Komponist. Er setzte die Musik ganz bewusst zur Verbreitung seiner Theologie ein. In seiner reformierten Liturgie spielten von Anfang an die Predigt und der Gesang der Gemeinde die Hauptrollen. Der Liedgesang, später Choral, war für ihn ein Glaubensbekenntnis, ein geistlicher Kommentar zu biblischen Texten.

Luther selbst komponierte über 30 Lieder. Während seines Studiums in Eisenach hatte Luther eine musikalische Ausbildung erhalten, einschließlich Gesang. Im Kloster der Augustiner-Eremiten in Wittenberg hatte er Gelegenheit, seine Fähigkeiten zu vervollkommnen, aufgrund der wichtigen Rolle, welche die gesungene Liturgie bei den Mönchen dort spielte. Luther kannte die Notenlehre und war imstande, Volkslieder umzuschreiben und zu harmonisieren sowie selbst Melodien zu Psalmen oder anderen Texten zu komponieren. Er stand in Kontakt mit namhaften Musikern seiner Zeit, wie Ludwig Senfl, Hofmusiker in Bayern, oder Johann Walter, Hofmusiker in Sachsen. Letzterer machte ihn auf seiner Romreise mit dem franko-flämischen Komponisten Josquin Desprez bekannt. Der beherrschte die kompositorischen Techniken der Frührenaissance meisterhaft und gilt als bedeutendster Komponist seiner Zeit.

Musiker und Komponist
Musik war für Luther eine Schöpfergabe, speziell für den gottesdienstlichen Gebrauch. Deshalb verwundert es nicht, dass schon wenige Jahre nach dem Thesenanschlag von Wittenberg in Nürnberg die erste protestantische Liedersammlung erschien. Das sogenannte Achtliederbuch wurde von Jobst Gutknecht 1524 als Liedersammlung unter dem Titel „Etlich Cristlich lider / Lobgesang und Psalm“ veröffentlicht. Als Erscheinungsort wurde zwar Wittenberg angegeben, tatsächlich ist es aber in Nürnberg gedruckt worden.

Es gilt als Ausgangspunkt für die Entstehung des Evangelischen Gesangbuchs. Das Achtliederbuch war eine Erfolgsgeschichte des Kirchengesangs über nationale und konfessionelle Grenzen hinweg, es hat die Frömmigkeit seit der Frühen Neuzeit nachhaltig geprägt.

Frömmigkeit nachhaltig geprägt
Die Hälfte der Lieder im Achtliederbuch stammte von Luther selbst, darunter „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“, das bis heute gesungen wird. Der Komponist der anderen vier Lieder war Paul Speratus, ein aus der Gegend von Danzig stammender vormaliger katholischer Priester, der sich Luther sehr früh angeschlossen hatte.

Die ersten evangelischen Kirchengemeinden wurden mit der Reformation zu singenden Gemeinden, sie sorgten für den Erfolg der Reformation. Die ersten Liedersammlungen verbreiteten sich durch den Buchdruck so schnell wie die Reformation über Deutschland und die Hälfte Europas.

Die Hälfte stammte von Luther
Kurz darauf erschien in Erfurt das Erfurter Enchiridion (Handbüchlein), das den kleinen, auswendig gesungenen lutherischen Liederstamm sammelte. Valentin Babst sammelte 1545 Lieder aus den verschiedensten Regionen. Für die reformierte Geschichte war der Genfer Psalter von 1562 prägend, der 1573 ins Deutsche übersetzt wurde.

Eine Gruppe von Musikern um Luther erarbeitete eine kleine Sammlung von Kirchenliedern, das „Geistliche Gesangbüchlein“. Autor war der „Urkantor der lutherischen Kirche“, Johann Walter. Mit diesem Werk begann die Geschichte der polyphonen evangelischen Kirchenmusik. Es war das erste Evangelische Chorgesangbuch. Die Sammlung von Chorstücken enthielt neben fünf lateinischen Motetten 38 reformatorische Choräle in kunstvollen drei- bis fünfstimmigen Bearbeitungen. Luthers gesamtes Liedschaffen der Jahre 1523/24 fand Aufnahme darin, darunter „Nun komm der Heiden Heiland“ oder „Wir glauben all an einen Gott“. All diese Lieder werden bis heute gesungen. Luther lehnte die Verwendung der lateinischen Sprache für den Gesang nicht ganz ab, da diese Sprache sich leicht an die Komposition anpassen ließ. Viele weitere Kirchenlieder Luthers haben die Zeiten überdauert, wie „Eine feste Burg ist unser Gott“ oder „Christ lag in Todesbanden“. Das verdanken sie auch dem besonders beeindruckenden polyphonischen Werk des Komponisten Johann Sebastian Bach, der die protestantische Kirchenmusik zur höchsten Blüte führte. Der bedeutendste protestantische Kirchenliederdichter war der evangelische Pfarrer Paul Gerhardt. Allein 26 Liedtexte im Evangelischen Gesangbuch stammen von ihm, darunter „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“.

Auswirkungen auf die profane Musik
Die Bedeutung, die Luther der Musik und dem Kirchengesang beimaß, hat ganz erheblich zur Entwicklung der weltlichen Musik in den deutschsprachigen Ländern beigetragen. Heinrich Schütz, Dietrich Buxtehude und Johann Sebastian Bach pflegten lutherische Themen in Kantaten und Oratorien zu verwenden. Damit entwickelten sie die musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten weiter, die damit der gesamten Musik zugutekamen.

Auch das erste katholische Gesangbuch ist im zeitlichen Kontext der Reformation entstanden und war zunächst eine katholische Reaktion auf den Erfolg reformatorischer Gesangbücher. Die katholischen Gesangbücher des 16. Jahrhunderts ahmten die evangelischen Ausgaben zunächst nach, erst die Jesuiten schufen im Verlauf des 17. Jahrhunderts ein eigenes katholisches Gesangbuchprofil und grenzten es von dem protestantischen ab.


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