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„Kein Interesse an planvollem Vorgehen“: Vizechef der Kassenärzte gibt Rot-Rot-Grün vernichtende Noten
Im Rekordtempo bauen Krankenhäuser in ganz Deutschland derzeit ihre Kapazitäten auf den Intensivstationen aus. Wie das Beispiel Berlins zeigt, haben sich im deutschen Gesundheitssystem aber über Jahre Probleme angestaut, die sich kurzfristig kaum lösen lassen.
Im Kampf gegen die Corona-Pandemie kann das deutsche Gesundheitssystem auf eine Trumpfkarte zurückgreifen, um die es ein Großteil der Welt derzeit beneidet. Im Vergleich mit anderen großen Wirtschaftsnationen fällt die Bundesrepublik nämlich durch eine hohe Versorgungsdichte mit Krankenhausbetten und insbesondere durch eine hohe Zahl von Betten in Intensivstationen auf. Laut dem Bericht „Beyond Containment: Health systems responses to COVID-19“ der Industrieländerorganisation OECD kommen hierzulande auf 100 000 Einwohner im Schnitt 33,9 Intensivbetten.
Ähnlich gut ist die Infrastruktur in Österreich mit 28,9 Intensivbetten je 100 000 Einwohnern und in den USA (25,8). Deutlich schlechter sind Spanien (9,7) und Italien (8,6) aufgestellt. Mittlerweile haben nach Angaben des Chefs der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, die Kliniken in Deutschland die Zahl der Intensivbetten nochmals erhöht. Zur Verfügung stehen nun rund 40 000 Intensivbetten, etwa 30 000 dieser Betten sind mit Beatmungsgeräten ausgerüstet.
Deutschland wird beneidet
Berlin peilt innerhalb weniger Wochen sogar eine Verdoppelung seiner Kapazitäten zur Intensivbehandlung an. Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci kündigte am 2. April an, dass bis Ende des Monats die Zahl der Intensivbetten in der Stadt auf 2200 aufgestockt werden soll. Nach Angaben der SPD-Politikerin standen vor der Corona-Krise in der deutschen Hauptstadt 1045 Betten mit Beatmungsgeräten zur Verfügung.
Ebenfalls im Laufe des April will der Senat auf dem Berliner Messegelände noch ein Corona-Behandlungszentrum errichten, das Covid-19-Patienten mit einem leichteren Krankheitsverlauf aufnehmen soll. Laut der Ankündigung von Senatorin Kalayci soll in der Messehalle 26 ein Mix aus „Krankenhaus und Feldlazarett“ entstehen. Mit Blick auf diesen Plan warnte Berlins Krankenhausgesellschaft, für das Corona-Behandlungszentrum aus den anderen Kliniken dringend nötiges Personal abzuziehen. Tatsächlich fehlt an vielen Berliner Krankenhäusern bereits seit Jahren Pflegepersonal. Dieser lang bekannte Missstand verschärft sich nun: Bundesweit mehren sich die Fälle, bei denen medizinisches Personal selbst an der Lungenkrankheit Covid-19 erkrankt.
Der Ausfall osteuropäischer Mediziner und Pfleger durch Quarantäne-Regelungen in Polen und Tschechien verschärft den Personalmangel zusätzlich. Vor diesem Hintergrund will die Gesundheitsverwaltung für das Behandlungszentrum auf Ärzte zurückgreifen, die sich entweder im Ruhestand, in Teilzeit oder in Weiterbildung befinden. Zudem setzen die Verantwortlichen auch auf Berufsanfänger und auf Personal aus Arztpraxen, die schließen mussten. Normalerweise verfügt Berlin über rund 6500 Praxen. Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin waren davon Anfang des Monats 86 geschlossen, 255 Berliner Arztpraxen mussten wegen fehlender Schutzausrüstung oder Quarantänemaßnahmen ihren Betrieb einschränken.
Gefahr durch fehlenden Schutz
Die Kassenärztliche Vereinigung warnt inzwischen vor weiteren Schließungen. Burkhard Ruppert, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KV Berlin, sagte, die niedergelassenen Ärzte müssten sich, ihre Mitarbeiter und noch nicht infizierte Patienten schützen. Ohne Schutzausrüstung könne die medizinische Grundversorgung nicht mehr aufrechterhalten werden, so dass eine Implosion des Gesundheitssystems drohe. Ruppert erinnert zudem daran, dass die Bevorratung von Schutzausrüstung in großen Mengen keine Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung sei. „Laut Aufgabenverteilung im Katastrophenschutz ist das ganz eindeutig Sache der Bundesländer“, so Ruppert. Die fehlende Vorsorge durch das Land Berlin zwingt die KV inzwischen zur Schadensbegrenzung: Damit Dialysepraxen, Lungenfachärzte und Hausärzte ihren Betrieb weiter aufrechterhalten können, kümmert sich die Vereinigung seit Wochen selbst um die Beschaffung von Schutzausrüstung.
Die KV Berlin kritisiert zudem, dass noch im Januar medizinische Schutzkleidung aus Deutschland exportiert worden sei. Auch dem aktuellen Agieren des rot-rot-grünen Senats in der Corona-Krise stellte der Vertreter der niedergelassenen Ärzte kein gutes Zeugnis aus. Gegenüber der „Berliner Zeitung“ sagte Ruppert: „Wir sind leider weiterhin mehr als besorgt über das Desinteresse des Senats. Es gibt kein erkennbares Interesse an planvollem Vorgehen.“